Je länger der Krieg dauert, desto größer die Not

Sievershäuser Kriegschronik: Ab 1916 wird Sommerzeit eingeführt | Kein Petroleum, viele Sammlungen

Ein Foto vom August 1917; zu sehen ist der Westfalenhorst unter anderem mit Karl Wedekind, Bruder von Karl-Heinz Kökes Großmutter.

Sievershausen. Im November sind es 100 Jahre, dass der Erste Weltkrieg endete. Die deutsche Kriegserklärung folgte zum 1. August 1914. Die Ereignisse haben weltweit mehr als 17 Millionen Opfer gefordert, und auch in der Region wurden die Auswirkungen spürbar. Was geschehen ist, lässt sich für Sievershausen beispielsweise in der Schulchronik nachlesen, in der die Kriegsjahre ausführlich behandelt werden.

Fragmente bis Dezember 1917 sind erhalten; Karl-Heinz Köke, der sich in der Heimatgeschichte auskennt, hat sie der Einbecker Morgenpost zur Verfügung gestellt. Hier folgt der letzte Abschnitt: »Infolge der englischen Blockade fehlen uns die Zufuhren. Es muss daher alles ausgenutzt werden. So sammeln die Schulkinder Altgummi, alte Luftschläuche, Gummibälle, Laufdecken und so weiter.

Der Brotpreis beträgt 1,30 Mark für ein Sieben-Pfund-Brot. Im März war der Petroleumwagen zum letzten Male in Sievershausen. Schon im Winter war der Mangel an Beleuchtung recht fühlbar. Abends mussten Kerzen, alte Krüfel und dergleichen aushelfen. Jetzt ist Petroleum überhaupt nicht mehr zu haben. Die Fettpreise steigen außerordentlich, die Butter, die im Januar noch 1,40 Mark das Pfund zu haben war, stieg Mitte Januar auf 1,60 Mark und im April gar auf 1,70 Mark. Im Mai kommt auch neue Schuhcreme, aus Ersatzstoffen hergestellt, ausgezeichnet durch fürchterlichen Geruch.

Eine Sammlung im Juni brachte 70 Mark für einen Lazarettzug. Am 26.Mai fiel der Ersatzreservist Karl Oppermann. Am 14. Juli fiel der Musketier Wilhelm Oppermann. Eine Sammlung für das Erholungsheim bei Dassel, in dem genesende verwundete Soldaten untergebracht sind, ergibt 282 Eier, 70 Mark Geld, außerdem Kartoffeln, Speck, Mus und dergleichen. Am 22. September fällt August Justrie und am 30. September der Landsturmmann Heinrich Schwerdtfeger Meister, der erste Familienvater.

Am 3. Oktober fiel Karl Wedekind. Seit der großen Offensive im Westen ist auch unser dritter Lehrer Klages, Vizefeldwebel im 91. Reserve-Regiment und Inhaber des Eisernen Kreuzes, vermisst. Um den Kriegern an der Front eine Freude zu bereiten durch Übersendung von Weihnachtspaketen, wird eine Haussammlung veranstaltet. Dieselbe ergibt 80,54 Mark. Eine Sammlung für die schwer heimgesuchten Ostpreußen bringt 98,27 Mark.

Die Schule trägt ihr Teil dazu bei, um den frierenden Kriegern ihr Los zu erleichtern. Die Mädchen stricken eifrig Schals, Strümpfe, Pulswärmer und so weiter. Ebenfalls bringen sie große Mengen von Kissen mit Federn oder Holzwolle gefüllt, um den Verwundeten eine Erleichterung zu bereiten.

Die Schnapsbrennerei ist eingestellt. Schon im Laufe des verflossenen Jahres war der Schnapsverkauf über die Straße verboten. In den Gastwirtschaften dürfen Branntwein, Kognak, Likör nur in der Zeit von 10 Uhr vormittags bis 7 Uhr verabreicht werden, am Sonntag überhaupt nicht. Die Einziehungen dauern an. Die genaue Zahl lässt sich kaum feststellen, das kann erst am Ende des Krieges geschehen.

Doch wird die Zahl der Eingezogenen wohl von 150 nicht weit entfernt sein. Des großen Bedarfs der Militärverwaltung an Kupfer wegen werden im März sämtliche kupfernen und messingnen Kessel und Küchengeräte eingesammelt. Zwei große Fuder waren das Ergebnis. Ersatz brachten emaillierte und verzinkte eiserne Kessel, die infolge dessen enorm im Preise stiegen. Ein emaillierter eiserner Kessel, der vor dem Kriege für 30 Mark zu haben war, kostet der jetzt schon 100 Mark. Im Mai: Einführung der Sommerzeit durch Verordnung des Bundesrats vom 6. April 1916, durch den die gesetzliche Zeit vom 1. Mai bis 30. September 1916 um eine Stunde vorverlegt wird.

Grund: Ersparnis an Beleuchtungsmaterial durch Ausnutzung der frühen Morgenstunden, früherer Ladenschluss, frühere Polizeistunde und so weiter. Um Stroh frei zu bekommen für Futterzwecke wird Altpapier gesammelt zum Füllen der Strohsäcke für unsere Soldaten und die Gefangenen. Ergebnis 20 Centner. Um dem Arbeitermangel, der die rechtzeitige Erledigung der landwirtschaftlichen Arbeiten in Frage stellt, zu begegnen und die neue Ernte zu sichern, werden der Gemeinde im April zehn kriegsgefangene Russen überwiesen, die den einzelnen größeren Landwirten zugeteilt werden. Dieselben werden in der alten Schule im Gemeindesaal untergebracht. Der Raum wurde zu dem Zweck vergittert.

Abends um 9 Uhr wurden dieselben durch den Landsturmmann, der zu ihrer Bewachung herkommandiert war, eingeschlossen, und morgens um 6 Uhr wurde der Raum wieder geöffnet. Um jeden Fluchtversuch zu vereiteln, wurde ihnen am Abend das Schuhwerk abgenommen. Da durch die vielen eingezogenen Waldarbeiter der regelmäßige Abtrieb des Waldes und die dort notwendigen forstlichen Arbeiten unterbleiben mussten, wurden am 13. Juli 20 kriegsgefangene Franzosen überführt.

Dieselben wurden in dem leerstehenden Nebenwohnhause des Landwirts Friedrich Schwerdtfeger Huhn untergebracht. Zwei Landsturmleute übernahmen ihre Bewachung. Zur ordnungsmäßigen und rechtzeitigen Durchführung der landwirtschaftlichen Arbeiten werden die älteren Schulkinder in weitgehendem Maße beurlaubt. Am 21 April fiel der Papiermacher Karl Bartels, ein Familienvater. Im Juli fiel Otto Henze, Sohn des Kaufmanns Henze. Am 23 April fiel ebenfalls ein Familienvater, Clemens Schwerdtfeger. Im Juli und August sammeln die Kinder Brennnesseln, da die Gewebefasern, Baumwolle und so weiter, knapp werden. Ergebnis: 108 Pfund getrocknete Brennnesseln.

Der Bindfaden wird jetzt aus Papier hergestellt. Am 24 August fiel Karl Schwerdtfeger, Schnale genannt, ein Familienvater. Damit die Kinder in der Ernte tüchtig mithelfen können, fällt der Unterricht für die erste Klasse zwischen Sommer- und Herbstferien aus. Am 27. September fiel der Fuhrmann Friedrich Wedekind, ein Familienvater. Bei dem Mangel an Fetten werden die Kinder angehalten, die Kerne der Zwetschen und so weiter zu sammeln. Die Sammlung ergab mehrere Zentner. Der Preis für die Zwetschen betrug 9 Mark für den Zentner.

Der Butterpreis betrug 2,40 Mark für das Pfund. Die Kartoffeln werden beschlagnahmt. Jeder behält nur den Bedarf für seine Familie. An das Vieh dürfen dieselben nicht verfüttert werden. Da es an Viehfutter mangelt, wird das Fleisch knapp. Es wird infolge dessen rationiert. Jede Person bekommt wöchentlich 1/2 Pfund. Der Eierpreis steigt auf 26 Pfennig für das Stück. Kolonialwaren sind kaum noch zu haben.

Kaffee kostet schon fünf Mark das Pfund. Im Februar 1917 wurden die Fleisch- und Fettkarten bei uns eingeführt. Am 23 Februar 1917 fiel Karl Wedekind, der Sohn des Müllers Wedekind. Im April wurden die Bereifungen der Fahrräder beschlagnahmt. Die Nahrungsmittel werden immer knapper. Auch Graupen und Grieß werden jetzt zugeteilt, monatlich 1/2 Pfund für die Person. Zucker bekommen wir seit November 1 1/4 für die Person im Monat. Am 9. Mai fiel Karl Fischer, Sohn des Waldarbeiter Karl Fischer.

Am 20. Mai fiel August Freise, Papiermacher, ein Familienvater. Am 15. Mai fiel Hermann Hundertmark, Sohn des Schuhmachers. Im Juli wurde die kleine Glocke herabgenommen und nach Einbeck geschafft. Bei dem Mangel an Bronze wurden die Glocken beschlagnahmt und zur Herstellung von Munition verwandt. Am 20. Juli fiel der Waldarbeiter Karl Schwerdtfeger, Abbecke.

Auch in diesem Jahr werden die größeren Kinder wieder reichlich zu den landwirtschaftlichen Arbeiten beurlaubt, da es an Kräften fehlt. Sind doch aus unserem Orte etwa 200 Männer unter die Fahnen gerufen. Im September sind uns nun auch unsere Prospektpfeifen von der Orgel genommen, um zur Herstellung von Munition verwandt zu werden. Am 16. August fiel Karl Hundertmark, nachdem im Mai erst sein Bruder gefallen war.

Am 2. September verlor der Waldarbeiter Heinrich Justrie seinen zweiten Jungen, Karl Justrie. Am 12. September 1917 fiel Willi Brune. Ende September wurde das erste Petroleum verteilt. Leider bekam jede Familie nur ein Pfund. Gemeindeseitig bekam jede Familie dann noch einen Liter.

Die Kartoffeln werden beschlagnahmt. Von jedem Morgen müssen 30 Zentner abgegeben werden. Ebenso wurde der Roggen und Hafer beschlagnahmt. Der Preis des Roggens stieg auf 13,50 Mark, des Hafers auf 16,50 Mark. Am 2. Oktober starb in einem Lazarett Willi Suffert, Sohn des Mühlenbesitzer Christian Suffert. Am 21. Oktober fiel Julius Schwerdtfeger, Sohn des Bauermeisters, bei den schweren Kämpfen im Westen, und in denselben Tagen, am 28. Oktober Wilhelm Ebeling, Sohn des Maurers Karl Ebeling, ebenfalls im Westen.

Traurig steht es mit der Beleuchtung. Das Petroleum ist so knapp, dass es nicht reicht, um nur die notwendigsten Arbeiten, Füttern des Viehs und so weiter zu besorgen. Kerzen sind so teuer, 1,20 Mark das Stück, und kaum zu bekommen. Böse sieht es auch mit dem Schuhwerk aus. Die Kinder tragen zum größten Teil Holzsohlen, da Leder nicht mehr zu haben ist. Der Butterpreis ist auf 2,80 Mark für das Pfund gestiegen.

Die erste Woche im Dezember ist überhaupt keine Butter verteilt. Bis dahin bekamen wir 80 Gramm für die Person. Graupen und Grieß gibt es seit Monaten schon nicht mehr. Vitsbohnen kosten zwei bis drei Mark das Pfund.« oh Mit den Ausführungen vom Dezember 2017 endet die Chronik. Ein Foto vom August 1917; zu sehen ist der Westfalenhorst unter anderem mit Karl Wedekind, Bruder von Karl-Heinz Kökes Großmutter.oh

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