Frisch, fröhlich, mitreißend: Irish Folk macht Freude

Festival-Jubiläumstournee gastierte im Wilhelm-Bendow-Theater | Vielseitiges Drei-Stunden-Programm

Einbeck. Auf die Anfänge des Irish Folk Festivals 1974 blickte zunächst Festivalleiter Petr Pandula: Deutschland sei ein Folk-Paradies, viele Bands, die später große Erfolge feierten, seien hier erstmals beim Festival aufgetreten, hätten einen guten Start gehabt. Mit »Riverdance« gab es später neue Impulse für irische Folklore.

Zwischenzeitlich sei das Niveau allerdings gesunken, »keltische Dingsbums-Shows« hätten dem Image geschadet. Die Künstler seien nicht wichtig gewesen, sondern man habe nur Klischees bedienen wollen. Das Irish Folk Festival sei die letzte freie Plattform für authentische Kunst, eine schöne Abbildung irischer Kultur. Deshalb habe man das Jubiläumsprogramm mit Stolz »Voice of a nation« genannt. Das Geheimrezept, das Festival so lange lebendig zu erhalten, liege darin, nicht nur die Asche aufzubewahren, sondern das Feuer für die Zukunft zu erhalten, für lebendige Tradition zu sorgen, die alle Generationen einschließe und neue Akzente setze, hob Petr Pandula hervor.

Mit Dermot Byrne kam zunächst ein Urgestein auf die Bühne, eine Legende der Szene. Mit »Altan« hat der Spieler eines »schwerelosen« Akkordeons vor rund 30 Jahren erste Erfolge gefeiert. Jetzt bildete er mit Floriane Blancke und ihrer Harfe ein ungewöhnliches Duett für die leisen Töne. Beide beherrschen ihr Instrument absolut meisterhaft, und so konnten sie mit ihren sowohl flott als auch zurückgenommen erzählten musikalischen Geschichten überzeugen. Ein Liebeslied auf Gälisch fand sich ebenso in ihrem Repertoire wie argentinische Musik: »Tico Tico« »funktioniert« auch auf der Harfe.

Die Musik müsse spannend und für das Publikum aufregend sein, hatte der Festivalleiter angekündigt – Declan O’Rourke ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Der Singer/Songwriter aus Dublin ist in seiner Heimat ausgesprochen populär. Seine Lieder werden im Radio gespielt, und bekannte Kollegen wie Chris Rea oder die Celtic Tenors covern sie. Zudem erwies sich der charmante Lockenkopf mit der entspannten Stimme als kurzweiliger Unterhalter. Ob er von einer Zeitmaschine in »Time Machine« sang und berichtete, dass jeder Tag neue Einsichten bringe, ob er über die »Coffin Ships« klagte, von Hungersnot und Auswanderer-Elend erzählte und von tausenden, die in der Tiefe der Meere begraben wurden: Der Gitarrist zeigte seine enorme Vielseitigkeit. Dass sich in 40 Jahren viel verändert habe in Irland, darauf verwies Petr Pandula: Damals sei Irland »mausearm« gewesen, aber ohne Schulden. Heute sei es immer noch »mausearm«, aber mit gigantischen Schulden. Verändert habe sich die Kommunikation: Während heute alles per Handy oder Mail funktioniere, gab es in den Anfangszeiten meister nur ein Kurbeltelefon im örtlichen Pub, und wenn man die Zeitverschiebung missachtete, waren die Künstler schon weg. Am besten, man sprach vor Ort mit ihnen – so wie mit »Fullset«, die er an der Westküste kennengelernt habe.

Vom Rundfunk wurden sie als »beste Newcomer 2011« geehrt, sie sind in der beliebtesten Fernsehshow aufgetreten, und in der Fachwelt gab es große Anerkennung für das Quintett mit dem Namen, der sich mit »Vollgas« oder »komplett« übersetzen ließe. Janine Redmond am Akkordeon, Michael Harrison an der Fiddle, Eamonn Moloney an der irischen Trommel, der Bodhrán, Sängerin und Flötistin Teresa Horgan und Gitarrist Andrew Meeney führten das Publikum nicht nur ein in die Jigs und Reels, die die irische Musik prägen, sondern sie waren auch stolz auf ihre Herkunft: Tipperary, Cork oder Kerry. Die Begeisterungsschreie, zu denen sie die Zuhörer aufriefen, kamen angesichts des lebendigen Repertoires bald von selbst – begleitet von Szeneapplaus für Stepp-Einlagen des Bodhrán-Spielers.

»Hat Irish Folk eigentlich eine Zukunft?«, fragte der Festivalleiter schließlich, um als überzeugende Antwort die Band »The Outside Track« auf die Bühne zu schicken. Auch diese Gruppe ist hoch dekoriert: als beste Live-Band und mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik für das beste Folk-Album. Mairi Rankin, die Fiddle spielt, singt und mitreißend steppt, Aoife Scott an Bodhrán und Flöte, Harfenistin Ailie Robertson, Akkordeon-Spielerin Fiona Black und, als einziger Mann in der Runde, Cilian O’Dálaigh, Gitarre und Stepptanz, haben keltischer Musik ihren persönlichen Stempel aufgedrückt. Mitreißend und schnell ging es zu, als Geige und Akkordeon sich zum beeindruckenden Duett verabredeten, traditionell beim schottisch-gälischen Lied, zu dem sich die gesamte Band um ein nostalgisches Mikrofon versammelte, langsam-bedächtig bei einem keltischen Lied, zu dem man den Liebsten an die Hand nehmen sollte, dann wieder temperamentvoll, zum Klatschen, Tanzen und mit dem Fuß Stampfen.

Ohne Zugabe ließen die Besucher im ausverkauften Theater die Gäste aus Irland nicht von der Bühne, und nachdem zunächst »The Outside Track« allein ein »Zuckerchen« auspackten, griffen alle Künstler des Abends schließlich noch einmal gemeinsam zu den Instrumenten. Vor einem stehenden Publikum, das den einen oder anderen Ohrwurm mit nach Hause nahm, glänzten die Musiker und Sänger ebenso wie die konditionsstarken Stepper – bedacht mit großem Beifall.ek