Anti-Kaufland-Bewegung in Einbeck formiert sich

Informationsabend gegen die Ansiedlung auf Poser-Gelände / »Kuchenstücke werden für jeden kleiner« / Erfahrungen anderer Städte?

»Bürger wehren sich gegen die Ansiedlung von Kaufland auf dem ehemaligen Poser-Gelände«, damit war am Mittwochabend zu einem Treffen aufgerufen worden, und das Interesse sowohl von Bürgern als auch von Inhabern beziehungsweise Mitarbeitern von Einbecker Geschäften war groß. Kritisiert wurden die Planungen, in Einbeck weiteren Einzelhandel mit Schwerpunkt Lebensmittel anzusiedeln. Es gebe in der Stadt genug Auswahl für jeden Käufer, hieß es.

Einbeck. Wie Angela Engelhardt, Betriebsratsvorsitzende von Marktkauf, erläuterte, gehe es darum, Interessen zu bündeln, um Kaufland zu verhindern. Sie kritisierte die Blauäugigkeit des Einbecker Rates, der bei seiner Entscheidung von anderen Städten, in denen sich der Konzern mit großen Flächen angesiedelt habe, nichts gelernt habe. »Einbeck hat genug Einzelhandel«, betonte sie. Kaufland würde die Kuchenstücke verkleinern und sie zerkrümeln.

Auf ein Gutachten zur geplanten Ansiedlung ging Holger Niedrig ein: Kaufland zerstöre die Innenstadt, sei darin nachzulesen. Das sei jedoch nicht im Sinne des Antragstellers, des Investors Wombat, gewesen, und so sei ein neues Gutachten in Auftrag gegeben worden. Niedrig machte hier die Verknüpfung mit dem Unternehmen Lidl deutlich: Das neue Gutachten sei also nicht unabhängig, sondern gesteuert. Er habe, berichtete er, eine Eingabe beim Landkreis Northeim gemacht und ihn als Kommunalaufsicht eingeschaltet. Bei der Unterschriftenaktion, die man gegen Kaufland initiieren wolle, solle die Eingabe angeheftet und für alle Interessierten nachzulesen sei. Darin führt er unter anderem aus, dass die Umfrageergebnisse aufgrund der geringen Zahl der Befragten nicht als repräsentativ anzusehen seien. Außerdem sei der Bevölkerungsschwund mit acht Prozent als zu niedrig angesetzt. Die Umverteilungsquote werde ohne Berechnungsgrundlage in den Raum gestellt.

Dem Investor, so Niedrig weiter, gehe es vor allem um Möbel-Boss, der ebenfalls auf dem Poser-Grundstück angesiedelt werden soll. Er bedauerte, dass man dafür nicht nach Alternativen suche, denn die gebe es in Einbeck. »Aber Wombat fragt nicht danach.« Welches die Alternativen seien, dazu äußerte er sich indes nicht. Aus den Streitigkeiten um den Möncheplatz habe man nichts gelernt: Erneut seien die Bürger zu einem so wichtigen Vorhaben nicht nach ihrer Meinung gefragt worden.

Er habe großes Interesse am Thema, wobei es ihm nicht darum gehe, alle Planungen abzuwürgen, so Carsten Ilsemann, Inhaber des Edeka-Marktes am Königsberger Platz. »Wir brauchen keinen weiteren Lebensmittler«, machte er deutlich. Der bringe nämlich die Kaufkraft nicht zurück. Mit Kaufland trete zudem ein ungleicher Wettbewerber auf den Plan, es entstehe keine Konkurrenz auf Augenhöhe. Das eigene Erweiterungsprojekt – Ilsemann hat die Genehmigung, sein Unternehmen deutlich zu vergrößern – habe er zunächst einmal ausgesetzt. Wenn eine weitere Großfläche nach Einbeck komme, wäre es betriebswirtschaftlicher Selbstmord, eine solche Investition so tätigen: »Kaufland hätte fünfmal so viel Fläche wie wir in unserem neuen Projekt.« Sein Edeka-Markt sei ein Nahversorger, und dazu stehe er auch. Er habe ein offenes Ohr für Bürger und Vereine, und die »Kleinen« seien es, die die Stadt zusammenhielten.

Zum Leserbrief von Wombat in der Mittwochs-»EM« erläuterte Ilsemann, seiner Meinung nach habe der Investor mit dieser Argumentation ein »klares Eigentor« geschossen. »Wombat hat es hier mit Profis zu tun«, hob er Einbecker Kompetenz im Einzelhandel hervor.

Man rede beim Thema Kaufland nicht nur über Lebensmittel, sondern auch über einen großen Non-Food-Bereich, gab Heiko Jörns, Weinhaus Bremeyer, zu bedenken. Es gefalle ihm nicht, dass jemand von außen komme, um den Einbeckern zu erzählen, wie ihre Stadt in einigen Jahren aussehen solle. »Vielmehr müssen wir selbst Pläne machen und uns nichts von Investoren aufdrücken lassen.« Es sei wichtig, ein ökonomisches Gesamtkonzept zu entwickeln. In der Tat brauche Einbeck ein Möbelgeschäft – allerdings nicht um den Preis, in diesem Zusammenhang eine Kröte wie Kaufland zu schlucken. Jörns mahnte Überlegungen an, Dinge in der Stadt zu verbessern. Wenn Einbeck attraktiver werde, bringe das letztlich auch die dringend notwendigen neuen Arbeitsplätze.

Aus Sicht der Gewerkschaft ver.di beziehungsweise der Beschäftigten im Einzelhandel gehe es nicht darum, eine Verweigerungshaltung einzunehmen, machte Gewerkschafter Peter Zarske deutlich. Allerdings frage er sich, ob in die Planungen Erfahrungen anderer Städte beziehungsweise der Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber Kaufland eingeflossen seien. Weiter stelle sich die Frage nach der Tariftreue des Unternehmens. Hier setzte auch Katharina Wesenick an. Sie ist Sekretärin für den Bereich Handel der Gewerkschaft ver.di in Südniedersachsen. In dieser Funktion sei nicht für oder gegen einen Konzern oder ein Unternehmen, sondern für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sagte sie. Es gehe darum, ob Grundlagen des Tarifs und der Mitbestimmung eingehalten würden oder ob Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten stattfinde. Man könne davon ausgehen, dass ein Quadratmeter Verkaufsfläche für die Versorgung eines Bürgers ausreiche. Leider lasse die Politik immer mehr Verkaufsfläche auf der Grünen Wiese zu. Das führe zu Arbeitsverdichtung, ruinösen Kosten und Bedingungen, die schon jetzt nicht so seien, wie sie sein sollten. Außerdem sei es wichtig zu sehen, welche Arbeitsplätze geschaffen würden. Problematische Verhältnisse attestierte sie Kaufland beispielsweise bei der Einsetzung von Betriebsräten. Außerdem sei ein großer Prozentsatz der Beschäftigten im Einzelhandel auf Minijob-Basis beschäftigt; die Branche lasse sich also – über die so genannten Aufstocker – von der Allgemeinheit finanzieren. Für Kaufland gelte, dass es hier keine Vollzeit- und auch nur wenig Teilzeitbeschäftigte gebe. Es sei mit Umverteilung zu rechnen. Die Beschäftigten in allen Bereichen hätten mehr Druck zu befürchten.

Auf die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Einbeck verwies Ewald Marschler: Es sei mit einer Abnahme der Einwohnerzahl um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu rechnen, dabei werde der Anteil der älteren Bürger steigen. Für sie stelle sich die Frage, wie ihre Versorgung unter veränderten Bedingungen gesichert werde: »Kämpfen Sie, ich bin dabei.« ek