»Wir haben nur den einen Planeten«

»Fair Future II« | »Ökologischer Fußabdruck« ist zu groß

Einbeck. »Lasst uns über den Zustand unseres Planeten sprechen.« Um den ökologischen Fußabdruck geht es beim Projekt »Fair Future II«, das jetzt in den Berufsbildenden Schulen in Einbeck zu Gast war. Mit Unterstützung der Jugendstiftung des Landkreises Northeim konnten rund 600 Schüler sich über Möglichkeiten informieren, Rohstoffe und Energie effizienter einzusetzen, denn »die Menge an Natur, die uns zur Verfügung steht, ist leicht messbar: exakt ein verfügbarer, lebenserhaltender Planet.« Und der muss für alle reichen. »Fair Future II« ist ein Projekt von Multivision, des Vereins für Jugend- und Erwachsenenbildung; Projektpartner sind Oxfam und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Wer an eine gerechte Zukunft denke, sollte etwa die nächsten 30 Generationen einbeziehen, so Moderator Holger Krohn, und dabei sollte man nicht nur Menschen einbeziehen, sondern auch Tiere und Lebensräume. Ein Instrument, mit dem sich die Folgen menschlichen Handelns auf der Erde feststellen lassen, ist der »ökologische Fußabdruck «. Er zeigt, welchen Einfluss der Mensch nimmt, beispielsweise auf das Klima, auf die Vernichtung von Lebensräumen, auf den Verbrauch von Energie. Ein informativer Film zeigte Beispiele von Verschwendung, aber auch von Nachhaltigkeit. Die Erde hat eine Oberfläche von 51 Milliarden Hektar. Etwa zwölf Milliarden Hektar sind sogenannte bioproduktive Fläche, die für derzeit 7,4 Milliarden Menschen reichen muss, zuzüglich Flächen für Natur und Tiere. Das bedeutet 1,4 Hektar für jeden Erdbewohner für Produktion, Fortbewegung, Müllentsorgung – nicht einmal zwei Fußballfelder. Der tatsächliche Verbrauch liegt in Deutschland allerdings bei 4,6 Hektar, also etwa beim Dreifachen. »Wir brauchen immer mehr Rohstoffe für unseren Lebensstil«, warnte Krohn. Allein die Produktion einer Jeans erfordere umgerechnet 19 Quadratmeter des Fußabdrucks.

»Wir brauchen eigentlich drei Planeten, um die Rohstoffe bereitzustellen – es gibt das Risiko, dass wir die Erde gegen die Wand fahren.« Man müsse deshalb über neue Wege nachdenken, wie man die Zukunft so gestalten könne, dass beispielsweise Artenvielfalt erhalten bleibe und dass alle Menschen versorgt seien. Alle sechs Sekunden sterbe ein Kind durch Hunger beziehungsweise aus Armut. Die Erde sei zu einem industrieellen Bauernhof geworden, zu einer Agrarfabrik, in der jedes Jahr bis zu 20.000 Pflanzen- und Tierarten aussterben würden. Die bioproduktive Fläche sei knapp und wertvoll, »und unser Fußabdruck ist viel zu groß.«

Je mehr man hier benötige, desto mehr fehle woanders: 25 Prozent der Menschen brauchten drei Viertel der Fläche. Die ungleiche Verteilung setzt sich in vielen Bereichen fort: So wird weltweit mehr Geld für Abmagerungskuren als gegen Hunger ausgegeben. Übernutzung macht es leicht, ökologische Grenzen zu überschreiten und bei der Natur »auf Pump« zu leben. Das heutige Handeln falle auf künftige Generationen zurück, und wer globale Gerechtigkeit fördern wolle, müsse politisch, wirtschaftlich und persönlich etwas ändern. »Wir sind die eigentlichen Entwicklungsländer«, hieß es, denn der größte Schritt sei noch zu gehen. Wie ein bewussteres Leben möglich ist, zeigt das Beispiel Witzenhausen: »Transition Town« steht dort als Motto dafür, Lebensqualität zu erhöhen und faire ökologische Strukturen aufzubauen.

Wie nötig ein bewussteres Leben ist, macht der Klimawandel deutlich. Schon ein Anstieg um 0,8 Grad Celsius bewirkt einen Anstieg des Meeresspiegels mit Folgen für Millionen von Menschen. Kohlekraftwerke in nördlichen Industrieländern haben erhebliche negative Auswirkungen auf die Menschen in Afrika. Verkehr ist ein besonderer Klima-Killer, insbesondere das Fliegen. Öffentliche Verkehrsmittel, idealerweise betrieben mit erneuerbaren Energien, oder das Fahrrad sind Alternativen. Immer mehr Nahrungsmittel werden nicht zum Verzehr, sondern zur Energiegewinnung erzeugt: Tank statt Teller. Der Biospiritboom führt zu Maismonokulturen, und mehr Platz für Palmölproduktion sorgt für die gefährliche Abholzung des Regenwaldes. Die Erde, rechnet »Fair Future II« vor, könnte genügend Nahrungsmittel für alle produzieren. Hunger sei kein Schicksal, sondern er werde verursacht. Ein Schritt wäre beispielsweise, die Förderung für Agrarrohstoffe einzustellen. Aber auch veränderte Verbrauchergewohnheiten haben Folgen: Ein Kilo Rindfleisch wird mit gleichem Energieaufwand produziert wie 20 Kilo Kartoffeln oder Getreide. Und Futtermittel müssen angebaut beziehungsweise importiert werden –mit schweren Folgen: »Wir essen ein Stück Regenwald.« Das führt dazu, dass es direkt neben fruchtbaren Feldern und riesigen Rinderherden Hunger gibt, da Monokulturen für Tierfutter und billiges Soja zur Verfügung stehen müssen. Und nicht alles, was produziert wird, landet auf dem Teller: In Deutschland gehen etwa 50 Prozent der Lebensmittel in den Müll – die Kapazität einer Lastwagenkette von Berlin nach Peking. Zum einen wird zuviel eingekauft, zum anderen sorgt das Mindesthaltbarkeitsdatum dafür, dass Produkte weggeworfen werden, obwohl man sie noch gut essen könnte. In kleinbäuerlicher Landwirtschaft gebe es das größte Potenzial für faire Handelsbeziehungen sowie für nachhaltigen Anbau. Das sorge zum einen dafür, dass die Menschen unter vernünftigen Bedingungen von ihrer Arbeit leben könnten, zum anderen werde der Fußabdruck verkleinert. Und der Konsument könne gerade hier mitgestalten an der Zukunft und an gemeinsamen kreativen Lösungen, mit denen man Gewohnheiten verändern könne. Mehr Recycling, sogenanntes Urban Gardening, also Gärtnern auch in den Städten, ein vegetarischer Tag in der Schule: Alles seien Schritte, um die Lebensgrundlagen für ärmere und künftige Generationen zu stabilisieren. In einer begrenzten Welt könne es kein grenzenloses Wachstum geben. Dabei sei der Wunsch, etwas zu tun, immer wieder groß, erfuhr Holger Krohn in den Gesprächen mit Schülern immer wieder: mehr regionale Produkte, weniger Fleisch, mehr Fahrradfahrern, Plastik vermeiden. »Macht was«, so sein Appell. Aber auch bei der Nutzung von Rohstoffen, etwa der Sonne, müsse sich etwas ändern. »Wie haben kein Energieproblem, sondern vor allem das Problem, Ideen in den Köpfen freizusetzen.« Man könne weltweit konsequent erneuerbare Energien nutzen, man könne sich Ökostromanbieter suchen: »Ihr habt eine riesige politische Macht, ihr müsst etwas tun«, appellierte er an die Schüler, auch bewusste Verbraucher zu sein.ek