Werkstätten sind wichtige Einrichtungen für Teilhabe

Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens zu Besuch bei den Harz-Weser-Werken in Dassel

Kurzfristig hat Niedersachsens Sozialministerin Daniela ­Behrens (sitzend) den Arbeitsplatz von ­Jendrik Schünemann (links) im Verpackungsbereich eingenommen, der ihr erklärte, wie ­gefaltet und gepackt wird. Begleitet wurde der Rundgang in den Harz-Weser-Werken in Dassel von Bürgermeister Sven Wolter, dem SPD-Landtagskandi­daten René Kopka, HWW-Geschäftsführer Ditmar Hartmann, Werkstattleiter Ahlrich ­Weiberg und Bereichsgruppenleiter Steffen Meyer (von links).

Dassel. Sie hat in der Küche einen XXL-Schneebesen zur Hand genommen und in der Werkstatt gelernt, wie man Versandbehälter faltet und packt: Die Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Daniela Behrens, SPD, hat im Rahmen einer Sommerreise Südniedersachsen und dabei auch die Harz-Weser-Werke in Dassel besucht. Vor Ort nahm sie sich, begleitet vom SPD-Landtagskandidaten René Kopka und von Dassels Bürgermeister Sven Wolter, viel Zeit für einen Rundgang, für Gespräche mit den Mitarbeitern und für den Meinungsaustausch mit Geschäftsführung und Werkstattleitung.

Die Harz-Weser-Werke seien die größte Einrichtung dieser Art in Südniedersachsen, erläuterte Geschäftsführer Ditmar Hartmann. 3.000 Menschen aus dem Raum zwischen Holzminden, Bad Sachsa und Duderstadt seien hier beschäftigt, allein rund 1.750 Menschen mit Behinderungen in sechs Werkstätten. In Dassel seien es 398, berichtete der Bereichsleiter Arbeit & Bildung, Christian Bierschenk. Zusätzlich gebe es Wohnmöglichkeiten mit bis zu 380 Plätzen. Unterschiedliche Gebäude könne man der Ministerin vorstellen, so der Geschäftsführer: Der Großbrand der Dasseler Werkstätten im Jahr 2013 habe zu einem starken Bruch geführt; der Wiederaufbau über vier Jahre sei aber zugleich ein großer Schritt nach vorn für den Standort gewesen.

Viele Fertigungsbereiche in Dassel hängen unmittelbar an der Industrie. Da macht es die Geschäftsführung und das Team vor Ort mit Werkstattleiter Ahlrich Weiberg stolz, dass die Ergebnisse stimmen: »Wir bekommen immer ein gutes Ranking, haben keine Reklamationen.« Dahinter würden gute Lösungen auf die Frage stehen, wie welcher Mitarbeiter eingesetzt werde. Wichtig sei etwa, dass sie sich, wenn etwa die Konzentration nachlasse, aus dem Arbeitsbereich zurückziehen könnten.

16 Frauen und acht Männer sind in der Großküche beschäftigt. In der Mensa essen nicht nur die Beschäftigten, sondern auch Gäste von außerhalb können hier essen. Vor allem werden täglich rund 1.500 Essensportionen für 49 Kunden, beispielsweise Schulen und Kindergärten, frisch zubereitet und ausgeliefert. Es könnten gar nicht alle Kundenanfragen bedient werden, stellten Philip Fahlbusch, stellvertretender Küchenleiter, und Gruppenleiterin Mechthild Meeus fest. Das Beladen der Fahrzeuge mit den großen bestückten Containern sei dabei eine starke körperliche Herausforderung. Dass es schmeckt und gut abgeschmeckt ist, ist der oberste Grundsatz der Küche, und alle arbeiten engagiert daran mit, bis hin zum letzten Schliff aus dem Gewürzregel. Damit alles wie am Schnürchen läuft, ist eine gute Organisation erforderlich, einschließlich Vorbereitung und Vor­kochen für den nächsten Tag. Auch dabei spiele es eine Rolle, so Philip Fahlbusch, dass man gut einschätzen könne, was jeder Mitarbeiter könne, um so das passende Arbeitsfeld zu finden.

Ersatzteile für einen großen Hersteller von Elektrogeräten werden in einem anderen Werkstattbereich verpackt. Hier tauschte die Ministerin mit Jendrik Schünemann kurzfristig den Arbeitsplatz und ließ sich praktisch zeigen, wie ein Karton richtig aufgefaltet und dann ein Anker, ein Ersatzteil für eine Bohrmaschine, darin verpackt wird.

Individuell auf die Beschäftigten ausgerichteten Arbeitsplätze gibt es auch dort, wo Glasteiler für den Glastransport zusammengebaut werden: 100.000 Stück pro Jahr.

Im Gespräch war nach dem Rundgang Gelegenheit, Themen zu vertiefen. Ihr sei es ein ­Anliegen, Politik nicht nur vom Schreibtisch aus zu machen, sondern praktischen Austausch zu erleben, sagte Daniela Behrens. Werkstätten seien wichtige Einrichtungen für Teilhabe, und sie freue sich, dass Niedersachsen da so gut aufgestellt sei. Das müsse man erhalten, wenngleich es im Bereich soziale Arbeit großen ­Personalmangel gebe – Geschäftsführer Ditmar Hartmann hatte dazu berichtet. »Wir brauchen Sie und Ihre Kollegen, die sich um Menschen mit Behinderung kümmern«, hob sie hervor.

In der Tat werde es schwieriger, Personal zu gewinnen, zumal im ländlichen Raum, hieß es. Das beginne schon beim Freiwilligen Sozialen Jahr, das auch deshalb bedeutend sei, weil viele Absolventen sich anschließend für einen beruflichen Weg in diesem Bereich entscheiden würden. Man brauche Menschen, die bereit zur Tätigkeit in diesem Bereich und auch zu ­Führungsverantwortung seien, und die Arbeit hier sei ohne Zweifel sinnhaft – für viele in­zwischen ein wichtiges Kriterium für die Berufswahl.

Die Pandemie habe auch die Werkstätten vor große Herausforderungen gestellt: Innerhalb von wenigen Tagen rund 1.750 Menschen zuhause zu lassen, sie aber dennoch zu betreuen, das sei nicht einfach gewesen, erinnerte der Geschäftsführer. Die digitalen Angebote hätten zwar anfangs etwas rumpelig funktioniert, aber letztlich habe sich die Situation positiv entwickelt. Man hoffe sehr darauf, dass man nicht noch einmal in eine solche Lage komme, wenngleich das Land geholfen habe, die Probleme auch finanziell zu stemmen. Heute, so die Ministerin, wisse man mehr zum Umgang mit Corona, es gebe Impfstoffe. Rückblickend sei sie froh, dass man sich innerhalb der letzten beiden Jahre immer schnell auf Neues einlassen konnte und sich vieles gut eingespielt habe, auch finanziell. Das Ministerium sei während der Pandemie – wie alle – durch einen Lern­prozess gegangen. Im Nachhinein würde man ­sicher einiges anders machen, aber aus dem damaligen Erkenntnisstand habe man so gehandelt und das für richtig gehalten.

Die Behindertenhilfe habe das Land allerdings nicht gleich auf dem Schirm gehabt, nutzte Ditmar Hartmann die Gelegenheit, die Ministerin darauf anzusprechen. Das sei schade gewesen, immerhin seien etwa 35.000 Menschen betroffen.

»Bitte keine Wiederholung der damaligen Situation«, wünschen sich die Harz-Weser-Werke für den weiteren Verlauf der Pandemie. Sie sei dabei aber eigentlich positiv für den Herbst gestimmt, was etwa die Impfstoffe, eine hohe Impfquote und beispielsweise Maskenpflicht in Innenräumen angehe, sagte die Ministerin. Sie erwarte von Berlin allerdings noch, dass das Land wieder Maßnahmen ergreifen dürfe »im Fall der Fälle«.

Weiter kam das Budget für Arbeit zur Sprache. Das ist eine Eingliederungshilfe des überörtlichen Sozialhilfeträgers für Menschen, die ein Anrecht auf eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte haben. Es soll ihnen die Teilnahme am Ersten Arbeitsmarkt erleichtern. Von 28 Beschäftigten der Harz-Weser-Werke wird es genutzt. Dazu erläuterte die Ministerin, man sei in Niedersachsen sehr stolz auf die guten Zahlen. Wenn es um die Teilhabe am Arbeitsmarkt gehe, würden die Werkstätten fantastische Möglichkeiten bieten. Vielen Arbeitgebern sei das Budget als gutes Instrument allerdings nicht bekannt. Es wäre gut, wenn man das bekannter machen könnte. Auf einem Arbeitsmarkt, der von großem Fachkräftebedarf geprägt sei, sollte man Unternehmer ermutigen, auch »herausfordernde« Beschäftigte einzustellen, so die Ministerin. Christian Bierschenk als Bereichsleiter Werkstätten betonte, wie wichtig in diesem Zusammenhang die Nachsorge sei, die allerdings nicht mehr über die Werkstätten erfolgen dürfe. Seiner Meinung nach sollte im Sinne einer besseren Unterstützung wieder geändert werden. Die ­Ministerin verwies auf die Vorgaben aus bundesrechtlichen Regelungen. Sie ermunterte allerdings dazu, das Problem schriftlich für das Ministerium darzulegen und auch Werkstatträte anzusprechen.ek

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