Kaiser schwört Deutschland auf den Krieg ein

Aus der Sievershäuser Kriegschronik ab 1914 | Mobilmachung Anfang August

Einen schweren Kampf mit großen Opfern hatte Kaiser Wilhelm II. am 6. August 1914 in seiner Rede an Heer und Marine angekündigt, und er sollte Recht behalten - hier die deutsche Kriegsgräberstätte Peuvillers in Frankreich.

Sievershausen. Im November sind es 100 Jahre, dass der Erste Weltkrieg endete. Begonnen hat er im Sommer 1914. Die deutsche Kriegserklärung folgte zum 1. August 1914. Die Ereignisse haben weltweit mehr als 17 Millionen Opfer gefordert, und auch in der Region wurden die Auswirkungen spürbar.

Was geschehen ist, lässt sich für Sievershausen beispielsweise in der Schulchronik nachlesen, in der die Kriegsjahre ausführlich behandelt werden. Fragmente bis Dezember 1917 sind erhalten; Karl-Heinz Köke, der sich in der Heimatgeschichte auskennt, hat sie der Einbecker Morgenpost zur Verfügung gestellt.

Hier folgt ein zweiter Ausschnitt: »Der Aufruf des deutschen Kaisers - am 6. August schrieb Wilhelm II. in Berlin an das deutsche Volk: «Mit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und in Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. Alle offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See, haben wir bisher ertragen im Bewusstsein unserer Verantwortung und Kraft.

Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, dass wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten, man will nicht dulden, dass wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muss denn das Schwert entscheiden. 

Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! Zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, dass unsere Väter neu sich gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.

Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Ross. Und wir werden diesen Kampf bestehen, auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward  Deutschland überwunden, wenn es einig war. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war! Wilhelm”.

Ebenfalls vom 6. August stammt die Botschaft des Kaisers aus dem Berliner Schloss an das deutsche Heer und die deutsche Marine: «Nach 43-jähriger Friedenszeit rufe ich die deutsche wehrfähige Mannschaft zu den Waffen. Unsere heiligsten Güter, das Vaterland, den eigenen Herd gilt es gegen ruchlosen Überfall zu schützen! Feinde ringsum! Das ist das Kennzeichen der Lage. Ein schwerer Kampf, große Opfer stehen uns bevor.

Ich vertraue, dass der alte kriegerische Geist noch in dem Deutschen Volke lebt, jener gewaltige kriegerische Geist, der den Feind, wo er ihn findet, angreift, koste es, was es wolle, der von jeher die Furcht und der Schrecken unserer Feinde gewesen ist. Ich vertraue auf Euch, Ihr deutschen Soldaten! In jedem von Euch lebt der heiße, durch nichts zu zwingende Wille zum Siege. Jeder von Euch weiß, wenn es sein muss, wie ein Held zu sterben.

Gedenkt unserer großen ruhmreichen Vergangenheit. Gedenkt, dass Ihr Deutsche seid! Gott helfe uns! Wilhelm”. Zwei Tage zuvor, am 4. August, hatte eine Reichstagssitzung stattgefunden. Am Tag der Schlachten von Spicherern und Weißenburg hielt die Deutsche Volksvertretung ihre denkwürdige Sitzung ab.

Trotz aller Schwierigkeiten in der Beförderung waren über 300 Abgeordnete erschienen. Wer nicht rechtzeitig Berlin erreichen konnte, entschuldigte sich. Die feierliche Eröffnung zeigte schon den kriegerischen Ernst: Der Kaiser in schmuckloser Felduniform ohne den üblichen höfischen Vortritt, nur Minister und Offiziere geleiteten den Kaiser zum Thron, von wo er bedeckten Hauptes die Thronrede verlas, an manchen Stellen seine Bewegung schwer meisternd.

Zum Schluss donnerte ein Bravo durch den Saal, und dann kam eine Überraschung: Der Kaiser legte die Thronrede weg und sprach frei: Er kenne jetzt nur noch Deutsche ohne Unterschied des Standes, der Partei und der Konfession, und darum forderte er die Vorsitzenden der Fraktionen auf, ihm dieses Gelöbnis für Not und Tod in die Hand abzulegen. Kaum war die ergreifende Huldigung beendet, da durchbrausten die Klänge des »Heil dir im Siegerkranz« den Saal. Eine Stunde später versammelte sich die Abgeordneten im Reichstagsgebäude.

Mit tiefem Ernst legte der Reichskanzler die bewegte Geschichte der letzten Tage dar. Als er davon sprach, wie der Neid gegen die Deutschen den Wind gesät, der jetzt als Sturm aufgehe, als er fragte, ob Deutschland noch länger hätte warten sollen, als er die Notwendigkeit der Neutralitätsverletzung in Luxemburg und Belgien mit den Worten begründete, »wer so bedroht ist wie wir, der darf an nichts anderes denken, als wie er sich durchhaut«, als er schließlich die Worte des Kaisers von der reinen Hand und dem reinen Gewissen wiederholte, mit denen man in den Kampf ziehe, und von der Zuversicht, mit der man es tun könne, da umbrauste ihn die Zustimmung des ganzen Hauses.

Als er in den Saal rief, dass das ganze Volk einig sei, da sprachen die Abgeordneten von den Sitzen empor und klatschten in die Hände, alle, auch die Sozialdemokraten. So heiß dieser Krieg auch sein mag und so ungeheuer die Opfer, die er sicher vom Deutschen Volke fordern wird, er hat Großes gebracht, er hat das Deutsche Volk geeinigt.

Nach einer kurzen Pause begann die geschäftliche Sitzung. 16 Kriegsvorlagen waren eingegangen. An der Spitze stand die Forderung der Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark. In Sturmeseile werden sämtliche Vorlagen angenommen. Die Geschlossenheit des Reichstages ist nur ein kleines Spiegelbild der Geschlossenheit und der Einigkeit unseres ganzen Volkes. So wie er fühlen, denken und handeln alle.

Alle Parteien, alle Stände, alle Konfessionen, durchzittert nur ein Gedanke. Das einige Deutschland ist unüberwindlich. Die Tage der Mobilmachung waren wirklich Tage des Schreckens. Französische Flieger werfen am 2. August, dem Mobilmachungstag, Bomben ab über Nürnberg.

Franzosen überschreiten ohne Kriegserklärung die deutsche Grenze. In Ostpreußen finden schon Grenzgefechte mit den Russen statt. Und nun regnet es nur so Kriegserklärungen. England, unser Vetter, eröffnet den Reigen. Italien, unser Dreibundgenosse, erklärt seine Neutralität. Ja, und in Sievershausen ging sogar das Gerücht, Italien hätte uns den Krieg erklärt. Da war es nicht zu verwundern, dass man, besonders von den Frauen, den Vorwurf zu hören bekam, Deutschlands Mobilmachung käme zu spät, wir hätten viel zu lange gewartet.«oh