Gleich erledigen oder loslassen

Dr. Wilhelm Priesmeier, SPD, tritt nach 15 Jahren im Bundestag nicht mehr zur Wahl an

Tritt ab von der politischen Bühne in Berlin: der Markoldendorfer Dr. Wilhelm Priesmeier, SPD.

Markoldendorf. »Es rechnet sich nie, Dinge lange vor sich herzuschieben – entweder gleich machen oder loslassen« – diese Meinung vertritt Dr. Wilhelm Priesmeier. Der Sozialdemokrat aus Markoldendorf sitzt für den Wahlkreis 52 Goslar-Northeim-Osterode seit 2002 im Deutschen Bundestag. Zur nächsten Bundestagswahl tritt er nicht mehr an, er blickt deshalb nun auf 15 Jahre politischer Arbeit in der Bundeshauptstadt zurück.

Geboren am 25. Juli 1954 in Rahden, legte er 1974 am Söderblom-Gymnasium der evangelischen Landeskirche in Espelkamp das Abitur ab. Dem Wehrdienst folgte das Studium an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo), 1981 promovierte er zum Dr. med. vet. Er arbeitete danach als wissenschaftlicher Assistent an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und als Praxisassistent. 1984 ließ er sich als Tierarzt in Markoldendorf nieder.

Seit 1970 ist Dr. Priesmeier Mitglied der SPD, als Jungsozialist hatte er verschiedene Ämter auf Unterbezirks- und Bezirksebene, war AStA-Vorsitzender und 1975 bis 1980 Mitglied im Konzil und Senat der TiHo. 1991 bis 2002 arbeitete er im Rat der Stadt Dassel mit, 1996 bis 2003 im Kreistag Northeim. Direkt in den Bundestag gewählt wurde er erstmals 2002. 2003 bis 2009 war er Tierschutzbeauftragter, seit 2009 Sprecher für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion.

Dieser Tage verabschiedet sich der 62-Jährige aus dem politischen Geschäft. Wie es seine Art ist, hat er in einer Veranstaltung von Wegbegleitern in Berlin Adieu gesagt – quer über die Fraktionen hinweg, er hat seine Gäste »nach Sympathie« ausgesucht. In der Hauptstadt habe er eine »Reihe von guten Freunden« gefunden, erklärt er, sie werden ihm fehlen. Den Kontakt aber wird er aufrecht erhalten, neben Markoldendorf wird er auch seine Wohnung in Berlin behalten.

In der Agrarpolitik, die »nie so richtig Thema in der SPD« gewesen sei, habe er Spuren hinterlassen, hofft er. Dr. Priesmeier verweist dabei auf die Neuordnung des Düngerechts, um es an neue fachliche Erfordernisse zur Verbesserung der Wirksamkeit der Düngung anzupassen. Tiergesundheit und Tierwohl lägen ihm sehr am Herzen, bekräftigt der Tierarzt. Seine fachliche Ausbildung habe ihm im politischen Geschäft genutzt, stellt er fest. Kompromisse gehörten in der Politik dazu, er habe sich aber »nie verbiegen« lassen.

Seine Wahlkreis habe er versucht »ordentlich zu bearbeiten« – egal, ob es um kleinere Anliegen von Bürgern oder Unternehmens-Unterstützung beispielsweise bei Forschungsförderung gegangen sei. Weder dogmatisch noch emotional habe er die politische Arbeit betrieben, sondern sachgesteuert. Egal, wer seine Hilfe gesucht habe, er habe sich immer gekümmert, stellt er fest.

Neben der Agrarpolitik schlug Priesmeiers Herz auch für die Finanzen. Erfahrungen im Haushaltsrecht auf kommunaler Ebene seien für ihn in der Bundespolitik hilfreich gewesen, resümiert er. Schon im Dasseler Rat war Priesmeier bekannt für lange Reden, gespickt mit vielen Fakten. Sein gutes Zahlengedächtnis zeichnet ihn aus.

»Knallharte Arbeit« hätten die vergangenen 15 Jahre geprägt – sei es bei unzähligen Veranstaltungen, bei den beiden Koalitions­verhandlungen, die geführt werden mussten, oder bei diversen Auslandsreisen. Dabei war Dr. Priesmeier besonders interessiert an Entwicklungsfragen, am Einfluss der deutschen beziehungsweise europäischen Landwirtschaft auf Afrika.

Priesmeier ist überzeugter Europäer. »Wenn die Grenzen offen sind, muss es einheitliche Standards geben.« Er räumt ein, dass die spezielle deutsche Sichtweise aber nicht die sei, die von allen akzeptiert werde. »Ohne Handel und Wandel hätten wir weniger in den Taschen – Europa lohnt sich.«

Mit einem Augenzwinkern erinnert sich der Sozialdemokrat an einen »Geschäftsordnungstrick«, mit dem die sogenannte »Herdprämie« ausgehebelt wurde. Im Bereich Zuwanderung sieht er für die Zukunft noch Handlungsbedarf. Er fordert angesichts des Flüchtlingstroms von den europäischen Ländern Solidarität ein, andernfalls müsse über den europäischen Haushalt Druck gemacht werden. Fest steht Dr. Priesmeier auf dem Grundgesetz, das sei die Maßgabe. Zugewanderte müssten sich anpassen, die hier gültigen Wertmaßstäbe akzeptieren.

In der ländlichen Region müsse die Breitbandversorgung schneller ausgebaut werden, erklärt der Markoldendorfer, der immer auch die Politik vor Ort verfolgt hat – sei es die Diskussion um die Windkraft oder den Bau des Markoldendorfer Kindergartens. Mit einem neuen Länderfinanzausgleich müssten die Kommunen gestärkt werden, für soziale Infrastruktur müsse Geld in die Hand genommen werden, bekräftigt er.

Der 62-Jährige bleibt politisch interessiert. Er will sich nach der Zeit im Bundestag um die »Tierärzte ohne Grenzen« und das Agrarnetzwerk der SPD kümmern. Gleichzeitig wird er die freie Zeit nutzen, um sie mit seinen vier Kindern und fünf Enkelkindern zu verleben, zu reisen, wieder seinem Hobby, der Fliegerei, nachzugehen. Noch sind nur wenige Sitzungstage zu absolvieren, am Sonntag, 24. September, wird der Wähler über die neue Zusammensetzung des Deutschen Bundestages entscheiden – diesmal ohne Dr. Priesmeier, der sein Mandat immer direkt gewonnen hat.sts

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