»Gott bleibt bei uns, wenn wir die Kapelle verlassen«

Marienkapelle in Markoldendorf nach Verkauf entwidmet | Landessuperintendent Gorka zur Wohnung Gottes

Nach der Entwidmung brachten Landessuperintendent Eckhard Gorka (links), Superintendentin Stephanie von Lingen (Fünfte von links) und Pastorin Sarah Coenen (rechts) gemeinsam mit dem Kirchenvorstand die Altargegenstände in die Martinskirche.

Markoldendorf. Am Ende bleibt ein leerer Altar, Kreuz, Decken, Blumen und Leuchter werden nach dem letzten Kreuzzeichen in die Martinskirche gebracht. Die Markoldendorfer haben sich am Sonnabend von der Marienkapelle aus dem Jahr 1779 beziehungsweise ihrer Nutzung als Gotteshaus verabschiedet. Im Zusammenhang mit dem Verkauf ist sie im Gottesdienst mit dem Landessuperintendenten Eckhard Gorka, mit Superintendentin Stephanie von Lingen und mit Pastorin Sarah Coenen entwidmet worden. Die Entwidmungsformel hat Gorka gesprochen in Anlehnung an die Torgauer Kirchweih durch Martin Luther 1544.

Man habe eine schwere Entscheidung getroffen, stellte Pastorin Sarah Coenen beim letzten Gottesdienst in der sehr gut besuchten Marienkapelle fest. Manche Entscheidungen dauerten oft Jahre, sogar Jahrzehnte, und so sei es hier auch gewesen. Und doch bleibe die Frage, ob man in allen Belangen richtig und gut gehandelt habe. Man könne nur nach menschlichem Ermessen agieren, und man müsse dabei auf Gott vertrauen bei allem, was man entscheide. Alles habe seine Zeit, und in der Gewissheit, dass alle Zeit in Gottes Händen liege, gehe man diesen schweren Schritt, auch mit der Bitte, Gott möge Zuversicht und Hoffnung stärken.

Es gebe weiß Gott angenehmere Anlässe, zu denen die Gemeinde zusammenkommen könne, aber kaum einen intensiveren Anlass, stellte Landessuperintendent Eckhard Gorka in seiner Predigt fest. Das sei Anlass, über Wohnort und Wohnungslosigkeit Gottes nachzudenken. »Ich bin bei Ihnen«, versicherte er den Gottesdienstbesuchern, er wisse, dass sie traurig seien. Für Lutheraner seien sakrale Gebäude mehr als Funktionsräume, auch wenn Luther sich für Abrisse ausgesprochen haben. Aber man könne der Gemeinde die Gefühle nicht verbieten. Sakrale Räume seien Räume der Seele. Sie vermittelten eine andere Botschaft als Küche oder Wohnzimmer zuhause.

Bei Überlegungen, wozu man einen heiligen Raum brauche, verwies er auf den Theologen Fulbert Steffensky: In einem heiligen Raum müsse man nicht gesprächsbereit sein. In solchen Räumen wurde getauft, getrauert, geschworen, bereut. Glück, Niederlagen und letzte Gebete gab es, eine Patina der Seufzer. Man trete an die Stelle der Toten, nehme Anteil an ­ihrer Hoffnung und ihrem Glauben. Eine ­Kirche werde kraftvoll mit jeder Taufe, jedem Gebet, jedem Beweinten. Das habe die Gemeinde in Markoldendorf sicher auch erfahren. Er sei, so Gorka, »von Herzen froh«, dass die Marienkapelle ihre äußere Gestalt behalten werden. Ein Abriss sei eine Glaubensschwäche.

Am Beispiel Jerusalems erläuterte er die Bedeutung von kirchlichen Bauwerken. Vom dortigen früheren Tempel stehe nur noch die West- oder Klagemauer. Viele Menschen würden kleingefaltete Gebetszettel dort hinein stecken. Gott, dessen Name dort wohne, habe einen »Briefkasten«. Die Wünsche würden nicht vergeblich ausgesprochen, sie zeigten die Religiosität der Menschen. Die Lesung des Gottesdienstes, das Tempelweihe-Gebet des Königs Salomo, sei vermutlich auch bei der Einweihung der Marienkapelle gesprochen worden. Es zeichne eine ergreifende Szene: einen König, der demütig zu Gott bete und dessen Autorität über sich anerkenne. Demut, so Gorka, wünsche er sich auch heute, den Hinweis, sich nicht mit Gott zu verwechseln. Ein König, das zeige die biblische Geschichte, sehe sich als Knecht, er wisse: »Es gibt einen über mir.« Das sei lehrreich.

Viele Menschen, die sich sonst nicht viel aus Kirchen machten, besuchten sie dagegen im Urlaub gern. Da werde die Anknüpfung deutlich, dass Gott doch mit den Menschen unterwegs sei. Es stelle sich auch die Frage, wer die höchste Autorität im Leben sei.

Salomo stelle die Frage, wo Gott wohne. In Jerusalem im Zentralheiligtum, aber auch in den Kirchen und Kapelle und in den Häusern. Aber doch sei er nicht zu fassen, er lasse sich nicht auf Sprechzeiten begrenzen.

Wenn man heute den Beschluss zum Verkauf der Marienkapelle umsetze, »zieht Gott mit uns, wenn wir in die Martinskirche gehen«, war Gorka sicher. »Wir sind Besitzer, Eigentümerin ist Maria, der die Kapelle geweiht ist«, wandte er sich auch an den Käufer. In Marias Sohn sei Gott sicht- und hörbar geworden. Dieser Gott sei nicht nur auf Stippvisite, sondern er bleibe hier, größer als Vernunft und Lebenszeit. Er habe Sehnsucht nach menschlicher Gemeinschaft, wolle präsent sein im Leben. Gegen die Wohnungsnot Gottes würden Beziehungen helfen – am besten christliche. Gott lade die Menschen in seine Nachbarschaft ein. Der Himmel, in dem Gott wohne, beginne auf der Erde. »Er ist und bleibt bei uns, wenn wir die Kapelle verlassen, er findet den Weg zu uns.« Auch am neuen Ort werde man glauben, lieben, zweifeln und vertrauen.

Der Abschied, stellte Superintendentin Stephanie von Lingen fest, falle nicht leicht. »Wir hoffen, dass die Entscheidung richtig war.« An die erste und einzige von Martin Luther vorgenommene Kirchweih der Schlosskapelle in Torgau 1544 erinnerte der Landessuperintendent. Die Gemeinde sei daran beteiligt worden, wie sie auch jetzt an der Entwidmung beteiligt sei, wenn man gemeinsam das Kreuz schlage: »So sei nun diese Marienkapelle dem gottesdienstlichen Gebrauch entnommen und somit entwidmen. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«

Gemeinsam räumten die Geistlichen und die Mitglieder des Kirchenvorstands den Altar leer, um die Gegenstände anschließend zur Martinskirche zu bringen, gefolgt von Gemeindemitgliedern.ek

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