Pfingstchoräle

Aufblühen von neuem geistlichem und geistigem Leben

Einbeck. Die Kirchenfeste sind dem Jahresablauf der Natur verbunden: Weihnachten mit der ­Wintersonnenwende: Es geht wieder aufwärts mit dem (Sonnen-)Licht – und Christus sagt ja von sich, er sei das Licht. Zu Ostern gehört das wieder erwachende Leben von Pflanzen und Tieren, und zu Pfingsten die nun wieder erwachte Natur. »Schmückt das Fest mit Maien (= mit maigrünen Zweigen, meist von der Birke), lasset Blumen streuen« beginnt ein Pfingstchoral, »Wie lieblich ist der Maien« ein anderer. Das frische Grün soll wohl auch anzeigen, dass da, wo in der Natur neues Leben erblüht ist, die Mächte der Finsternis keine Gewalt mehr haben. Und weiter soll nun, nach der Herabkunft des Heiligen Geistes, wie es die Apostelgeschichte berichtet, neues geistliches und geistiges Leben aufblühen:?»Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker« hat Christus den Jüngern aufgetragen.

Schon im Alten Testament ist das Frühlingsgrün mit dem Kult seiner Zeit verbunden: Der oben angeführte Choral übernimmt wörtlich eine Zeile aus einem der Psalmen: »Schmückt das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars« heißt es da (Ps. 118, 27).

Das Pfingstlied »Nun bitten wir den Heiligen Geist« gehört zu den ältesten Chorälen des Evangelischen Gesangbuches. Die Melodie ist noch in der alten »Pentatonischen« Tonart abgefasst, die nur fünf Töne hat statt der uns geläufigen sieben des modernen Dur-Moll-Tongefüges. Oder weiter das schwungvolle »O komm, du Geist der Wahrheit« aus dem 19. Jahrhundert. Eine der ältesten Pfingsthymnen, die bis heute in ihrer Urform überdauert haben ist das lateinische »Veni, creator spiritus – Komm Schöpfer, Geist« des Hrabanus Maurus, des wohl bedeutendsten Kirchenmannes der Zeit Karls des Großen: In der »Sinfonie der Tausend« von Gustav Mahler dient der Hymnus als Text des ersten Satzes, der wohl der klang­mächtigste und tongewaltigste der gesamten ­Sinfonik ist. Luther hat das Lied des Hrabanus nachgedichtet (EG 126). Er hat die kurzen, ­knappen Sätze des Originals beibehalten und unterlegt seinen Text einer gregorianisch an­mu­tenden Choralmelodie, die der Zeit um das Jahr 1000 zugeordnet wird, und die somit auch zu den ältesten Melodien des Gesangbuches gehört. D.A.