Arbeitsplätze kommen aus dem Bestand

Dr. Lutz Hoffmann, ehemals NGlobal: Neue Ansiedlungen wie ein Sechser im Lotto

Unangenehme Wahrheiten wollte er den Einbecker vermitteln, kündigte Dr. Lutz Hoffmann an, und eine war bestimmt diese: Es sei »nicht sehr wahrscheinlich«, dass großflächige Industrieansiedlungen mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen gelängen. Worauf Einbeck setzen müsse, sei dagegen Pflege von Unternehmen und Arbeitsplätzen im Bestand, außerdem die Unterstützung von Unternehmensgründungen im kleinen Ausmaß. Neue Beschäftigung im großen Stil werde es dagegen kaum geben, das sei etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto.

Einbeck. Wirtschaftsförderung und »Einbeck Marketing« hatten gemeinsam zu einem Vortrag über wirtschaftliche Perspektiven für Einbeck ins Alte Rathaus eingeladen. Referent Dr. Lutz Hoffmann, langjähriger Mitarbeiter der Wirtschaftsförderung NGlobal des Landes Niedersachsen, gab dazu Impulse und legte Stolpersteine, wie der Volkswirt ankündigte.

Er wisse, dass die Wogen derzeit hoch schlagen würden, aber zum Einzelhandelsprojekt könne er nichts sagen, dämpfte er gleich zu Anfang Erwartungen in dieser Richtung. Im Ruhestand habe er jetzt aber Freiheiten, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, und dazu gehöre, dass es nicht sehr wahrscheinlich sei, großflächige Industrieansiedlungen nach Einbeck zu holen, die mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen verbunden seien. Einbeck sei eine »reife« Industriestadt. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Arbeitsplätze im Industriebereich verloren gegangen, deren Verlust nicht auszugleichen sei. Dabei gebe es sicher, wie in vielen anderen Städten auch, entsprechende Wünsche. Das sei nicht verwerflich, aber sehr unrealistisch. Gewerbeansiedlungen tauchten dabei beharrlich immer wieder auf. Dass das eintrete, sei jedoch ein unwahrscheinlicher Fall. Bei der Gewinnung etwa von ausländischen Investoren habe Niedersachsen in der Vergangenheit mehr Aufwendungen als Nutzen gehabt.

Von 100 neuen Jobs würden 96 am Altstandort von Firmen geschaffen, machte Dr. Hoffmann deutlich. Bestandspflege für die Unternehmen vor Ort sei also wichtig, hier finde sich eine zuverlässige Quelle des Arbeitsplatzzuwachses: »Die positive Kraft für Arbeitsplätze kommt aus dem Bestand, Ansiedlungen sind wie ein Sechser im Lotto.« Die großen neuen Standorte stammten aus den 60er bis 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, und diese Zeit werde nicht mehr wiederkommen. Das Bild, das er da zeichne, sei schwarz in schwarz, räumte er ein. Aber man müsse Wunschdenken die Stirn bieten, eigene Potenziale erkennen und sie realistisch einschätzen. Verwaltung und Politik würden die eigene Stadt am besten kennen, sie müssten eine Plattform für Diskussionen schaffen dazu, wo man stehe und wohin man wolle. Dabei sollte man nicht visionär und utopisch vorgehen, sondern realistisch bleiben.

Clusterbildung, sagte er in der anschließenden Diskussion, sei durchaus möglich, aber auch hier müsse man sehen, dass sie sich häufig an historischen Stämmen entwickele. »Sie müssen sehen, wo bei Ihnen vor Ort Ansätze dafür sind«, machte er deutlich. Ein weiterer Weg sei es, Gründungen zu unterstützen, wenngleich sie manchmal sehr klein seien. Dieser Weg sei zudem mühsam, bis er sich in Arbeitsplätzen bezahlt mache. Wichtig bei der Bestandspflege sei auch eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Sie und die örtliche Wirtschaft müssten enger aufeinander zu gehen – auch das ein Prozess, der individuell zu organisieren sei.

Das langfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsmodell gerate zunehmend unter die Räder, es zerbröckele. Insofern werde die Dauerhaftigkeit von Arbeitsplätzen mehr und mehr in Frage gestellt. Netzwerken stand er kritisch gegenüber: Allein für den Raum Südniedersachsen gebe es vier bis fünf davon. »Beim besten Willen: Das ist zuviel des Guten. Bitte verständigen Sie sich besser in dieser Netzwerkerei.« Letztlich sei auch hier viel Wortgeklapper mit wirtschaftspolitischen Hohlbegriffen anzutreffen.ek