Neun Jahre Bauzeit

Förderverein »Museum Graftschaft Dassel« auf Bildungsreise

Dassel. Wie alle Jahre unternahmen Mitglieder des Fördervereins Museum »Grafschaft Dassel« wieder eine Bildungsreise, um die historischen Schönheiten der Gegend näher kennen zu lernen. Nach kalt-feuchten Tagen lachte die Sonne, als es zur Marienburg ging. Verlockend schön für die am Parkplatz Angekommenen war der Anblick des Märchenschlosses, umrahmt vom frischen Grün der Buchenbäume: Die Türme und Türmchen, die Zinnen und Bögen, der ausladende Söller. Die Bresche durch einen hohen Erdwall aus uralten Zeiten musste durchschritten werden, dann über die Brücke und durchs Tor. Im Burghof sah man die ganze Prachtentfaltung einer im gotischen Stil erbauten herzoglichen Burg. Ja, Conrad Wilhelm Hase, dessen Baukunst man an der Markoldendorfer Martinskirche bewundern kann, hat auch hier nichts ausgelassen: Prächtig gestaltete Fassaden, Erker, Fenster und Portale ließen die Kameras nicht ruhen. Steinerne Majestäten in Lebensgröße hießen die Besucher willkommen. Die Illusion war perfekt.

Sehr gelungen wurde das Innere präsentiert und auch Wesentliches zur Geschichte mitgegeben: Ein Lustschloss beziehungswiese eine Sommerresidenz in Gestalt einer mittelalterlichen Höhenburg schenkte König Georg V. von England und Hannover seiner Frau Marie. Neun Jahre lang wurde daran gebaut. Doch der kunstliebende Herrscher hat das Werk nie angeschaut, er war ja blind, und nur ein detailliertes Modell konnte er ertasten. Noch ein Jahr vor seiner Vollendung, 1866, wurde das Schloss von ihrer königlichen Hoheit bezogen. Leider waren Marie nur zwei Jahre vergönnt, die ganze Pracht zu genießen, denn Georg musste nach der Niederlage der Hannoveraner gegen die Preußen nach Wien ins Exil gehen. Welch unendliche handwerkliche Meisterleistungen lagen dann für 80 Jahre brach: der große Speisesaal mit seinem kostbaren Mobiliar und all dem Tafelsilber, das weite helle Empfangszimmer und jene lange Zimmerflucht mit kunstvoll gestalteten Paneelen, Holzdecken und ornamentalem Parkett, eingerichtet mit Möbeln verschiedener Stilepochen, nachgebildet zwar, aber von höchster Vollendung und aus edelsten Hölzern gefertigt. Wohl nur 15 Räume durfte die Gruppe bestaunen und konnte kaum ermessen, dass es insgesamt 130 solcher Ge­mächer gibt. Angerührt von Schicksalen der Bewohner, wie nach einer pompösen Opernaufführung, zogen die Besucher ab. Man schritt zum Dinner im Marstall. Eiserne Heuraufen an den Wänden kündeten davon, dass sich einst hier Pferde labten. Aber die vorzügliche Gastronomie ließ den Stallgeruch rasch verfliegen.

Es folgte eine angenehme Fahrt durch das frisch ergrünte Land. Die Dasseler querten auch die Rühler Schweiz, wo die Kirschbäume gerade aufgeblüht waren. In Golmbach feierte man das Kirschblütenfest, Wettläufer versperrten den Weg. Auf verschlungenen Pfaden über Berg und Tal gelangten sie schließlich zum Gutshof von Wickensen, einem Motorradparadies. Doch vornehmlich ließen sie sich mit Kaffee und Kuchen in einem antik möblierten Ambiente verwöhnen. So klang ein erlebnisreicher Tag aus, an dem sie erspürt hatten, wie die ­Vorfahren vor 150 Jahren ihr Geschichtsbewusstsein ausgelebt haben und wie auch gegenwärtig wieder Antikes geliebt und geschätzt wird.oh