Angela, Guido, Edmund – alle in Einbeck versammelt

Kabarettist Florian Schroeder mit »Du willst es doch auch« im Bendow-Theater / Westerwelle-Parodie, »solange man ihn noch kennt«

Blitzschnell wechselt er Mimik, Tonfall und Dialekt, verwandelt sich von Merkel in Westerwelle, vom Stuttgarter in einen Hanseaten. Nichts ist vor ihm sicher: der Mac-Jünger, mit einer Latte im Café Projekte verfolgt, ebenso wenig wie die Kollegen Nuhr, Richling oder Otti Fischer. Mit seinem Programm »Du willst es doch auch« begeisterte Kabarettist Florian Schroeder jetzt im Einbecker Wilhelm-Bendow-Theater die Zuschauer.

Einbeck. Als Dienstleister in Sachen Kabarett, Comedy und Satire sei er unterwegs, so Florian Schroeder – und er freue sich sehr, hier zu sein; das sei die größte Lüge des Kabaretts, in Wahrheit sei er glücklich, in Einbeck zu gastieren, und über die Stadt konnte er im Lauf des Abends im Spiel mit dem Publikum Erheiterndes lernen.

Aktuell greift Schroeder in seinem Programm politische Ereignisse auf, etwa die Wahl in seiner Heimat Baden-Württemberg. Mit Mappus sei nun der dritte große Diktator Nordafrikas abgesetzt, von der Anti-AKW-Tsunamisierung weggespült. Eine grün-rote Regierung sei noch gewöhnungsbedürftig, der künftige Ministerpräsident »Teufel reloaded«, sprachlich gesehen. Die Grünen, so Schroeder, seien eigentlich wie die CDU, allerdings cooler und nicht so verstrahlt. Bei der grünen, weltoffenen Toleranz, die jetzt Einzug halte, freue man sich auf den Abzug schwäbischer Truppen aus Berlin.

In der Hauptstadt werde derzeit (Atom-)Politik nach der Lothar-Matthäus-Methode betrieben: on, off, on, off. Für die Kanzlerin seien Atome vermutlich so etwas die wie FDP: mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Nicht nur Angela Merkel, die »Perle aus der Uckermark«, und der Spaßfaktor der Regierung, Minister Brüderle, sondern auch Guido Westerwelle gehören zum Repertoire des hervorraden Parodisten Schroeder: Gerade den Liberalen wolle er jetzt noch parodieren, »wer weiß, wie lange man ihn noch kennt.« Irgendwann werde er nur noch eine Frage bei Günther Jauch sein.

Begeistert habe ihn, so Schroeder, das »Schlichtungsfernsehen« zu Stuttgart 21, nicht zu verwechseln mit dem »schlichten« Fernsehen wie RTL. Es sei bemerkenswert, dass aus Stuttgart, »home of Kehrwoche«, ein solcher Protest komme. Dabei sei der Protest privat geworden, es gehe häufig darum, den eigenen Wohlstand zu retten, die eigene kleine Welt zu schützen. Multikulti gern, aber nur auf dem Gemüsemarkt. Mobil und flexibel müsse der Mensch sein, um schnell in Metropolen wie Ulm oder Bratislava zu gelangen – möglichst mit High Speed Internet unter der Erde, das man dann doch nicht nutzen könne, weil die Fahrzeit zu kurz sei.

Mappus nach Libyen und Guttenberg nach Ägypten: Für die beiden Ex-Politiker hatte Schroeder gute Ideen. »Gutsi« brandmarkte er als Mehrfach-Dieb: Die Frisur und das Haargel seien bei Michel Friedman geklaut, das Gesicht bei Lothar Matthäus. »Gutsi« wäre zudem beim ADAC besser aufgehoben als bei AC/DC, und nur BWL-Bachelor-Absolventen würden deren Tour-T-Shirts mit einem weißen Hemd darunter tragen. »Gutsi« sei eben ein Blender, und wenn dieser Stern so hell leuchte, wie düster seien dann die anderen.

Manchmal ist die Wirklichkeit besser als das Kabarett: So schickte er Oettinger-Zitate im Original aus dem Lautsprecher, zwischen Schock und Erheiterung. »Ich fass’ nicht in Sch..., ich bade darin«, anders könne man das Selbstbewusstsein von »Germany’s next Stoiber« nicht deuten. Kaum ein gesellschaftlicher Bereich, den Dienstleister Schroeder ungeschoren ließ, so den Bachelor-Abschluss, das Mc Donald’s des Bildungssystems, die Fortsetzung der Realschule in dreckigeren Räumen. Wer dieses Studium hinter sich habe, werde Unternehmensberater, die überflüssigste Berufsgruppe überhaupt, bestes Powerpoint-Prekariat. Weitere Zielgruppe seines Spots: Apple-User, die Gruppe der Kreativen, die Generation IMM, »irgendwas mit Medien«. Windows sei das Castrop-Rauxel der Betriebssysteme. Auf der coolen Seite sei man dagegen mit Apple. Allerdings: Wenn man im Freundeskreis zusammen sitze und sich stundenlang gegenseitig mit der typischen, weit ausholenden Geste Apps vorführe, was sei das nur für eine Welt? Hier werde Design mit Bewusstsein verwechselt. Die so unfassbar Kreativen seien mit Vollgas im Leerlauf unterwegs, teilten sich über Twitter und Facebook Mist mit, den keiner wissen wolle, mit Nerd-Brillen auf der Nase.

Mit Plaudereien mit dem Publikum setzte er den Abend nach der Pause fort. Er sei, bekannte Schroeder, Bierhasser – an seinem früheren Wohnsitz habe es immer schlecht gerochen, wenn gebraut wurde und der Wind ungünstig stand. Der Ur-Bock als Einbecker Spezialität erheiterte ihn doch: »Ur-Bock, das klingt wie einer aus dem Swingerclub.« Er ließ das Publikum aus dem Dunkel zu Wort kommen, lästerte über den Slogan »Niedersachsen ist am Zug« beziehungsweise die Bahn, die ihn mit Verspätung nach Salzderhelden gebracht hatte, und weil die Merkel-Parodien besonders gut angekommen sind, zog er ihre Neujahrsansprache 2058 schon mal vor. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle geklont, und dank Anti-Emotioning fühlt man sich einfach gut.

Bei »Ottis Schlachthof« spielte er Gastgeber Ottfried Fischer und die Gäste Dieter Nuhr, Mathias Richling, Wilfried Schmickler und Jochen Busse, blitzschnell Tonfall und Habitus wechselnd. Und ja, man dürfe sich über Fischer lustig machen.

Nahezu philosophische Abhandlungen übers Heiraten und Scheiden lassen stellte er ans Ende: »Ehe ist Geld, Gewohnheit und Lügen – lasst euch scheiden«. Eine solche Botschaft sei zugleich eine vollendete Dienstleistung, ein Bruch der Erwartung bleibe Teil der Erfüllung: »Immer schön ironisch bleiben.«

Zum Abschluss noch einmal der »größte Komiker der letzten 50 Jahre«, Edmund Stoiber. Seine grandiose Transrapid-Rede wurde von Schroeder pantomimisch untermalt – ein Spaß für Augen und Ohren, der vom Publikum mit viel Beifall honoriert wurde. Wenn das Gastspiel in Einbeck nicht nur die öffentliche Probe war, damit später beim Auftritt in Hannover alles sitzt, darf Florian Schroeder gern noch einmal wiederkommen.ek