Feine Einbecker Gesellschaft traf sich in der Marktstraße 12

Die »High Society« war unter sich / Mitglieder stammten aus alten Adelsfamilien / Vorgängerbau war möglicherweise aus Stein

Seit dem Mittelalter versammelten sich die »oberen Zehntausend« der Stadt in einem eigenen Clubhaus, um dort abgeschirmt vom »einfachen Volk« ihre Versammlungen abzuhalten und Feste zu feiern. Dem verheerenden Stadtbrand von 1540 fiel auch ihr Haus, das man die Hohe Börse nannte, zum Opfer. 17 Jahre später entschlossen sich die Vorsitzenden der »feinen Einbecker Gesellschaft« zum Wiederaufbau des Gebäudes.

Einbeck. Das alte Haus hatte ein sehr steiles Satteldach und war wohl ein Stockwerk höher als das heutige Gebäude. Das kann man noch heute sehen, wenn man von der Löwenkreuzung aus nach Norden Richtung Marktkirche geht. Möglicherweise hat die riesige Brandmauer das Haus Nummer 12 zum Teil schützen können, denn zumindest am Dielentor konnten Reste des Vorgängerbaus nachgewiesen werden. Ob noch mehr Teile des alten Gebäudes erhalten blieben und wieder genutzt werden konnten, weiß man nicht. Der Eingangsbereich befindet sich in der Mitte. Bis zu seinem Umbau im Jahre 1899 war hier ein typisches Einbecker Rundbogentor.

Nachdem 1557 die Ältesten der Hohen Börse im Einbecker Rathaus die Formalitäten geklärt hatten, ging es an die Finanzierung. Offenbar hatten in letzter Zeit keine oder nur noch wenige Veranstaltungen der Hohen Börse stattgefunden. Ihre Mitglieder waren die reichen Einbecker Patrizier- und Kaufmannsfamilien. Einige der alten Einbecker Adelsfamilien lassen sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen.

Die Ältesten der Börse stellten zunächst ein Schuldenverzeichnis der letzten Jahre auf. Alle säumigen Zahler der Hohen Börse wurden in einem Verzeichnis aufgelistet. Diese Liste von honorigen Bürgern bietet heute einen interessanten Einblick in das »Who is Who« der damaligen Zeit in Einbeck:Sander Koch, Jürgen Pawest, Milllies von Einem, Franz von Einem und Wedekind Dellinghausen, Bruno Diek, Jobst Müller, Otto Uslar, Balthaser Ernst, Barthold Brockmann, Heinrich Henken, Otto Ernst, Bruno Raven, Arnd Koch, Christoph von Einem, Dietrich Raven, Weddinge Kleinenberg, Franz Lecken, Jobst von Einem. Johann Henke, Moritz Tisemann, Heinrich Henke, Arend Meinbold, Heinrich Heinemeyer, Balthaser Raven, Jürgen Horlemann, Franz Brokmann, Hermann Zotten, Curd von Lha, Bruno von Einem, Jacob Brokmann, Jobst Diek, Bertold Ernst, Heinrich Sebbexen, Lorenz Raven.

Weil auf dieser Liste auch die Ältesten, die Vorsteher der Börse, verzeichnet sind, kann man darauf schließen, dass schön längere Zeit keine Zahlungen geleistet wurden und sozusagen von einem »Neustart« der Hohen Börse ausgehen.Geld war zu dieser Zeit anscheinend noch reichlich vorhanden. Man befand sich zwar nicht mehr in der goldenen Einbecker Zeit, die die Stadt um 1500 zu großer wirtschaftlicher Blüte brachte, aber die Geschäfte gingen immer noch gut. Im gleichen Jahr, als die Börse aufgebaut wurde, hatte man das Brauwesen neu organisiert. Das »Ainpeckisch Pier« wurde zu dieser Zeit noch an die Herzöge von Bayern geliefert. Der letzte Stadtbrand war zwar erst acht Jahre her, aber der Wiederaufbauwille war ungebrochen.

Von den oben genannten Vorstandsmitgliedern der Hohen Börse sind heute noch erstaunlich viele Spuren erhalten: Da war zum Beispiel Dietrich Raven, genannt der Reiche. Er verkaufte große Mengen Stoffe in der Region, pflegte aber auch Geschäftsbeziehungen bis nach Antwerpen. Raven wohnte mit seiner Frau und fünf Kindern im »Rabennest« am Marktplatz 20, dem heutigen »Welttheater«. Man kann Dietrich Raven übrigens noch heute lebensgroß betrachten: Sein Grabdenkmal aus dem Jahr 1570 steht in der Münsterkirche. Dort befindet sich auch das Epitaph seines Sohnes Bruno Raven. Bruno war eine gute Partie und wurde demnach auch gut verheiratet. Keine geringere als die Tochter eines Bürgermeisters führte er zum Altar.

Millies von Einem dürfte noch heute jedem aufmerksamen Einbecker bekannt sein. Ihm gehörte das Eckhaus Marktstraße/Tiedexer Straße. Genau hier befindet sich eine Schrifttafel mit seinem Namen.Franz von Einem war ebenfalls einer der Ältesten der Hohen Börse. Er war unter anderem einige Jahre Einbecker Riedemeister und ließ im Jahre 1544 das große (ochsenblut-)rot gestrichene Patrizierhaus Tiedexer Straße 19 mit den goldenen Fabelfiguren an der Fassade bauen.Die Familie Diek gehörte zum ganz alten Adel: Ein Konrad von Diek war bereits um 1200 im Gefolge von Pfalzgraf Heinrich. Durch den Diekturm an der südlichen Stadtmauer und dem Diek-Käfig im Rathaus ist der Name in Einbeck bis heute bekannt.

Das Haus der Hohen Börse wurde wieder aufgebaut. Inwieweit die Nachbarhäuser zu dieser Zeit schon bestanden, ist unklar. Die Baudaten für die Häuser Nummer 10 und 14 liegen zwischen 1550 und 1600. Die heute noch erhaltene große Brandmauer könnte auch ein Indiz für einen Vorgängerbau aus Stein sein, »im Sinne eines Turmes Teil eines reichen Bürgerhauses«. Das neue Haus wurde etwas breiter als das alte gebaut. Neun Achsen über zwei Gefache, in der ersten Bauversion wohl in Ständerbauweise mit auskragendem zweiten Obergeschoss. Diese Annahme stützt ein Foto von 1895, auf dem ein Teil der noch verputzten Fassade mit dem altertümlichen Tor zu sehen ist. Die »Abstände der Ständer sind im Bereich des ehemaligen Dielentores breiter, insgesamt unregelmäßig«. Der Zugang zum Keller wurde außen über den Hof angelegt. Eine Zeichnung aus dem Jahr 1899 zeigt die großzügige Raumaufteilung. Zehn Jahre zuvor hatte die Familie Hentze das Gebäude erworben. Es wurde 1899 vom Baumeister Friedrich Schuster umgebaut und diente als Einbecker Wäschemanufaktur. 2009 feierte das Wäschehaus sein 120-jähriges Geschäftsjubiläum – seit einigen Wochen ist das Geschäft geschlossen – einmal mehr ist eine Einbecker Institution Geschichte …wk