Ist die Energiewende notwendig oder untauglich?

Physiker diskutieren unterschiedliche Standpunkte bei der Naumann- und von-Bennigsen-Stiftung

Einbeck. Mit dem Thema Energiewende hat sich der jüngste Vortragsabend der Reihe »Facetten der Globalisierung« der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Rudolf-von-Bennigsen-Stiftung beschäftigt. Dazu waren zwei Physiker nach Einbeck eingeladen, die unterschiedliche Standpunkte vertreten. Die Energiewende sei notwendig und möglich, so Professor Dr. Dr. Wolfgang Eberhardt von der TU?Berlin. Die Energiewende sei nicht geeignet, das Klimaproblem zu lösen, hielt Professor Dr. Gerd Ganteför von der Universität Koblenz dagegen. Und beide konnten ihre Standpunkte wissenschaftlich begründen.

Der FDP-Kreisvorsitzende Christian Grascha verwies zunächst auf liberale Energiepolitik, die eher marktwirtschaftlich orientierte Lösungen anstrebe. Reine Wissenschaft werde man an diesem Abend als Diskussionsgrundlage erleben, kündigte FDP-Vorstandsmitglied Dr. Marion Villmar-Doebeling an – man könne sich also auf ein fakten- und detailreich aufbereitetes Thema freuen.

»Grenzen des Wachstums«, das sei 1972 der Anstoß gewesen für ein Umdenken hinsichtlich der Ressourcen auf der Erde, erinnerte Professor Dr. Dr. Wolfgang Eberhardt. Zum Glück seien alle Prognosen damals falsch gewesen, aber das Bewusstsein habe sich verändert. Die Weltbevölkerung sei von seinerzeit rund 3,8 Milliarden auf jetzt mehr als sieben Milliarden Menschen gewachsen, 2050 werden es weitere drei Milliarden sein. Der Energieverbrauch sei deutlich stärker gestiegen. Wachstum wurde mit Kohle, Öl und Gas erreicht, mit dem Verbrennen der Ressourcen aus dem Boden. Dramatisch gestiegen seien der CO2-Anstieg in der Atmosphäre und die Feinstaubbelastung. Kohlekraftwerke müsse man als »Dreckschleudern« bezeichnen, und viele davon würden in Deutschland stehen. Die Zahl vorzeitiger Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung bezifferte er weltweit auf 3,7 Millionen Menschen pro Jahr. Bei der Energieversorgung seien Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz gefragt – alles sollte gleichwertig berücksichtigt werden bei einem neuen Energiesystem. 2009 seien 80 Prozent der benötigten Energie von fossilen Trägern gedeckt worden. Der Verbrauch verteile sich auf Verkehr und Haushalte mit jeweils 30 Prozent und Gewerbe mit 40 Prozent. Eine Alternative für die Energiegewinnung sei Solarstrom. Die Potenziale dafür seien sehr groß, die Leistung enorm – das Problem bestehe nur in der Sammlung und Verteilung. Eine Kombination aus Biogas, Wind und Solar würde Erneuerbare Energien auf eine breite Basis stellen. Wasser, Biomasse, Geothermie und Wind müsse man richtig miteinander kombinieren. Gerade Solar und Geothermie hätten noch Wachstumspotenziale. Den von der Bundesregierung prognostizierten Rückgang des Stromverbrauchs sehe er nicht:?Vielmehr werde er ab 2030 noch steigen, unter anderem wegen einer steigenden Zahl von Elektroautos und weil mit Storm geheizt werde. Außerdem werde Deutschland zum Stromexporteur. Entsprechend müsse der Netzausbau schneller voran kommen. 3.500 neue Kilometer seien erforderlich.

Man müsse Anreize für Energieeffizienz schaffen. Wer saubere Energie beherrsche, werde wirtschaftlich führend sei. Eine Energiewende, so seine These, sei technisch und ökonomisch möglich. Ein weltweites Umdenken sei zudem absolut notwendig, und das werde neue Marktchancen eröffnet. »Wir müssen uns auf den Weg machen«, forderte er die Politik auf, tätig zu werden.

Als Energie- und Klimadissident bezeichnete sich Professor Dr. Gerd Ganteför. Was die Energiewende angehe, deren Gegner er sei, gebe es ein »unerträglich enges Meinungsspektrum« in Deutschland. Er halte die Energiewende für wirkungslos, denn sie werde die Klimaerwärmung nicht aufhalten. Ein entscheidender Faktor sei nämlich die menschengemachte Erwärmung. Das größte Problem der Erde sei die Armut, danach das Bevölkerungswachstum. Dieses Wachstum sei zehnmal drängender als der Klimawandel. Die Energiewende sei fehlerhaft umgesetzt als Ansatz für langfristige Lösungen. »Wir sind alle Verbrennungsmaschinen«, führte er aus. Die Menschen würden weltweit so viel Schadstoffe ausstoßen wie alle Autos. Wenn die Menschheit weiter anwachse, seien alle Einsparungen auf technischer Seite zum Scheitern verurteilt. Die Abhängigkeit von der fossilen Energie liege bei rund 80 Prozent. Die zehnstündige Nutzung einer 100-Watt-Glühbirne entspreche einer 30-Sekunden-Fahrt mit einem SUV. Der Wettbewerb verlaufe zwischen oben und unten, zwischen Hochhaus und Slum. In einer ökologischen Gesellschaft sei die Mobilität eingeschränkt, dies sei eine statische Gesellschaft, die keine Zukunft habe. Nur Hochtechnologie und Wissenschaft könnten das Problem lösen – mit Solarenergie sei das nicht möglich. Die derzeit propagierten Klima-Ziele seien nicht zu erfüllen. Eine moderate Erwärmung könne sogar Vorteile haben. Er halte den Menschen für kostbarer als die Natur und Freiheit für wichtiger als Klimaschutz. Das Klima sei nicht zu retten, sondern »nur« zu regulieren. Es gebe eine Kaltzeittradition auf der Erde, die durch Klimaveränderungen nur unterbrochen werde. Wenn die Energiewende als Mittel gegen Klimaerwärmung versage, brauche man einen Plan B für mehr bezahlbare Energie und mehr Wirtschaftswachstum. Die Überlastung der Ökologie führe zu Fehleinschätzung dringenderer Probleme wie Überbevölkerung, Armut, Fundamentalismus und Bürgerkrieg.

Deutschland, hieß es in der Diskussion, habe derzeit andere Probleme als die Energiewende, bei deren Umsetzung zudem viele Fehler gemacht wurden. Dabei wäre sie hier durchaus machbar und sinnvoll – weltweit jedoch nicht, wenngleich wünschenswert. Es werde jedoch nicht das eintreten, was man sich aus ideologischen Gründen ganz fest wünsche.ek