Wachsam bleiben gegen rechts

Brigitte Blobel liest auf Einladung von »Demokratie leben!« in der Bibliothek

»Wir müssen begreifen, dass die Welt klein ist und für uns alle reichen muss. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu vertragen und zu verstehen.« Brigitte Blobel hat viel von der Welt gesehen. Als Journalistin war sie in vielen Ländern rund um den Globus. Ihren Einsatz für Toleranz und Verständnis findet man in ihren Büchern wieder: Sie schreibt Drehbücher fürs Fernsehen sowie Romane für Erwachsene und Jugendliche. Ihr Roman »der rechte weg« beschäftigt sich mit Diskriminierung und Rassismus. Das Buch steht in der Jugend-Mediathek der Stadtbibliothek Einbeck, und die Autorin hat jetzt daraus vor Einbecker Schülern gelesen.

Einbeck. Über den Lokalen Aktionsplan (LAP) des Bundesprogramms »Demokratie leben!« im Landkreis Northeim ist eine umfangreiche Jugendbuch- Auswahl zusammengestellt worden, ein Paket mit 170 Medien. Den Antrag dazu hat der Förderverein der Stadtbibliothek gestellt, und so konnten Buch- und DVD-Bestand umfassend aufgestockt werden. »Es geht uns dabei um Aufklärung und Prävention «, so Silke Doepner, Koordinatorin der Werkstatt- Schule Northeim für den Lokalen Aktionsplan. Die ausleihbaren Medien, die durch weiteres Informationsmaterial ergänzt werden, sollen nachhaltig wirken. »Aufklärung und Bildung sind ganz wichtig«, betonte sie.

Besonders positiv sei die Einbindung in die Bibliothek: »Hier können sich Jugendliche im geschützten Raum informieren, durch das Lesen oder das Anschauen der DVDs eigene Erfahrungen sammeln und reflektieren, was sie aufgenommen haben.« So sei ein schönes Projekt umgesetzt worden. Das Bundesprogramm »Demokratie leben!« gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In Kommunen, Ländern und Bund sollen ziviles Engagement und präventive Maßnahmen im Bereich Islamismus und Salafismus gestärkt werden. Aber auch die Stärkung der Demokratie möchte Bundesministerin Manuela Schwesig damit unterstützen und die Akzeptanz der Bevölkerung für ein Deutschland der Vielfalt: »Jeder und jede ist gefordert, die Demokratie zu verteidigen.«

Über das Programm »Demokratie leben!« ist auch Brigitte Blobel eingeladen worden. »der rechte weg« habe ihr sehr gut gefallen, verriet Silke Doepner: »Das habe ich schon mehrmals verschenkt.« Auch Bibliotheksleiterin Antje Bach war begeistert von der Geschichte um die 16-jährige Linda: »Und das Ende ist der Klopfer ...!« Das Buch sei aufgenommen in die Julius-Club-Liste, bei der sowohl erwachsene als auch jugendliche »Experten« Literatur auswählen. »Die Jugendlichen spüren, dass etwas in diesem Buch steckt, das sie betrifft«, diese Erfahrung macht Brigitte Blobel bei ihren Lesungen immer wieder. Es ist ihr wichtig, die Leser über die Romanfiguren bei ihren Vorbehalten und Ängsten abholen, das nicht gleich abzubügeln, sondern sie ernst zu nehmen.

Die Botschaft müsse man allerdings gut verpacken, dann gebe es auch so positive Reaktionen wie »Das Buch war zu schnell zu Ende.« Brigitte Blobel, Jahrgang 1942, hat Theaterwissenschaften und Politik studiert. Sie arbeitete für namhafte Nachrichtenagenturen, Zeitschriften und Zeitungen. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin verfasst sie Romane. Ihre Bücher sind in 22 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Sie zählt zu den profiliertesten Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Spannend und unterhaltsam war die Lesung für die beiden Sozialassistenten-Klassen der Berufsbildenden Schulen Einbeck mit Jugendlichen im ersten Ausbildungsjahr. Zusammen mit ihren Lehrern Julia Schuhmacher und Daniel Vollbrecht konnten sie die Veranstaltung im Rahmen des Politikunterrichts besuchen.

Mit dabei waren auch Schülerinnen aus der Sprachförderklasse für Flüchtlinge. Das Buch heißt »der rechte weg«: »Das könnt ihr lesen, wie ihr wollt«, erläuterte die Autorin das Wortspiel: »Der rechte Weg« könne der »richtige Weg« sein oder der »rechtsextreme Weg«, aber auch die Variante »Der Rechte weg«, also »weg mit dem Rechten«, sei möglich. Ins Leben der jungen Hauptpersonen steigt sie ein über Linda, die eigentlich Gerlinde heißt. Sie ist 16 Jahre alt und hat gerade fürchterlichen Liebeskummer: Ihr Freund Dennis hat sie abserviert, seine neue Freundin Ceylan, Lindas Rivalin, ist Türkin. Mit Dennis fühlte Linda sich glücklich – jetzt ist sie wütend auf den Ex und die Neue. Lindas Eltern setzten auf den Tourismus in der Kleinstadt, sie wollen Fremdenzimmer vermieten.

Die Nachricht, dass 200 Flüchtlinge aus Syrien in der ehemaligen Kaserne einquartiert werden, erfüllt sie mit wenig Freude: Wie andere Bürger fürchten sie, dass nun Diebe und Drogenhändler in diese »heile Welt« kommen. Hannes, der Schulsprecher werden will, trifft Linda genau im richtigen Augenblick. Er schenkt ihr Aufmerksamkeit, nimmt sie mit zur Demonstration gegen die Flüchtlinge: Das sei doch eine Abwechslung vom Alltag. Dort und in der anschließenden Kneipenrunde erlebt Linda ausländerfeindliche Parolen und schwarz-weiß-rote Fahnen. Sie hört zum ersten Mal etwas von Schulhof-CDs und wundert sich, dass doch keiner der neuen Bekannten aussieht wie ein typischer Neonazi. Die Sprachgewohnheiten findet sie seltsam: Hier heißt sie Gerlinde, und es soll möglichst nicht englisch gesprochen werden.

Dennis soll einen Denkzettel bekommen für das, was er getan hat, das Geschäft von Ceylans Eltern geht in Flammen auf, und nach einem Ausflug von Linda, Hannes und anderen zu einer Demo nach Dresden werden weitere Grenzen überschritten: Ein Unbeteiligter wird schwer verletzt. Parallel kommen die syrischen Flüchtlinge an, sie freuen sich, in Frieden leben zu können. Und als sich ein kleiner Junge öffentlich darüber freut, fliegt der erste Stein. Das Ende, das Antje Bach so beeindruckt hat, verriet Brigitte Blobel natürlich nicht – die Jugendlichen sollten zum Lesen angehalten werden. Aber sie erläuterte den Schluss: »Es ist eine Anstrengung, sich gegen rechtes Gedankengut zu wehren, es hört nie auf.« Auf ein Happy End hat sie bewusst verzichtet: »Das sollen sich die Leser selbst ausdenken.«

Eine Geschichte, die »gut« ausgeht, verliert man schnell aus dem Kopf; wenn dagegen etwas ungelöst bleibt, die Charaktere in einer Zwickmühle stecken, dann sorgt das dafür, dass länger nachgedacht wird. Und erschreckend sei, dass vieles von dem, was sie in »der rechte weg« vor drei Jahren geschrieben hat, inzwischen eingetreten sei. »Die Nazis integrieren sich in vielerlei Hinsicht, passen sich an ihre Umgebung an wie ein Chamäleon, und deshalb sind sie so gefährlich geworden, denn die Klischees, die wir bisher hatten, funktionieren nicht mehr«, warnte die Autorin.oh