Irish Folk festival

»Nordlichter« faszinierten Einbeck

Irish Folk Festival gastierte mit »Northern Lights« im Wilhelm-Bendow-Theater

Begeistert von der viel­fältigen irischen Musik – mal melancholisch und träumerisch, mal vitali­sierend und inspirierend – waren die Zuhörer im Wilhelm-Bendow-Theater. Auf Einladung vom Kulturring gastierte zum zweiten Mal das Irish Folk Festival in Einbeck. Die Besucher waren fasziniert von der Bandbreite der Darbietungen samt der zahlreicher Zugaben. Zum Abschluss versammelten sich alle Akteure zur »Irish Folk Festival«-Session auf der Bühne, gemeinsam sorgten sie für ein fröhliches, stimmungsvolles und mitreißendes Finale.

Einbeck. Bei den Irish Folk Festivals kommen die Musiker aus allen Bereichen Irlands, dieses Mal primär aus Nordirland. In den vergangenen Jahrzehnten oft mit negativen Schlagzeilen in Verbindung gebracht, trat dort kontinuierlich ein Friedensprozess ein, der sich in der Vielfältigkeit der Musik und in kreativen Prozessen widerspiegelte, erklärte Festivalleiter und Moderator Petr Pandula.

Das Irish Folk Festival unterstützte die »Nordlichter« auf ihrem mutig eingeschlagenen Weg der Versöhnung, daher auch der Name der Tour »Northern Lights«. Zusätzlich spiele er darauf an, dass man im Norden von Irland in klaren Nächten ab und zu das Nordlicht am Himmel betrachten kann. So selten man das Licht jedoch zu sehen bekomme, so wenig bekannt sei ebenfalls die aus Nordirland kommende Musik. Wegen der sogenannten »Troubles« wurde der Norden lange gemieden, vielleicht deshalb habe sich daher die irische Musik dort ihre Bodenständigkeit erhalten. Er wünschte bei der »geballten Ladung Kultur auf die Ohren« viel Spaß und großen Genuss; den hatten die Zuhörer.

Es gebe immer noch kleine Nischen innerhalb der irischen Volksmusik, die bisher noch nicht entdeckt wurden, so Pandula. Mumming, eine Art Volkstheater, sei eine davon. Die Darsteller tragen aus Weidezweigen kunstvoll gefertigte überdimensionale Masken. Zusätzlich ziehen sich die Darsteller, die »Mum­mers« genannt werden, Kostüme aus Lumpen an. Die Künstler von »Armagh Rhymers« präsentierten sich in ihren Masken und mit ihren Darbietungen außergewöhnlich auf der Bühne. Mit Sprechgesang, Rasseln, Schellen und Instrumenten sowie mystischen und spirituellen Elementen, die auf über zweitausend Jahre alte Bräuche zurückgehen, zogen sie die Zuschauer in den Band – dies nicht nur mit bekannten Songs wie »Molly Molone« von »The Dubliners« oder »Drunken Sailor« von »Irish Rover«. Mit eingängigen Rhythmen und Liedern sowie Spielfreude sorgten sie für ausgelassene Stimmung. Begeistert waren die Theaterbesucher auch vom Pausenauftritt der »Armagh Rhymers« im Foyer.

Barry Kerr, ein bekannter irischer Singer und Songwriter, dessen Arrangements vielen Gruppen zugutekommt, präsentierte sich gefühlvoll und variationsreich. Multiinstrumentalisch beherrscht er nicht nur beeindruckend Gitarre, Uillean Pipes, Whistles und Flute, und er lässt die wechselvolle Geschichte Nordirlands in seine Lieder einfließen.

Viel »Trouble« gab es in den vergangenen Jahrzehnten, doch stand man immer zur eigenen Heimat (»Ireland forever«). Selbst, wenn man sie verließ, wie er es im Lied »Laeving Song« thematisierte, oder große Not herrschte, es musste immer weitergehen (»Time to carry on«). In früheren Zeiten bekamen manche Bewohner in Nordirland schon Probleme, nur weil sie irisch aussahen, emphatisch nahm sich Kerr dem Thema an. »Woman of no place« rundete sein Programm ab, ein eingängiges Lied, das persönliche Probleme und Schicksalsschläge mit Spielfreude und Optimismus paarte. Es spiegele die Gefühle viele Nordiren wider, so Kerr, sich auch in schwierigen Situationen nach Lösungen und positiven Entwicklungen zu sehnen.

In einigen ländlichen Gebieten sowie in West-Belfast ist Gälisch als Umgangssprache weit verbreitet. In der Vergangenheit wurde es oft als Abgrenzung zu den Engländern sowie als Bekenntnis zu den gesamtirischen Wurzeln benutzt. Die gälische Sprache und Irish Folk geben den Menschen Identität und Selbstbewusstsein, erklärte der Festivalleiter.

Gráinne Holland stammt ebenfalls aus dem »gälischen« West-Belfast, das sie prägte. Zusammen mit ihren Bandmitgliedern, die sie mit Flöte, Gitarre und dem irischen Tamburin Bodhrán gekonnt begleiten, präsentierte sie ihre Lieder mal langsam, schnell, traurig oder fröhlich, aber immer mit viel Gefühl. Mit der gälischen Sprache und Irish Folk will sie über Grenzen und Gräben, die einander trennen, musikalische Brücken bauen. Das gelingt ihr. Sie verbindet protestantische irische Lieder harmonisch mit katholischen, singt über die Sehnsucht von umherziehenden Musikern (»Shil me fein«) oder der Liebe zu irischem Bier (»Seini Eoghainin Duibh«). Sie sei manchmal so groß, dass selbst der Parnter hinten anstehen müsse, schmunzelte Holland. Auch sollte man nie mit einer Irin anbändeln, sie würde einen fast immer in den Bann ziehen, wie der schottischer Segler im Lied »Bata an tstil« feststellte. Er verfiel einer Frau von der grünen Insel und kam von ihr nicht mehr los.

Oft thematisiert wurde der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit, aber auch nach der Rückkehr in die Heimat nach langen Reisen. Egal ob schwermütige und gefühlvolle Lieder oder stimmungsvolle und inspirierende Songs, Gráinne Holland faszinierte mit ihrer Band das Publikum.

Von Moderator Petr Pandula angekündigt als Vertreter des irischen Folks der Marke »rough & ready«, überzeugten »The Rapparees« von Beginn. Gemäß ihres Bandnamens, der Wegelagerer oder Gesetzloser bedeutet, bezeichnen sie sich selber als musikalische Freibeuter, die die Tradition als auch die Moderne gleichermaßen »plündern«. Anregungen holen sie sich unter anderem vom traditionellen Sit der Dubliners oder den punkigen Liedern der Pogues.

Die fünf Musiker ließen schon mit ersten Lied, dem traditionellen »The Outlow Rapparee«, erkennen, wie viel Energie und Spielfreude in ihnen steckt. Ob bei »Clear Bottle«, arrangiert von Barry Kerr, »Randalstwon rambler« oder »Banks of Kilera«, das Quintett heizte dem Publikum ein. Das Repertoire umfasste mitreißende Songs, gängige Balladen, Hommagen an die Heimat wie bei »Belfast Mountains«, aber auch ruhige Parts, gekonnt in Szene gesetzt von den vielfältigen Stimmen der Bandmitgliedern, zwei Streichern, einem Gitarristen, einem Banjo-Spieler und einem Schlagzeuger, der ebenfalls außergewöhnlich die Bodhrán beherrschte. In den süffisanten Zwischenmoderationen preisten sie das irische Bier, aber auch das Einbecker, hinterfragten Gemeinsamkeiten von Mann und Frau oder verdeutlichten die Wichtigkeit von Freunden, Musik und Freiheit. Überzeugend übermittelten sie die Hingabe an die irische Musik und zu ihrer Heimat Belfast, die es zu besuchen lohne. Nach den Songs »Lowlands of Holland« und »Lampies« wollten sie sich verabschieden, konnten dies aber nicht ohne die eingängige und inspirierende Zugabe »South Australia«. Der Beifall für alle Musiker war so groß, dass die Akteure mit viel Inbrunst das Finale, die Irish Folk Festival-Session, bestritten. Gemeinsam zündeten sie auf der Bühne ein außergewöhnliches musikalisches »Feuerwerk«. Die instrumentalen Parts, mit viel Herzblut und Spielfreude dargeboten, begeisterten ebenso wie die mehrstimmigen Gesänge der Interpreten in verschiedenen Arrangements. Immer wieder zogen sie die Zuhörer in ihren Bann, inspirierten sie zum Mitklatschen, Swingen und Mitsingen. Energiegeladen, fröhlich und ausgelassen wurde nicht nur das Finale gefeiert und mit viel Beifall bedacht, sondern ebenso das gesamte Irish Folk Festival mit allen außergewöhnlichen Künstlern.mru