Schulglocke klingelt nach 80 Minuten

Neues pädagogisches Konzept an der Paul-Gerhardt-Schule: mehr Eigenverantwortung

Lernen braucht eine gute Mischung aus Muße und Tempo, aus selbstbestimmten Lernen und guten Inputs durch Lehrkräfte: Schüler sollen gut und möglichst gerne in der Paul-Gerhardt-Schule lernen, erklärt Schulleiter Gerhard Wittkugel. Deshalb geht die Schule neue Wege, probiert ein neues pädagogisches Konzept aus.

Dassel.  Individuelle Lernwege und Lerntempi sollen möglich sein, die natürliche Neugier, etwas zu durchdringen soll möglichst wenig abgewürgt werden durch Lernen im Gleichschritt. Deshalb wurden mit Beteiligung von El­tern, Schülern und Lehrern Ziele festgelegt, die das neue pädagogische Konzept berücksichtigt.

Es gibt zum einen neue Stunden des indivi­duellen und selbstorganisierten Lernens (SOL), Ziel ist mehr Eigenverantwortung und mehr Lernengagement der Schüler. Jeweils 80 Minuten pro Woche haben alle Klassen der Sekundarstufe I eine SOL-Stunde und eine IL-Stunde (Individuelle Lernzeit). In den SOL-Stunden er­arbeiten die Schüler mit vorbereitetem Plan­arbeitsmaterial – beispielsweise Kräfte und Reibung in der Physik oder Märchen in Deutsch – allein und in Gruppen rund sechs Wochen lang ein Lernfeld in ihrem eigenen Lerntempo. Am Ende stehen immer eine Rückmeldung zu der Planarbeit und eine Einschätzung des eigenen Lernfortschritts. Alle Fächer sind über die Jahre vertreten.

In der Individuellen Lernzeit arbeiten oder üben die Schüler an Themen, die für sie wichtig  sind – vielleicht weil sie ein Defizit haben oder sich auf eine Klausur vorbereiten wollen. Die Mitschüler können um Rat gefragt werden, Re­ferate können gemeinsam vorbereitet oder auch Hausaufgaben erledigt werden. Eine Bezugsperson, erklären Schulleiter Gerhard Wittkugel und sein Stellvertreter Thomas Gelück, sei immer ansprechbar. Lehrer könnten sich die Zeit nehmen, die Schüler in Ruhe zu beraten. Und ge­rade für diesen Bereich gebe es jetzt – wenige Wochen nach Start des neuen pädagogischen Konzeptes – bereits positive Rückmeldungen.

Weniger Fächer pro Tag bedeuten auch weniger Fächer pro Woche – mehr Ruhe und Konzentration beim Lernen soll dadurch eintreten. Eine normale Unterrichtseinheit dauert 80 Mi­nuten. Die Schüler lernen länger und intensiver an einem Fach. Einige Einheiten dauern nur 40 Minuten – beispielsweise bei Fächern, bei denen häufiges Trainieren sinnvoll ist, beispielsweise im Fremdsprachenbereich.

Die Verteilung der Fächer auf die Halbjahre und auch Schuljahre wurde veränert. Zweistündige Kurzfächer werden so geblockt, dass sie zeitweise genauso große Stundenanteile haben wie Hauptfächer.

Zeit gibt es jetzt auch für soziales Lernen nicht nur im Krisenfall – es gibt Klassenstunden in allen Jahrgängen. Jede Klasse hat jede Woche 40 Minuten Verfügungszeit, um alles zu besprechen, was das gemeinsame Leben in der Schule betrifft – Konflikte, Regeln des gemeinsamen Umgangs oder auch gemeinsame Vorhaben.

Das neue pädagogische Konzept basiert auf einem langfristig angelegten Prozess: 2010 ha­ben die Lehrkräfte in Gruppen in interessanten Schulen Deutschlands hospitiert. Bei einer zweitägigen »Meilensteinkonferenz« mit Eltern und Schülern wurde herausgearbeitet, in welchen Bereichen die PGS gut aufgestellt ist, was nicht geändert werden soll. Danach wurde in mehreren Arbeitsgruppen an Projekten für die Zukunft der Schule gearbeitet. Die daraus folgenden Änderungen wurden wiederum in Ar­beitsgruppen erarbeitet und schließlich mit großer Mehrheit im Schulvorstand beschlossen. Die Reform sei nicht von oben, sondern selbst entwickelt und gewollt, erklärt Wittkugel. Evaluation ist für die PGS selbstverständlich, die Neuerungen werden intensiv untersucht und in mehreren Schritten überarbeitet.sts