»Wenn einem die Luft ausgeht«

Vortrag von Dr. Andreas Kroll zu COPD beim Förderverein des Bürgerspitals

Die sich langsam entwickelnde, fortschreitende Lungenkrankheit mit genereller Entzündung und Zerstörung der Bronchien und des Lungengewebe werde als COPD (»chronic obstructive pulmonary disease«) bezeichnet, erklärte Dr. Andreas Kroll bei seinem Vortrag beim Förderverein des Bürgerspitals. Hauptursache sei das Rauchen. Die Erkrankung vermindere die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität, und sie sei oft verbunden mit weiteren Krankheiten wie Herzinsuffizienz, Osteoporose und Diabetes.

Einbeck. Brunhild Vatterordt, Vorsitzende des Fördervereins, freute sich, dass so viele Interessierte zum Vortrag von Dr. Kroll gekommen waren. Er sei nicht nur am Bügerspital tätig und habe eine eigene internistische Praxis, sondern ebenfalls Lungenfacharzt.

Auf seine Aussagen zum Thema »COPD – die Volkskrankheit der Lunge« war sie gespannt. Die Tabakentwöhnung sei die wirksamste und kosteneffektivste Einzelmaßnahme, um das Risiko der COPD-Entstehung herabzusetzen und das Voranschreiten der Erkrankung zu stoppen, sagte Dr. Kroll. Raucher haben ein 13-faches Risiko zu erkranken; 80 bis 90 Prozent aller COPD-Fälle seien darauf zurückzuführen. In Deutschland haben 13,2 Prozent der über 40-Jährigen und 19 Prozent der über 70-Jährigen COPD, man kann von einer Volkskrankheit sprechen.

Bei nur 40 Prozent der Patienten sei die Diagnose »COPD« bekannt. Viele ingnorieren sie und gehen nicht zum Arzt, oft werde die Erkrankung als »Raucherlunge« oder »Raucherhusten« verharmlost. Werden die Fragen, »Sind Sie über 40 Jahre alt?«, »Rauchen Sie oder haben Sie früher lange geraucht? « und »Haben Sie Husten oder Atemnot?« mit zustimmend beantwortet, liege oft COPD vor. Typische Beschwerden seien Husten, davon sogar nachts wach zu werden, Kurzatmigkeit schon bei der kleinsten Anstrengung oder Verminderung der Leistungsfähigkeit bei Alltagsgegebenheiten wie beim Treppensteigen. Mit Behandlung und Therapie sei es möglich, den rapiden Rückgang der Lungenfunktionen aufzuhalten. In Deutschland werde COPD als »chronisch obstruktive Lungenerkrankung« oder »chronisch obstruktive Bronchitis« bezeichnet. Aus einer chronischen Bronchitis mit Husten und Auswurf über längerer Zeit kann sich eine COPD entwickeln samt Aufblähung der Lunge (Lungenemphysem). Eine schubweise verlaufende, plötzliche Verschlimmerung (Exazeribierte COPD) inklusive Zunahme des chronischen Hustens, der Atemnot und des schleimartigen Auswurfs werde oft lebensbedrohlich. Bei akuten leichten Exazerbationen kann sich der Patient durch Bedarfsmedikationen selber helfen, bei mittleren und schweren seien Konsultierungen von Ärzten oder Krankenhausaufenthalte notwendig.

Bei einer gravierenden Exazerbation trete eine höhere Sterberate als beim Herzinfarkt auf. In zwölf Monaten nach einem Krankenhausaufenthalt gebe es eine größere Mortalität. Luftverschmutzung, Atemwegsinfekte, Gendefekte oder Passivrauchen umfassen nur zu zehn Prozent der Krankheitsursache, so Dr. Kroll, Rauchen 90 Prozent. Durch eingeatmete Schadstoffe entzünden sich die kleinen Atemwege, die Bronchiolen. Als Schutz sondert die Lunge vermehrt Schleim ab. Der Großteil der Atemwege sei vom Flimmerepithel ausgekleidet, einer Schicht aus spezialisierten Zellen mit Flimmerhärchen (Zilien), die Schleim und Fremdkörper aus den Atemwegen in Richtung Rachen befördern. Die Flimmerhärchen werden durch Schadstoffe wie Nikotin zerstört und verlieren allmählich ihre Reinigungs- und Transportfähigkeit. Schließlich werden sie durch ein widerstandsfähigeres Plattenepithel ersetzt, wodurch das Lungengewebe verdickt. Die Wand der Lungenbläschen wird somit dünn und beim Ausatmen instabil. Letztendlich führt dieser Prozess dazu, dass die Atemwege sich dauerhaft verengen.

Die Folgen sind Atemnot und Leistungsschwäche schon bei kleinster Anstrengung - »den Betroffenen geht die Luft aus«. Menschen, die nicht aufhören können, zu rauchen, begünstigen den sich verschlimmernden »Teufelskreis «. Es kommt zu Störungen des Gasaustausches, Bluthochdruck im Lungenkreislauf sowie zu Überlastungen und Schädigungen des Herzens. COPD-Patienten haben ein geringeres Atemzugvolumen, da durch Überblähung der Lunge die Luft nicht mehr rausgeht (Residualvolumen). Kohlendoxid kann nicht mehr richtig ausgearbeitet werden, Sauerstoff nur in geringeren Mengen aufgenommen. Das habe eine eingeschränkte Mechanik des Zwerchfells und der Thoraxmuskulatur zur Folge sowie vermehrte Atemanstrengung und Verschlimmerung der Luftnot. Zur Diagnose stellt der Arzt gezielte Fragen. Patienten schätzen sich mit einem Fragenbogen zu Hustenhäufigkeit, Verschleimungsgefühl, Atemproblemen bei Bewegungen wie Treppensteigen, Einschränkungen bei häuslichen Aktivitäten, Engegefühl in der Brust, Problemen beim Schlaf durch Lungenerkrankung und Energielosigkeit selber ein. Gemäß der Antworten und denen zu der körperlichen Belastbarkeit, den auftretenden Symptomen sowie dem gemessenen Grad der Atemflusslimitierung ermittelt der Arzt die Schwere der Erkrankung. Im Einbecker Bürgerspital werde zusätzlich die Ganzkörperbodyplethysmografie eingesetzt, so Dr. Kroll.

Dabei sitzt der Patient in einer geschlossenen Kabine und atmet durch ein Rohr, um Atmungswiderstand und Lungenkapazität zu bestimmen. Gut lasse sich mit der Methode ebenfalls COPD von anderen Erkrankungen wie Asthma unterscheiden. Die Therapie habe das Ziel, das Fortschreiten der Lungenerkrankung zu verlangsamen, Symptome zu reduzieren, Belastbarkeit und Gesundheitszustand zu verbessern sowie das Risiko für Exazerbationen und Mortalität zu reduzieren. Es gelte, die Auslöser zu meiden – also den Tabakkonsum zu stoppen. Ein Rauchstopp verringere deutlich die Abnahme der Lungenfunktion, es trete weniger Luftnot und Husten auf, die Lust an Aktivität und sozialen Kontakten erhöhe sich wieder – das Wohlbefinden steigere sich. Zwar gebe es eine starke psychische und physische Abhängigkeit – höher als bei Heroin-, Kokain- und Alkoholkonsum – doch sei dies der notwendige Weg. 80 bis 90 Prozent der Raucher wollen aufhören, nur drei bis fünf Prozent schaffen das ohne Hilfe. Unterstützung können sie durch Arzneimittel und psychosozialer Therapien erhalten.

Verschiedenen Medikationen gebe es samt Kurzzeit- und Langzeitwirkung, so Dr. Kroll, Fachärzte ermitteln mit Diagnoseverfahren die individuell benötigten. Regelmäßig und richtig sollten sie eingenommen werden. Weitere Optionen – bei hochgradig kranken Personen – seien endoskopische Volumenredaktionen wie der Einbau von Ventilen in eine überblähten, weitestgehend, funktionsuntüchtigen Lungenlappen. Rehabilitationen bestehen aus mehreren Komponenten, die auf den Patienten und seine Situation angepasst werden. Dazu zählen Bewegung, Sport, Patientenschulung sowie Lebensstiländerung. Atemtechniken, mehrmalige Aktivität pro Woche samt aerobem Training, Atem erleichtenden Stellungen sowie Beckenbodengymnastik helfen, weniger Luftnot und Husten zu haben sowie länger belastbar zu sein. Insgesamt steigere sich wieder die Lebensqualität.

Außerhalb der Rehabilitation können Patienten durch die Teilnahme an Lungensport ihre körperliche Belastbarkeit verbessern. Weitere Informationen dazu und zu der nächsten Gruppe in Northeim gibt es unter www.lungensport.org. Physiotherapiepraxen wie im Bürgerspital können bei Anwendungen ebenfalls helfen. Zum Abschluss appellierte Dr. Kroll, dass alle sowohl in der Freizeit als auch im Beruf darauf achten, dass sie nicht mehr als nötig schädigenden Einflüssen wie staubiger, kalter oder schadstoffbelasteter Luft ausgesetzt seien. COPD-Patienten erreichen eine Vermeidung der stetigen Verschlechterung durch Rauchstopp.

Bei ärztlich begleiteter Patientenschulung wie im Universitätsklinikum Göttingen lernen Betroffene, mit der Krankheit umzugehen. Wichtig sei, sich regelmäßig zu bewegen und Atemgymnastik zu betreiben. Das verbessere die Atemtechnik, die Belüftung der Lungen und damit die Sauerstoffversorgung. Verrauchte Räume und Stress seien zu vermeiden sowie auf Ernährung, Gewicht und Gesundheit zu achten. Dies alles führe dazu, dass einem nicht mehr so leicht die Luft ausgeht - auch nicht bei körperlicher Anstrengung. Für den interessanten Vortrag bedankte sich Brundhild Vatterodt. Als Dank überreichte sie Dr. Andreas Kroll ein Präsent.mru