Helfen ist Christenpflicht – nicht nur für Christen

Ausstellung »Aufgeben – Angekommen« in der Paul-Gerhardt-Schule eröffnet | Einladung zu Begleitveranstaltungen

Dassel. Welche Gründe für eine Flucht gibt es, wie sind die Lebensbedingungen in den Heimatländern der hier Schutzsuchenden, wie ist die Situation an den Grenzen Europas? Diese Fragen greift die Ausstellung »Aufgeben – Ankommen« auf, die in dieser Woche im Paulinum der Paul- Gerhardt-Schule eröffnet wurde.

Die Ausstellung überzeugt mit Infotafeln von »Pro Asyl«, Multimedia- Stelen mit Interviews, Exponate und Installationen des Jugendzentrums »Phoenix« Bad Gandersheim rücken Fakten rund um Flucht und Asyl in den Blickpunkt. Schüler haben Flüchtlinge aus Syrien, Iran und Afghanistan interviewt, die jetzt in Bad Gandersheim und Dassel leben. Die selbst bearbeiteten und zum Teil mit Untertiteln versehenen Filme werden in der Ausstellung gezeigt. Eine Installation im Paulinum zeigt zudem eine nachgebaute Flüchtlingsunterkunft mit Feldbetten, provisorischen Wänden und einer Grundausstattung an Toilettenartikeln.

Um das Schicksal der Kinder, Frauen und Männer deutlich zu machen, sind außerdem Fotos von Gegenständen ausgestellt, die die Vertriebenen auf die Flucht mitgenommen haben. Erweitert wurde die Ausstellung durch thematisch passende Kunstwerke aus dem zehnten Jahrgang der PGS, Gedichte aus dem elften und siebten Jahrgang, Dokumentationen von Begegnungen und Texttheater. Mit iPad-Präsentationen und Projekttagen wird die PGS sich ebenfalls dem Thema nähern. Vor allem auf der emotionalen Ebene spricht die Ausstellung die Besucher an und regt zur Auseinandersetzung an. Schulleiter Gerhard Wittkugel hob bei der Eröffnung der Ausstellung hervor, dass man Ängste und Sorgen ernst nehmen müsse.

Er appellierte an alle, sich gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit einzusetzen und für Menschen da zu sein. Flüchtlinge hätten Leid erfahren, das von Menschen gemacht sei. Zu helfen sei Christenpflicht – nicht nur für Christen. Mit der Auseinandersetzung mit Fluchtursachen und Hilfestellung tue die Schule einen wichtigen Schritt in der Erziehung junger Menschen, unterstrich Wittkugel. Bleiberecht, Asylpolitik, Islam, Menschenwürde, Dublin- Abkommen oder Überforderung – das sind nur einige Aspekte, die es zu überdenken gilt, stellte Lehrerin Ulla Feiste heraus, die zusammen mit Lehrerin Kathrin Muhs-Braun das Projekt koordiniert. Die Ausstellung wolle durch Informationen und Erlebnis dazu anregen, sich für Menschenrechte einzusetzen. Beim Betrachten der großformatigen Fotos samt komprimiertem Text ergebe sich ein Perspektivwechsel über Flucht und Fluchtgründe, hoffte sie. Einblicke in die Lebenssituation von Geflüchteten, Begegnungen, die Sichtweisen verändern – die Ausstellung lädt ein zu lesen, zu schauen, zuzuhören, zu fühlen, zu empfinden, zu staunen und mitzumachen. Bei einem Gespräch mit Flüchtlingen wurde deutlich, dass keiner leichtfertig eine Heimat verlässt und dankbar ist für eine freundliche Aufnahme in einem fremden Land. Schwere, lange Wege haben die Flüchtlinge hinter sich. Rund 200 Flüchtlinge leben derzeit in Dassel und werden von rund 50 Ehrenamtlichen betreut, stellte Rudi Pfeiffer für die Flüchtlingsinitiative fest. »Wir wollen, dass sich Flüchtlinge integrieren, damit es keine Konflikte gibt.« Dass Flucht jeden treffen kann, machte Mira Kappen deutlich. Im Zweiten Weltkrieg musste sie als Kind aus Schlesien fliehen – sie hatte Glück, hat die Flucht überlebt. Pastor Martin Possner, der lange Jahre in Äthiopien gearbeitet hat, will Religionen nicht instrumentalisieren: Religion habe den Auftrag, Menschen diakonisch und strategisch-politisch zu begleiten, zur Seite zu stehen.

Dass die Ehrenamtlichen außerordentlich wichtig in der Flüchtlingsarbeit seien, hob Bürgermeister Gerhard Melching heraus. Gleichbehandlung für alle hat für ihn Priorität. Dezernent Gerhard Dziomba wünschte sich wie alle anderen, dass die Ausstellung sensibilisiere, und Superintendentin Stephanie von Lingen hoffte bei diesem Thema auf Verstand und geöffnete Herzen. Bis zum 26. Februar wird die Ausstellung aufgebaut sein, Schulklassen oder andere Gruppen werden gern nach vorheriger Anmeldung durch die Ausstellung geführt. Öffentlich zugänglich wird sie jeden Werktag von 10 bis 15.30 Uhr und jeden Freitag im Februar von 15 bis 19 Uhr sein.

Neben dem kirchlichen Jugendzentrum »Phoenix « unterstützten die evangelische Stiftskirchengemeinde Bad Gandersheim und die Initiative »einLeben« der Diakonie das Projekt als Kooperationspartner sowie die Kulturinitiative Dassel. Die Ausstellungseröffnung wurde unterstützt durch das Einbecker Bürgerspital. Im Rahmen der Ausstellung werden weitere Veranstaltungen organisiert, zu denen Interessierte eingeladen sind. Am morgigen Freitag, 12. Februar, findet ab 19 Uhr im Paulinum ein Konzert mit Lesung statt. Die Gruppe »Boat People Projekt« aus Göttingen spielt Songs aus ihrem Stück »Flutlicht«. Außerdem trägt Heinrich Sprink Texte und Gedichte zu dieser Thematik vor. Am Dienstag, 23. Feb - ruar, hält die Diplom-Psychologin Maria Belz vom Asklepios Fachklinikum Göttingen ab 19 Uhr einen Vortrag über Traumata und deren Bewältigung in der Sozialisation junger Menschen.

Ein runder Tisch mit den Grundschulen wird ebenfalls vorbereitet. Die Paul-Gerhardt-Schule freut sich auf zahlreiche Besucher. Die Paul-Gerhardt-Schule ist aktiv in der Flüchtlingshilfe. In der Notunterkunft in der Rainald-von- Dassel-Schule bieten Lehrkräfte Sport-, Hand - arbeits- und Sprachlernkurse an. Ab April will die PGS zudem eine Sprachlernklasse für Zehn- bis 18- Jährige organisieren.sts