»Leben ist das viel bessere game«
»Philotes« an der Rainald-von-Dassel-Schule | Gefahren der Spielsucht thematisiert
Dassel. Die digitalen Medien sind mittlerweile aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, und Mediensucht entwickelt sich zu einem gesellschaftlichen Problem. Im Rahmen der Medienerziehung hat die Rainald-von-Dassel-Schule das »theaterspiel« aus Witten engagiert – für die Schüler ab Klasse sieben wurde das Thema »Medienkonsum« im Theaterstück »Philotes – Spiel um Freundschaft« und in der Nachbesprechung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.
»Philotes« kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Freundschaft. So handelte das rund einstündige Stück vom Spiel um die Freundschaft. Mehrere Jahre lang hat Beate Albrecht für das Stück recherchiert und mit »Philotes« die Gefahren unkontrollierter Internetnutzung auf die Spitze getrieben, ohne realitätsfremd zu sein. Live, das war die Botschaft, ist das Leben immer noch am besten: »Leben ist das viel bessere game«.
Die Schüler legten (fast) ausnahmslos ihre Smartphones beiseite und sahen dann konzentriert zu, wie ein Jugendlicher immer tiefer in die virtuelle Welt abdriftet: Schon lange ist Benny (Kevin Herbertz) mit Tom (Ivo Schneider) befreundet, sie spielen Tischtennis mitein-ander, haben aber auch die Cyberwelt entdeckt. Tom will für die Schulmeisterschaft im Tischtennis trainieren, doch Benny verbringt immer mehr Zeit vor dem PC, vernachlässigt auch die Schule.
Selbst die neue Mitschülerin Lara (Elisabeth Sterzer), die sich für ihn interessiert, lässt er links liegen. Sein Avatar gewinnt zunehmend an Einfluss, die »Milliarden Pixel« sind für ihn »der Wahnsinn«. Als Tom seine Unterstützung braucht, versetzt Benny ihn. Tom kann nicht mehr auf Benny zählen. Hinzu kommt der Streit mit seiner Mutter (Beate Albrecht), die sich in der digitalen Welt nicht auskennt, nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Und sie weiß nicht mehr, wofür Bennys Seele brennt – aber auf diese Frage hat er selbst keine Antwort.
Immer wieder wurde das Stück unterbrochen, das Publikum einbezogen: Die Mutter holt sich Tipps beim Publikum, den Fachleuten. Sie will wissen, was sie machen soll. Die Schüler stiegen drauf ein, schlugen vor, mitzuzocken oder die Zeit am PC zu begrenzen. Doch was ist das richtige Maß?
Als die Mutter zu einer mehrtägigen Fortbildung muss, fragt sie ihren Sohn, ob er alles in die Reihe bringt. Wie befürchtet, gelingt es ihm nicht, er verliert sich in Raum und Zeit, lebt nur noch als virtuelle Person Cylox und kämpft sich durch den verlorenen Wald. Als Lara ihm ins Gewissen redet, reagiert er aggressiv, als die Mutter dem Spielen ein Ende setzt und ihn rauswirft, wird er fast handgreiflich. Der, der »König von Philotes« hätte werden können, ist allein. Seine Freunde Tom und Lara zwingen ihn zur Entscheidung – für die reale oder die virtuelle Welt.
Das Theaterstück gibt Impulse für reflektierten und verantwortungsbewußten Umgang mit den neuen Medien. Einfühlsam zeigen die Schauspieler die Gefühlswelt der Jugendlichen, lassen ihre Lebenswirklichkeit lebendig werden. Die wandelbare, aber auch karge Kulisse samt Licht- und Toneffekten lenkt den Blick aufs Wesentliche. Präzise zeigt das Spiel, wie das Zocken schleichend die Oberhand gewinnt, wie viel schwieriger es ist, das reale Leben zu managen.
In der anschließenden Gesprächsrunde waren einige Zuschauer zuversichtlich, dass Benny künftig im realen Leben Punkte machen wird. Denn er weiß, er hat seine Freunde vernachlässigt, sich nicht mehr um die Familie gekümmert, die Schule abgeschrieben und die Kontrolle über seine Emotionen verloren.
Das »theaterspiel« aus Witten fesselte die Schüler der Rainald-von-Dassel-Schule und bezog sie in das Spiel immer wieder mit ein. Die Schauspieler überzeugten nicht zuletzt dank ihrer langjährigen Bühnenerfahrung und der Authentizität des Stücks, das ohne erhobenen Zeigefinger daher kommt.sts