Für medizinische Zwecke angebaut

Drogenbesitz in nicht geringer Menge: Amtsgericht versteht, aber verurteilt

Schmerzkranke dürfen für den Eigenbedarf Cannabis zu therapeutischen Zwecken anbauen. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Mittwochvormittag entschieden. Zeitgleich hatte sich das Amtsgericht Einbeck mit einem ähnlichen Fall zu beschäftigen: Einem Einwohner aus einem Dasseler Ortsteil wurde vorgeworfen, Cannabispflanzen in nicht unerheblicher Menge angebaut zu haben. Der Angeklagte argumentierte, das Rauschgift zu medizinischen Zwecken zu be­nötigen: Er sei seit Jahren Schmerzpatient, und das Kiffen helfe ihm besser als Medikamente. Das Gericht berücksichtigte dieses Argument bei der Verhängung einer Bewährungsstrafe, machte jedoch auch Auflagen.

Einbeck. Die Staatsanwaltschaft warf dem Einwohner eines Dasseler Ortsteils vor, im vergangenen Sommer im Garten seiner Mutter in einer anderen Dasseler Ortschaft Pflanzen nach dem Betäubungsmittelgesetz in nicht geringer Menge angebaut zu haben. Geerntet wurden 4,2593 Kilogramm Cannabis. Die Untersuchung des Lan­des­kri­mi­nalamts auf Menge und Wirkstoffgehalt hat ergeben, dass die THC-Konzentration zwar mit 2,1 Pro­zent nur gering war, es ließen sich daraus jedoch 5.960 Konsumeinheiten gewinnen, ausgehend von 15 Milligramm pro Einheit. Als Zeuge schilderte ein Polizeibeamter, wie die Plantage mit den durchschnittlich 2,50 Meter hohen, 24 erntereifen Pflanzen vorgefunden wurde. Nachdem der Angeklagte zunächst keine Aussage machen wollte, berichtete er schließlich doch über seine Leidensgeschichte, zumal ihm Staatsanwaltschaft und Richterin deutlich machten, dass Geständnis und Einsicht über eine Bewährungsstrafe entscheiden könnten. Seit 2006 sei er als Spätfol­ge einer Bandscheibenoperation Schmerz­mittel­patient. Es leide unter Komplikationen und Nebenwirkungen; Medikamente, die sein Arzt ihm verschrieben habe, beeinträchtigten ihn stark. Cannabiskonsum dagegen könne die Beschwerden lindern. Er habe nicht bei irgendwelchen Typen kaufen wollen, sondern nur für medizinische Zwecke selbst angebaut. Was im Handel erhältlich sei, wäre ihm außerdem viel zu stark, eine solche Konzen­tration brauche er nicht. Die Menge, die er angebaut habe, hätte ihm für ein ganzes Jahr gereicht. Er sehe zwar das Geständnis des 51-Jährigen, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer; der Anbau sei und bleibe aber eine Straftat, auch wenn er keinen Zweifel an den Gründen habe, gerade mit Blick auf die relativ schlechte Qualität des Stoffs. Eine solche Erklärung, die sich strafmindernd auswirken könne, habe er so noch nicht erlebt, und auch die Aussage, nur für Eigenkonsum und nicht für den Handel anzubauen, sei glaubwürdig. Es sei eine Mindeststrafe von einem Jahr vorgesehen; allerdings gebe es seit Mitte der 80er Jahre schon einige andere Straftaten. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Dass der Angeklagte »reinen Tisch« gemacht habe, habe dabei sehr geholfen. Die Strafe solle auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, und mit dem Bewährungshelfer sollte sich der 51-Jährige um eine Schmerztherapie bemühen, um eine Alternative zum Drogenkonsum zu finden, damit er künftig straffrei bleibe. Dafür gebe es eine Chance, denn die letzte Bewährungsstrafe habe er auch überstanden.

Der Anwalt verwies auf das Geständnis seines Mandanten, und da der Anbau nur für eigene Zwecke erfolgt sei, könne man eventuell von einem minderschweren Fall ausgehen. Eine Strafe zur Bewährung wäre angemessen. Er finde es schade, dass für so einen Fall Ressourcen verplempert würden und wegen so etwas »Trara« gemacht werde, so der Angeklagte in seinem Schlusswort. Alkohol etwa halte er für eine schlimmere Droge.

In seinem Urteil folgte das Schöffengericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, es verurteilte den Dasseler wegen Drogenbesitzes zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung. Der Angeklagte habe die Tat eingeräumt und nachvollziehbar erklärt, sagte Richterin Martina Sievert-Mausolf, das Geständnis wirke sich strafmildernd aus. Zudem sei da nicht »irgendwas erzählt« worden. Allerdings seien Anbau beziehungsweise Besitz in dieser Menge bei allem Verständnis für die Situation in Deutschland strafbar. Innerhalb von drei Monaten, so die richterliche Anweisung, müsse mit Unterstützung des Bewährungshelfers eine Schmerztherapie begonnen werden. Alle Prozessbeteiligten verzichteten darauf, Rechtsmittel einzulegen.ek