Stolpersteine für Familie Adler

Nach glücklichen Zeiten Angst, Flucht aus Einbeck und Tod

Einbeck. Für Rudolf und Berta Adler und ihre vier Kinder werden am 12. Februar in Einbeck Stolpersteine vor dem Haus Altendorfer Straße 27 verlegt. Stolpersteine sind ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Die Mes - sing-Gedenktafeln, die vor den letzten frei gewählten Wohnorten in den Gehweg verlegt werden, sollen die Namen der Opfer des Nationalsozialismus zurück bringen und dauerhaft an jedes einzelne Schicksal erinnern, wollen alltägliche Mahnmale sein, an denen man nicht vorbei gehen kann. Die Opfer waren Nachbarn, sie lebten mit den Einbeckern Tür an Tür. Wer war die Familie Adler, an die mit den Stolpersteinen erinnert werden soll? Einbeck.

Rudolf und Berta Adler haben vier Kinder: Kurt (geboren 1920), Tamara (1922), Margot (1926) und Edith (1928). Als im Dezember 1918 Rudolf Adlers Mutter Meta im Alter von 59 Jahren stirbt, ist ihr Sohn Rudolf noch im Feld, viereinhalb Jahre hat er als Soldat im Ersten Weltkrieg gedient. Er übernimmt das von seiner Mutter in der Altendorfer Straße 27 betriebene Schlachtereiund Productengeschäft (Därme, Häute, Felle) ab Januar 1919. Die Familie erlebt zunächst glückliche Zeiten. Doch die Situation für Juden verschärft sich zunehmend nach 1933. Es wird zum Boykott der jüdischen Geschäfte in Einbeck aufgerufen. Ab August 1938 müssen Rudolf Adler und auch sein Angestellter Ludwig Danzig die Legitimationsscheine abgeben, sie können als Handlungsreisende keine Waren mehr einkaufen und verkaufen, die wirtschaftliche Grundlage wird den Adlers nach und nach entzogen. Die Verzweiflung der sechsköpfigen Familie muss groß gewesen sein, wovon sollte sie in Zukunft leben, wie sollte es weitergehen? Das Ehepaar entscheidet, die ältesten Kinder in die USA zu schicken, Kurt ist 18 Jahre, Tamara gerade mal 16 Jahre alt.

Kurt Adler verlässt Einbeck im August 1938, Tamara im Oktober. Sie werden in verschiedenen Staaten der USA bei Familien aufgenommen, die für sie gebürgt haben. Trauer und Verzweiflung der Familienmitglieder sind heute kaum vorstellbar, voller Angst werden sich Kurt und Tamara in die ungewisse Zukunft bei fremden Menschen begeben haben. Zunächst gibt es noch die Hoffnung, dass der Rest der Familie ebenfalls in die USA ausreisen kann. Rudolf Adler verlässt Einbeck mit Berta und den Töchtern Margot und Edith am 22. Februar 1939 in Richtung Amsterdam. Er hat noch für den 14. Juli 1939 für seine Familie eine Schiffspassage auf der »Bremen« gebucht, die von Bremen nach New York fahren sollte. Doch die Buchung wird gestrichen.

Warum es nicht zu dieser Überfahrt gekommen ist, ist unbekannt. Die Ausreise in die USA gelingt nicht, und so bleibt nur noch der Weg nach Lettland, in das Heimatland von Berta Adler. Wann die Familie in Libau/Lettland ankommt, ist nicht genau festzustellen, wahrscheinlich noch 1939. Berta Adler kann dort zunächst wieder als Apothekerin arbeiten. Doch die tragische Geschichte nimmt weiter ihren Lauf. 1941 marschieren die Deutschen in Lettland ein. Vom 15. bis 17. Dezember 1941 findet in Libau ein Massaker an einem Großteil der jüdischen Bevölkerung statt. Knapp 5.000 Juden werden an diesen Tagen erschossen, weitere Erschießungen hat es bis April 1942 gegeben. Unter den Opfern sind auch Berta Adler und ihre Töchter Margot und Edith. Ihre Namen sind auf einer Gedenkwand am Ort der Erschießung in Libau verzeichnet.

Rudolf Adler wird eine Woche vor dem Einmarsch der Deutschen in Lettland von den Russen zusammen mit anderen deutschen und österreichischen Juden in ein Gefängnis gesperrt, dann in ein Internierungslager nach Novosibirsk und später in ein Lager nach Kasachstan gebracht. Dort schreibt er schwerkrank einen letzten Brief an seine Familie, die er in Sicherheit wähnt. Er stirbt am 22. November 1942. Kurt und Tamara Adler erfahren in den USA erst viele Jahre später vom Schicksal ihrer Eltern und Geschwister. Kurt Adler stirbt im Jahr 2002 in San Diego, Tamara 2009 in Capistrano Beach, USA.oh