Argumente statt Ideologien

Landwirte fordern den Dialog | Erhalt der regionalen Lebensmittelproduktion stärken

Hartmut Demann, Timo Ewers, Martin Helmker, Jens Brandes und ­Julian Demann – Landwirte aus der Re­gion ­machen auf ihre schwie­rige Situation und auf ihre Sorgen auf­merksam.

Dassel. Landwirte in der Region wollen bei der Neugestaltung der Agrarpolitik mehr als bisher beteiligt werden – das machten Hartmut ­Demann, Timo Ewers, Martin Helmker, Jens Brandes und Julian Demann deutlich. Zum Teil sind die Landwirte aus der Region, um ihre Forderungen zu unterstreichen, auf dem ­Trecker zur Treckerdemo in Hannover be­ziehungs­weise Berlin gefahren. Unter dem Motto »Land schafft Verbindung« hatten die Landwirte dabei eindrucksvoll demonstriert, wie groß die Sorgen und Bedenken der Landwirte in ganz Deutschland sind: »Uns brennt der Kittel«.

Landwirte, sagt Jens Brandes aus Krimmensen, würden in Generationen, also langfristig denken. »Wir stehen für Insekten- und Naturschutz, für sauberes Grundwasser und gesunde Lebensmittel.« Die deutschen Bauern produzierten zu den weltweit höchsten Standards, und sie verwehren sich ausdrücklich gegen das negative Bild, das von der Landwirtschaft gegenwärtig gezeichnet werde.

Das von der Politik geschnürte Agrarpaket soll ausgesetzt und neu verhandelt werden. Brandes kritisiert, dass hier die Folgenabschätzung ausgeblendet worden sei. »Wir wollen zusammen an einem Tisch verhandeln.«

Deutsche Produktion auf hohen Standards

Die deutschen Bauern würden auf »hohen Standards« produzieren – in Nachbarländern jedoch gebe es andere Regelungen. Die Landwirte erzeugten Lebensmittel zu unterschied­lichen Bedingungen, bei den Preisen allerdings konkurrieren sie mit der EU beziehungsweise weltweit. Es müsse, sind sich die Landwirte einig, einheitliche Richtlinien für die Landwirtschaft in der gesamten EU geben. Wenn für einen gemeinsamen Markt produziert werde, müsse dies unter gleichen Rahmenbedingungen – besonders bei den Auflagen der Produktionsverfahren – erfolgen.

Importiertes ohne EU-Standard kennzeichnen

Bezüglich der neuen Düngemittelverordnung fordern die Landwirte eine unabhängige Überprüfung der Nitrat-Messstellen sowie der Messpunkte. 2012 seien von Deutschland nur die Messstellen gemeldet worden, bei denen es Schwierigkeiten bei den Grenzwerten gab. Die anderen EU-Länder hätten den Durchschnitt aller Messstellen als Basis genommen. Deutschland drohen nun Strafzahlungen an die EU. Aber statt die Messwerte zu korrigieren, werde die Landwirtschaft zu immer neuen Auflagen gezwungen.

Importierte Waren, die nicht dem EU-Standard entsprechen würden, sollten als solche gekennzeichnet werden. Insbesondere das Mercosur-Freihandelsabkommen bereite Sorgen, da dadurch der Handel mit Lebensmitteln erfolgen könne, die unter anderen Standards erzeugt wurden.

Bei politischen Entscheidungen zu Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen sollte der Erhalt der regionalen Lebensmittelproduktion in den Vordergrund gestellt werden. Außerdem sollte die Dokumentationspflicht vereinfacht werden. Bis zu 40 Prozent mache die Büroarbeit bei einem Landwirt aus, rechnet Brandes. Jedes Korn Dünger, ergänzt Timo Ewers, werde dokumentiert.

»Wir produzieren Top-Lebensmittel«, unterstreicht Brandes. Umso mehr ärgert es ihn, wenn andernorts bereits »Bauern-Bashing« betrieben wird.

Landwirte wollen praktikable Lösungen

Die Landwirte mit ihrem Fachwissen wollen gehört werden. Denn dann würde es prakti­kable Lösungen geben. Beispiel für ein wenig durchdachtes Programm ist die Förderung von Blühflächen – denn die Einsaat muss bis zum 1. April erfolgen – und wie jeder weiß, folgen oftmals bis in den Mai frostige Nächte. Brandes hat sich von dem Programm verabschiedet, wird allerdings weiter kleine Blühstreifen (ohne Förderung) anlegen – für die Bienen des benachbarten Imkers. Und so fordert er auch eine neutrale Erforschung des Insektenrückgangs.
»In der Landwirtschaft leben wir wie kein anderer mit der Natur«, sagt Brandes. Es gehe nicht darum, Insekten- oder Umweltschutz zu verteufeln, sondern  um einen ergebnisoffenen Dialog: »Argumente statt Ideologie«.

»Wir haben vergessen, Werbung zu machen«

Kritisch merkt Demann an, dass die Land­wirtschaft viel falsch gemacht habe. »Wir ha­ben vergessen, Werbung zu machen.« Seine vierjährige Enkelin kenne weder Kuh noch Melkstand. Und das Bild, das von Landwirten im TV-Format »Bauer sucht Frau« gezeichnet werde, stimme mit der Wirklichkeit überhaupt nicht überein. Die Landwirtschaft müsse sich umorganisieren, meint er.

Dass sich im landwirtschaftlichen Bereich erhebliche Veränderungen ergeben haben, belegt eine Zahl: Vor rund 60 Jahren gab es in Amelsen noch 70 milchviehhaltende Betriebe – jetzt gibt es keinen mehr. Heute müsse der ­Erhalt der regionalen Lebensmittelproduktion im Vordergrund stehen und gestärkt werden.sts

Dassel

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