Morgens um 6 Uhr vom Krieg überrascht

Aus Kiew: Jenny und Anne sind nach langer Fahrt angekommen | Sorgen um Freunde und Verwandte

Mit drei Hunden sind Anne und Jenny in ihrem Smart vor dem Krieg von Kiew nach Lauenberg geflüchtet. Sie leben derzeit bei Melchings.

Lauenberg. Jetzt sind sie in Sicherheit: Jenny und Anne aus Kiew ist es gelungen, die Ukraine zu verlassen. In Lauenberg bei Familie Melching haben sie eine Unterkunft gefunden. Die beiden sind froh, dass sie nun hier sind; gleichzeitig haben sie aber Familie und Freunde zurücklassen müssen, und das ist schwer.

Die 29-jährige Jenny und die 31-jährige Anne stammen aus Donezk in der östlichen Ukraine. Jenny und Natalia, die Schwiegertochter der Melchings, waren Schulfreundinnen. 2015 zogen sie nach Kiew. Der Kontakt hat über die Jahre gehalten, und in Zeiten des Angriffskrieges haben Melchings die beiden per Mail eingeladen, ins sichere Lauenberg zu kommen. Denn schließlich hatte Natalia vor einiger Zeit Schwierigkeiten, in der Ukraine an ihr Visum für Deutschland zu kommen und konnte in dieser Zeit bei Jenny und Anne wohnen.

Die beiden Ukrainerinnen entschlossen sich zur Flucht allerdings erst am vierten Kriegstag. Bis zum 24. Februar haben sie nicht geglaubt, dass es Krieg gibt.

Morgens um 6 Uhr wurden sie davon überrascht. Schnell verließen sie mit ihren drei Hunden die Wohnung und suchten Schutz in einem Keller. Dort verharrten sie einige Tage, entschlossen sich dann aber zur Flucht in ihrem Smart. Das war nicht einfach, denn Anne hatte zwar vor Jahren die Fahrerlaubnis erworben, fuhr aber erst wieder seit drei Monaten. Beide legten je zwei Gepäckstücke in den Wagen, und los ging es.

Die Straßen waren verstopft, und vor allem gab es kein Benzin. Der Kraftstoff war zudem auf 20 Liter rationiert. Zunächst führte die Fahrt zu Verwandten, wieder wurde getankt. 20 Sperrungen mussten die beiden passieren, bis sie nach zwei Tagen endlich in Polen angekommen waren. An der Grenze bei Lwiw (Lemberg) gab es 14 Kilometer Stau, die Frauen benötigten neun Stunden für den Grenzübertritt. Die Grenzen zu anderen benachbarten Ländern seien ebenfalls voll, berichten sie. Sie sprechen ein wenig Englisch, aber auch die Übersetzung-App auf dem Handy hilft.

Das Benzin im Tank reichte ungefähr bis Buk im Westen der Provinz Posen: Hier hatte Melching von Deutschland aus ein Hotelzimmer für die beiden gebucht, und hier holte er sie mit Natalia ab, und seit Freitag sind Jenny und Anne in Lauenberg. Zum einen sind die beiden froh, in Sicherheit zu sein. Zum anderen machen sie sich große Sorgen um ihre Freunde und Familienangehörigen. Die Städte Irpin und Butscha in der Nähe ihres Wohnorts existieren nicht mehr, berichten sie. Menschen, die versucht hätten zu fliehen, seien erschossen worden. Es gebe Videos mit Toten, das sei schrecklich, sagt Anne. Die Situation in der Ukraine sei sehr schlecht, unterstreicht auch Jenny.

Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Jenny hat ein Diplom im Tourismusbereich, hat aber im Verkauf gearbeitet. Anne ist Profisportlerin, sogar Europameisterin in Karate, gearbeitet hat sie in der Rehabilitation und als Sportlehrerin.

Im Moment erkunden die beiden mit ihren Hunden Lauenberg und seine Umgebung. Bei Melchings wurde bereits Borschtsch aufgetischt, die Ukrainerinnen haben sich mit Kartoffelsalat auf ukrainische Art revanchiert. Das sei sehr lecker gewesen, sagt Melching.

Mit dem derzeitigen Wohnsitz sind die beiden Ukrainerinnen bereits im Dasseler Rathaus gemeldet worden. Derzeit berät die Europäische Union, für alle in die EU geflüchteten Ukrainer einen humanitären Aufenthaltstitel nach Paragraph 24 Aufenthaltsgesetz zu erteilen. Damit könnten den Personen Krankenversicherung und Existenzsicherung gewährleistet werden, und der Gang ins Asylverfahren wäre nicht mehr nötig.

Wenn die Ukraine Teil Russlands werde, wollen sie auf keinen Fall zurückgehen. Aber eigentlich wollen die beiden jungen Frauen jetzt nur eins: Frieden.sts

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