Ein faires Miteinander der verschiedenen Völker
Paul-Gerhardt-Schule und Lehrer aus Posen tauschen sich aus / Schwerpunkt: Ökonomie, Ökologie, Historie
Dassel. Bis zum Freitag dauerte der Besuch der Lehrkräfte, den Lehrerin Ute Beischall angeregt hatte. Dafür gebühre ihr, betonte Schulleiter Gerhard Wittkugel, großer Dank. Sie habe sich um den deutsch-polnischen Austausch verdient gemacht.
Der Schwerpunkt des Austausches lag auf der Ökonomie, der Ökologie und der Historie. So stand neben dem Besuch des Unterrichts auch eine Exkursion in den Solling zum Thema »Waldökologie« auf dem Programm, ein Besuch der Firma Kayser Automotive in Einbeck, die ein Zweigwerk in Posen betreibt, eine Stadtführung in Einbeck, der Besuch von Höxter, Fürstenberg und Corvey sowie Zeit für Gespräche.
Beim Empfang im Rathaus machte Bürgermeister Gerhard Melching deutlich, dass er sich freue, Gäste aus Polen begrüßen zu dürfen. Kurz blickte er in die langjährige Geschichte der Stadt Dassel und verwies auf den Erzkanzler unter Kaiser Friedrich Barbarossa, Rainald von Dassel. Jetzt, 700 Jahre später, gebe es Bestrebungen, die Stadt möglicherweise in Grafschaft Dassel umzubenennen.
Aktuell plagten Dassel Probleme, beispielsweise, dass es weniger Arbeitsplätze und einen Bevölkerungsrückgang gebe. Ziel sei es, mehr Dienstleistungsarbeitsplätze im Bereich Senioren und im Tourismus zu entwickeln. Dassel habe zurzeit rund 10.600 Einwohner, im vergangenen Jahr sank die Einwohnerzahl um 218. Die Geburtenrate sei niedrig, junge Menschen verließen die Stadt, weil sie keine adäquaten Arbeitsplätze finden.
Trotzdem werde viel gebaut. Mit Hilfe des Lands würden notwendige Investitionen im Straßenbau realisiert. Die Stadt bemühe sich um Familienfreundlichkeit, so wurde ein Krippe installiert, die Grundschulen sind Ganztagsschulen, und ein Hort nimmt in Kürze seine Arbeit auf. Die Kindergärten wurden modernisiert im Bereich der Betreuungszeit und der Form.
Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen beleuchtete Melching ebenfalls. Für den deutschen Überfall auf Polen müsse man sich heute noch entschuldigen. Solch ein großes Unrecht dürfe nicht wieder passieren. Hochachtung hingegen verdiene der Kniefall von Willy Brandt. Vor revanchistischen Gedanken brauche man in Polen keine Angst zu haben, die Grenzverträge seien akzeptiert. Die europäische Union sollte komplett umgesetzt werden, so Melching weiter. »Wir brauchen ein faires Miteinander.«
Dass die Polen eine positive Meinung von den Deutschen habe, wurde deutlich. Schulleiter Gerhard Wittkugel schätzt die deutsch-polnische Partnerschaft seiner Schule. Obwohl die Aussöhnung der Völker Aufgabe der Politik sei, könne es ein gutes Verhältnis zwischen den Nationen nur geben, wenn es Menschen gebe, die sich kennenlernten, sich sympathisch seien und miteinander redeten. Neben dem Schüleraustausch sei auch der Austausch der Lehrkräfte wichtig. Es sei ein »Geschenk«, wenn man miteinander sprechen und schöne Zeit – beispielsweise beim Feiern – verbringen könne. »Wir bauen damit an der Zukunft«, und Wittkugel hoffte, dass sich der Austausch der Erwachsenen weiter entwickele.
Die polnischen Gäste, die sich für die Gastfreundschaft bedankten, zeigten sich beeindruckt von der Paul-Gerhardt-Schule, der dortigen Arbeits- und Lernatmosphäre. Gute Organisation und Pünktlichkeit waren ihnen besonders ins Auge gestochen. Die deutschen Kollegen hingegen vermissen Schulpsychologen, die es an polnischen Schulen gibt. Probleme im sozialen Bereich würden in der Schülerschaft schließlich zunehmen, ein Beispiel dafür sei das Aufmerksamkeits-Defizits-Syndrom.
Am 29. September fährt eine Schülergruppe der PGS nach Posen, die polnischen Freunde werden im Mai 2011 hier erwartet. Abschließend stellten die polnischen Gäste eine große Ähnlichkeit zwischen Bürgermeister Melching und Schulleiter Wittkugel fest. Sie könnten sich sicherlich gut gegenseitig vertreten – solange das nicht zu einer Stelleneinsparung führt.sts