Akzeptanz und Anerkennung mit »Likes« suchen

Moritz Becker vom Verein »smiley« befasste sich mit Herausforderungen, Gefahren und Möglichkeiten im Internet

Auf Möglichkeiten und Gefahren im Internet wies Sozialpädagoge Moritz Becker von Verein »smiley« bei der gemeinsamen Veranstaltung von IGS Einbeck und Bündnis für Familie hin.

Einbeck. Wer Fahrrad fahren lernt, fällt mal hin, stürzt, macht Fehler, muss immer wieder üben und braucht Aufmunterung und Bestätigung, bis er es kann - ähnlich ist es bei der Nutzung des Internets und von sozialen Medien, betonte Moritz Becker vom Verein »smiley« in Hannover. Auf Einladung von IGS und Bündnis für Familie befasste er sich im gut besuchten Wilhelm-Bendow-Theater mit dem Thema »WhatsApp, Instagram, Snapchat - was geht uns Eltern das an«.

Der Sozialpädagoge gab Argumentationshilfen und Verhaltensstrategien, regte zum offenen Austausch an und betonte, dass Kinder und Jugendliche im Netz - wie auch bei vielen anderen Dingen - unbekümmert und neugierig herangehen. Zur Identitätsentwicklung müssen sie viele Höhen und Tiefen erleben, brauchen Orientierung und Freiheit, sich auszuprobieren, aber vor allem Aufmerksamkeit und Anerkennung. Aus dem Grund seien viele auf sozialen Medien unterwegs. Sie wollen »Likes«, also Bestätigung, dass sie eine wertvolle und anerkannte Person sind.

»Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf«, zitierte Burgis Sowa, Vorsitzende vom Einbecker Bündnis für Familie, zu Beginn der Veranstaltung ein afrikanisches Sprichwort. Freunde, Familie, Schule, Nachbarn und Öffentlichkeit sowie das Erlebte spielen beim Heranwachsen eine große Rolle und prägen das weitere Leben.

Meinungsdifferenzen mit Prioritätenunterschieden treten im täglichen Leben oft auf. Der Wunsch der Eltern nach Aufräumen und Hausaufgaben machen, treffe auf die »überlebenswichtige Nutzung« von Sozialen Medien bei Jugendlichen.
Von einem süßen Baby verändere sich ein Kind schnell, sagte Sowa, stetig müsse man sich auf neue Herausforderungen einstellen. Kinder und Jugendliche wachsen immer digitaler auf, das biete Gefahren, aber auch Möglichkeiten. Diese sollte man nutzen und sich von Experten wie Moritz Becker inspirieren lassen.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, die Schirmherrin der Veranstaltung, sagte, dass die Technik sich immer rascher entwickele. Die Teilnehmer von Facebook nehmen zwar stetig zu (vor allem durch Ältere), die Jugendlichen seien aber längst schon wieder weg und bevorzugen andere Soziale Medien. Es sei schwer, auf der Höhe zu bleiben. Kinder und Jugendlichen wachsen mit dem Internet und seinen Möglichkeiten auf – und lernen den Umgang täglich.
Wichtig sei ein verantwortungsvoller Umgang, so Dr. Michalek. Die Digitalisierung biete unzählige Möglichkeiten, aber auch Gefahren, mit denen müsste man sich auch täglich auseinandersetzen.

IGS-Schulleiterin Sandra Friedrich freute sich, dass es gelungen sei, Moritz Becker vom Verein »smiley« nach Einbeck zu holen. Allen Beteiligten dankte sie wie auch der Sparkasse Einbeck als Sponsor. Täglich komme man mit dem Thema Mediennutzung in Berührung. Die IGS verwende Whiteboards und Laptops, die Schüler ihre Handys zur Recherche. Digitalisierung habe intensiv Einzug gehalten. Privates reiche dabei bis ins Schulleben hinein.

Mit nur kleiner Recherche habe sie zahlreiche Bilder von Schülern vom Feiern oder leicht bekleidet im Netz gefunden - sowie Beleidigungen von ihnen gegenüber anderen. Die Jungen und Mädchen waren überrascht, wie schnell solche Dinge von der Schulleiterin entdeckt wurden. Unbekümmert haben die Jugendlichen dies einfach hineingestellt und sich keine großen Gedanken darum gemacht. Sie wollten »Likes« – also Bestätigung.

Carsten Sowa von der Sparkasse Einbeck betonte, dass man gern das wichtige Thema unterstütze. Die Sparkasse habe einen eigenen Instagram-Account, doch nicht jeder gehe so sorgfältig und mit großer Recherche damit um wie die Bank. Die Anonymität des Internets könne vieles Bewirkungen; Hemmschwellen sinken und gipfeln teilweise in üblen Beleidigungen. Kinder - aber auch Eltern - brauchen Unterstützung beim Umgang mit digitalen Medien. Wichtig sei, seinem Nachwuchs zu vertrauen und Freiheiten zu geben. Früher haben die eigenen Eltern auch nicht gewusst, was man selber alles gemacht habe. Jedem unterlaufen Fehler, aus ihnen könne und sollte man gut lernen.

Viel Wissenswertes und Hilfreiches für den alltäglichen Umgang mit neuen Medien in Familie und Schule lieferte Becker. Er gab Hilfestellung für die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zu Hause, und er rief die Eltern auf, den Kindern Orientierung zu geben und neugierig zu sein – und öfter auf das Bauchgefühl zu hören.

Zudem stellte er fest, dass die aktuelle Elterngeneration die erste sei, die ihre Kinder auf etwas vorbereiten müsse, was sie selber nicht gelernt habe. Doch wenn man einen Blick auf die Kinder werfe, sei schnell klar, dass sich an den Grundbedürfnissen nichts änderte. Jugendliche in der Pubertät seien unbekümmert und neugierig. »Sie brauchen Aufmerksamkeit und Anerkennung« und für ihre Identitätsentwicklung Orientierung. Pubertät sei ein Rollenspiel, bei dem sich die Jugendlichen ständig ausprobierten – auch im Internet.

Ihnen sei wichtig, was andere über sie denken. Und so bemühten sie sich um »Likes«. Wenig Sorgen müsse man sich dabei um Kinder machen, die im realen Leben beliebt seien. Für sie habe das Netzwerk eher »stabilisierende Wirkung«. Jugendliche hingegen, die eine Angriffsfläche bieten, verzichteten vielmals auf ihre Privatsphäre, um entsprechend ihrem Bedürfnis nach Anerkennung »Likes« zu bekommen. Das bedeute: Eltern – und auch Lehrer - sollten das Bedürfnis der Jugendlichen nach Aufmerksamkeit und Anerkennung im Blick haben.

Verbote im Bezug auf das Internet gäben zwar Orientierung, verhinderten aber nicht viel. Die Jugendlichen würden Strategien entwickeln, wie sie diese umgehen könnten. Also plädierte Becker dafür, dass Eltern ihre Kinder im Netz begleiten. Möglich wäre auch ein Familienhandy, das alle Familienmitglieder nutzen können.

Whatsapp, Instagram und Snapchat kosten die Jugendlichen viel Zeit. Der Fehler sei, dass im normalen Tagesablauf dafür keine Zeit vorgesehen sei. Das Leben der Jugendlichen sei damit von Gleichzeitigkeit geprägt und damit von Stress. Sie merkten: Man kann nicht allen gerecht werden, vieles nicht vernünftig machen – beispielsweise Hausaufgaben und gleichzeitig mit Freunden chatten. Ziel müsse es sein, den Alltag zu entstressen, beispielsweise mit einer Laber- und einer Wichtig-Gruppe.

Den Kindern das Handy wegzunehmen, könne nur ein Notprogramm sein, stellte der Pädagoge fest. Wichtig sei, dass die Jugendlichen in Freiheit mit dem Handy umzugehen lernen. Denn sie müssten Selbstregulierung lernen. Zudem sei es bedeutsam, im realen Leben einen respektvollen Umgang zu pflegen: »Das Internet ist nur so vernünftig wie der Mensch, der damit umgeht.«

Becker appellierte an die Eltern, ihren Kindern Orientierung zu geben und dabei neugierig zu bleiben, was das Kind im Netz treiben. Für den interessanten und informativen Vortrag bedankte sich Burgis Sowa bei Moritz Becker mit einem Präsent.mru