»Forschungsfreiheit muss man Ihnen lassen«

SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann bei KWS | Züchtungsfortschritt | »Faszinierendes Unternehmen«

Lob für die Arbeit, die hier gemacht wird, Anerkennung für die Bedeutung des Unternehmens und die Zusage inhaltlicher Unterstützung: Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, war jetzt zu Gast bei KWS SAAT AG in ­Einbeck.

Einbeck. Im Rahmen seiner Sommertour war er, begleitet von 25 Hauptstadtjournalisten unterschiedlicher Medien, in Südniedersachsen unterwegs. Einbeck ist ihm dabei vertraut, ebenso die Materie der KWS: An der Goetheschule hat der Politiker, der damals in Edemissen zuhause war, 1975 sein Abitur gemacht, und als Schüler hat er sein Taschengeld durch Rübenverziehen aufgebessert.

KWS-Vorstandssprecher Dr. Hagen Duenbostel, ging zunächst auf allgemeine Themen der Pflanzenzüchtung ein. Der Konsument gebe vor, was zu tun sei, stellte er fest. Ein Fünftel Hektar stehe für die Verpflegung eines Menschen zur Verfügung. Das sei furchtbar wenig – entsprechend wichtig sei der Leistungsfortschritt. Wenn es um die Optimierung des Ertrags gehe, sei KWS der nachhaltigste und kontinuierlichste Leistungsträger. Allerdings seien dem Potenzial auf dem Acker Grenzen gesetzt: Nur etwa die Hälfte komme tatsächlich beim Verbraucher an, unter anderem durch Auswirkungen von Schädlingen und Klimaeinflüssen. Umso wichtiger sei es, genetisches Potenzial zu entwickeln und abzusichern. KWS stecke deshalb 13 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung, rund 150 Millionen Euro pro Jahr. Damit, so der Vorstandssprecher, sei man schon in der Nähe von Pharmaunternehmen – oder bei zwei mittelgroßen Max-Planck-Instituten, wie Oppermann ergänzte. »Das ist eine unglaubliche Anstrengung für uns« so Duenbostel, aber man sehe die Bedeutung dieses Engagements.

KWS stehe bei den Saatzuchtunternehmen global an fünfter Stelle; beim Europa-Umsatz sei KWS Zweiter. Großen Wert legt das Unternehmen auf nachhaltige Wertschöpfung. Das Ertragswachstum der Landwirtschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten bei ein bis zwei Prozent verstetigt. Gefühlt gebe es mindestens in Europa keinen Notstand. Dass die Welt einmal nicht mehr die wachsende Bevölkerung ernähren könnte, sei in den Köpfen und Herzen noch nicht angekommen. Wohlstand produziere wiederum Nachfrage und Anspruchsdenken. Seit rund 10000 vor Christus mit Einkorn und Emmer erster Ackerbau betrieben wurde, gab es langsame Fortschritte. Ab 1920/30 sorgten neue Züchtungsverfahren für Fortschritt, der bei steigender Bevölkerungsentwicklung aber auch benötigt wurde. Genomforschung und Smart Breeding seien die Verfahren der Gegenwart und Zukunft für das Ziel der Präzisionszüchtung. 15 bis 20 Jahre, berichtete Dr. Duenbostel, benötigte ein Produkt bis zur Marktreife an Vorlauf. »Wir bewegen das Forschungsthema mit viel Aufwand.«

Vor dem Hintergrund der Kritik an Gentechnik sagte er, es handele sich um ein »undefiniertes Unwohlsein beim Verzehr durch einen Konsumenten, der weit weg ist.« Vom Gentechnik-Engagement komme in Deutschland und Europa nichts zur Anwendung. Weltweit mache KWS aber ein Drittel des Geschäfts mit gentechnisch verändertem Saatgut. Innerhalb des regulatorischen Rahmens arbeite man an sicheren Produkten, »und da sind wir weit vorn.«

Was man in diesem Umfeld benötige, sei Forschungsfreiheit, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Andreas J. Büchting. Weil es international so gefragt sei, könne man es sich nicht erlauben, nicht an Gentechnik zu forschen. »Seien Sie sensitiv, wir müssen forschen können – und dann sehen wir, wo Nachfrage ist«, bat er den Politiker um Unterstützung. Diese Sicherheit sei auch wichtig für die Mitarbeiter – 4.800 weltweit, 1.300 allein am Standort Einbeck. Die Basis für die Arbeit werde hier gelegt, Feldversuche finden ausschließlich im Ausland statt. Gentechnik, so Dr. Duenbostel, sei seiner Ansicht nach keine langfristige technische Lösung, sondern es werde immer wieder neue und andere Technologien geben, die sie ersetzen könnten. Bei der Verteidigung der Forschungsfreiheit sagt Oppermann, der von 1998 bis 2003 Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur war, unbedingte Unterstützung zu. KWS behaupte sich mit starker Forschung, »und das muss man Ihnen auch lassen.« Im Bereich Zuckerrübe ging Jörg Philipp auf die Ertragsentwicklung ein. Derzeit stehe man bei 14 Tonnen pro Hektar, Ziel seien 20 Hektar im Jahr 2020. Die Produktivität sei stetig gewachsen, während Fläche und Einsatzmittel gesunken seien. Das Rübenverziehen, das Thomas Oppermann als Schüler kennengelernt hat, gehört inzwischen der Vergangenheit an: Neue Technologien machen’s möglich. Aus jeder (orangefarbenen) Pille kommt eine Pflanze, wobei es das Präzisionssaatgut im wahrsten Sinne des Wortes »in sich« hat: Das Saatgut wird desinfiziert, Insektizide und Fungizide sind zugefügt, und alles ist mit einer Schutzschicht umgeben. Detailreiche Züchtungsarbeit wurde im Gewächshaus besichtigt. »Sie sollten mit der Arbeit mit der Pinzette werben – das ist total vertrauenserweckend«, staunte der Gast aus Berlin, nachdem er den Mitarbeitern bei der feinen Tätigkeit zugeschaut hatte. In der Forschung kommt unter anderem Markertechnologie zum Einsatz: Immens große Datensätze werden mit einem Laser ausgelesen, auf der Suche nach den besten Eigenschaften: »Big Data ist ein Thema für uns«, machte Züchtungsleiter Jürgen Schweden deutlich. Das Zusammenspiel von Forschung und Züchtung sei es, was Eigenschaften von Pflanzen verbessere. Hier müsse KWS beachten, den Anschluss nicht zu verlieren, und auch hier wurde wieder das Thema Gentechnik angesprochen: »Mit Augenmaß« müsse sie eingesetzt werden. Oppermann machte deutlich, wie wichtig eine rationale Debatte sei – entsprechende Information der Politik sei sicher sinnvoll. »Wir sind für die Kennzeichnung von Produkten, die mit Gentechnik in Verbindung gekommen sind«, hob Dr. Duenbostel hervor. Das werde zu Erstaunen beim Verbraucher führen, war er sicher, wenn nämlich auf etwa 70 Prozent der Erzeugnisse in den Supermärkten entsprechende Hinweise zu sehen seien: »Ich lebe damit seit 20 Jahren, und mir geht’s gut«, das werde die Folgerung daraus sein, und damit werde sich das Thema schnell erledigen.

Er sei froh, dass er bei seinem Besuch etwas über die konkreten Probleme der Züchter hören konnte, dankte Oppermann für den aufschlussreichen Rundgang. KWS sei ein faszinierendes Unternehmen und besonders wertvoll gerade im strukturschwachen Bereich Südniedersachsen. Er wünsche gute Forschungsergebnisse und Erträge, eine gute Entwicklung und keine unangemessene Behinderung.ek