150 Jahre »Ilmedom« in Markoldendorf

»Geburtstagsfeier« mit Vortrag, Orgelklängen und Ausstellung

Pastor Christan Coenen (von links) dankte, jeweils mit einem Präsent, Ulrike Beismann für den Gemeindeausschuss für die vorbereitende Organisation, Dr. Wolf Bernd Jungmann für den gelungenen Vortrag, Professor Friedhelm Flamme für die Orgelklänge sowie Ortsheimatpfleger Thomas Männecke für die Ausstellung zur Kirchengeschichte.

Markoldendorf. Am vierten Advent 1869 feierte man Einweihungsgottesdienst in der St. Martinskirche in Markoldendorf. Seither ist der schlanke Turm, das »Ausrufungszeichen« der Landschaft von allen Seiten zu sehen. Und genau 150 Jahre später, am 19. Dezember, begrüßte Pastor Christan Coenen rund 140 Zuhörer zu diesem »Geburtstag« im »Ilmedom«.

Die Baugeschichte des Neubaus war das Thema. Denn der Ort besitzt bereits seit 1.200 Jahren eine Kirche, begann Dr. Wolf Bernd Jungmann seinen Vortrag. Die politischen Strukturen erklärte er zunächst: Nach den Dasseler Grafen gehörte der Ort zum Hildesheimer Bistum, später Erich I. und Erich II. – man wurde und blieb evangelisch – dann zum Königreich Hannover und ab 1866 war man preußische Provinz. Auch die zuständigen kirchlichen Stellen erläuterte er: In Hannover bei der Regierung das Königliche Kirchenkonsistorium, darunter die Landdrostei Hildesheim mit einem Generalsuperintendenten, dann das Amt Erichsburg mit Sitz in Hunnesrück mit einem Amtmann und Superintendenten. Dieser war Erster Pastor im Markoldendorf. Kirchenvorstände, die viel Verantwortung trugen, auch in Finanzdingen, gab es seit 1849.

Dr. Jungmann beschäftigt sich seit 50 Jahren mit Lokal- und Regionalgeschichte: 1968 kehrte er in seine »alte Heimat« zurück, gehörte bald dem Kirchenvorstand an und befasste sich auch mit der Kirchengeschichte. Im Pfarrarchiv Markoldendorf recherchierte er in vielen Akten, Rechnungsbüchern und Briefen. Auch entdeckte er den Kalender eines Tischlermeisters und langjährigen Kirchenvorstehers von 1867 bis 1869 mit vielen Eintragungen. Weitere Hinweise erhielt er von Günter Kokkelink, der zu Baumeister Conrad Wilhelm Hase (1818 bis 1902) forschte.

Bereits im ältesten vorhandenen Dokument zum Vorgängerbau von 1806 ist von Reparatur und fehlendem Geld die Rede. Die Gemeinde müsse zahlen, falls das Kirchenvermögen nicht ausreiche. 1825 folgte das erste Gutachten zu Bauschäden. Hannover ordnete eine Reparatur an. Die Gemeinde sollte zahlen – nichts geschah. 1836 beschrieb ein Landbau-Inspektor aus Northeim mit einer Grundrisszeichnung die schweren Schäden und empfahl einen Neubau. Die zuständigen Ortsvorstände beschlossen dies, wollten einen Kredit aufnehmen und Hannover bitten, einen möglichst jungen Prediger zu schicken, mit niedrigem Gehaltsanspruch, um die Differenz zu sparen. Nun wurde repariert, aber der Neubau kam nicht. 1851 folgte ein Neubauplan des Markoldendorfer Maurermeisters Rinke – Gesamtkosten 19.000 Taler.

Der Plan ging auf dem Dienstweg nach Hannover. Dort war der Vorgänger von Hase für die Bauaufsicht zuständig, Provinzial-Baurevisor Hellner (1791 bis 1862), ein solider Architekt, der drastisch Kritik übte. Er schrieb, die äußere Fassade erinnere an ein Gewächshaus, der Turm habe eine »unästhetische Kesselform«, die Priechen-Treppen zur Empore seien zu kurz für Bejahrtere und Militär mit Sporen. Sein Kostenvoranschlag war 1.000 Taler günstiger. Denn seines niedrigen Gehalts wegen durfte er auf eigene Rechnung Kirchen bauen – neben seiner Arbeit. Seine Entwürfe von 1851 bezahlte ihm die Kirchengemeinde erst 1854. Nach einer Visitation 1865 beschloss man erneut den Neubau und C.W. Hase als dessen Baumeister.

Hases Lebensweg führte von Einbeck über das Studium in Hannover bis zur Maurerlehre samt Wanderschaft. Diese brachte ihn auch nach Marburg, wo er Skizzen der Elisabethkirche zeichnete, die das Vorbild für St. Martin wurde, wie der Referent mit Fotos und Zeichnungen belegte. Die Einflüsse von Schinkel und Laves auf Hase sowie des Münchners von Gärtner (Feldherrnhalle) beschrieb er ebenso wie Hases erste Bauten: Bahnhöfe und Restaurierung der Klosterkirche Loccum. Der Zeitgeist wandelte sich: Das Klassizistische schien nicht mehr angemessen, die Gotik wurde als national und deutsch interpretiert. Hase wurde einer der wichtigsten Vertreter der Neugotik. Auch bei den Landeskirchen setzte er sich durch mit dem »Eisenacher Bauregulativ«: Kirchen sollten in gotischem Stil mit kreuzförmigem Grundriss mit einem Turm möglichst im Westen gebaut werden.

1865 kam Hases Entwurf für die Martinskirche. »Die Baubeschreibung entspricht dem heutigen Gebäude.« Für den Turm schlug er drei Varianten vor: mit steinernem Kirchturmhelm 21.000 Taler, mit niedrigem Steinturm 20.500, mit hölzernem 20.000. Der Vorstand wählte den kleinen Steinturm. Jedoch lehnte Hase dies aus künstlerischen Gründen plötzlich ab und war nun bei 27.000 Talern. Protest und Bauausschreibung mit zig Bedingungen: August Schreyer aus Hildesheim war der Preiswerteste und sollte daran pleitegehen. Seine Endabrechnung mit 2.400 Talern über dem Vertrag – er wies auf Mehr-Kosten bei Material und Löhnen hin – nahm man zur Kenntnis, bezahlte ihm aber nur 222 Taler.

Am 10.März 1867 war der letzte Gottesdienst im Altbau, am 1. September 1868 Richtfest. Alles war Handarbeit am Bau, kein Bagger half. Bei der Einweihung fehlte Hase, hatte aber große »Zuneigung zu seinem Kinde Martin in Markoldendorf«. Nur den Ehrengästen 1869 wurde das Essen im Ratskeller bezahlt, die Kirchenvorsteher, Geistlichen und andere Gäste mussten ihr Festessen selbst zahlen. Die Bauhistorie ging natürlich noch weiter. Kriege folgten: Glocken mussten abgegeben werden. An die Diskussionen um Marienkapelle oder Martinskirche 1986 erinnerte Jungmann. Aber diese Kirche sei eines der wenigen Hase-Werke, das seit dem Bau fast unverändert blieb. Und so folgte 1989 nicht nur eine Renovierung, sondern auch eine Restaurierung. Dr. Wolf Bernd Jungmann erhielt für seinen gelungenen Vortrag viel Beifall.

Die »Geburtstagsmusik« kam von Professor Friedhelm Flamme an der Furtwängler-Orgel. Eingangs improvisierte dieser und zum Schluss spielte er Melodien der Choräle des Gottesdienstes von 1869. Ortsheimatpfleger Thomas Männecke hatte eine Ausstellung zur Kirchengeschichte vorbereitet, die auf großes Interesse stieß. Den Abend vorbereitet und organisiert hatte der Gemeindeausschuss unter Leitung von Ulrike Beismann. Dem Vortrag folgten zahlreiche Nachfragen, so dass die Emmaus-Gemeinde den Vortragstext demnächst auf der Homepage emmaus-dassel.wir-e.de veröffentlicht.des

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