Auf dem Parkplatz wie auf der Autobahn gerast

Angeklagter verursachte Unfall bei vermeintlicher Flucht vor Polizeibeamten

Bei einem Ortstermin schauten sich Richter Thomas Döhrel, Staatsanwältin und Jurastudenten die Situation auf den Parkplätzen am Altendorfer Tor an. Von der Polizei wurden Parkareale und Einmündungsbereiche vermessen.

Angeklagt vor dem Amtsgericht Einbeck war jetzt ein 21-Jähriger, einen Autounfall mit erhöhter Geschwindigkeit verursacht zu haben, als er mit seinem Audi versuchte, sich einer Polizeikontrolle zu entziehen. Bei seinem Manöver am Altendorfer Tor kam es zu einer Kollision mit einem VW Caddy. Amtsgerichtsdirektor Thomas Döhrel verurteilte den jungen Mann zu 500 Euro Geldstrafe zugunsten einer gemeinnützigen Organisation sowie zu einer Verlängerung der Führerscheinsperre bis Ende Juli.

Einbeck. Der 21-jährige Bad Gandersheimer gab an, dass er am 2. Juli 2021 mit seinem Audi A7 auf dem Weg zur Zulassungsstelle in Einbeck war. Nummernschilder hatte er nicht angebracht, sie lagen auf dem Rücksitz. Eine Versicherungsbescheinigung existierte. Er gab an, dass er sich in Einbeck auskenne, sich »verirrt« habe und stadtauswärts auf dem Altendorfer Tor fuhr. Über die Parkplätze wollte er wenden und dann stadteinwärts zurückkehren. Vor dem Sanitätshaus kam es zur Kollision mit einem VW Caddy. Dem Fahrzeug wurde durch den Unfall die Stoßstange »abrasiert«. Der Verursacher setzte seine Fahrt geradeaus in eine Sackgasse hinein fort.

Es entstand ein Schaden in Höhe von 15.000 Euro. Der Caddy war nicht mehr fahrbereit, der Audi hatten Schrammen und Unfallspuren an der Fahrerseite. Im Rahmen der Verkehrsunfallaufnahme stellten die Beamten beim Audi-Fahrer Auffälligkeiten fest, die auf den Konsum berauschender Mittel hindeuteten. Daraufhin wurde ihm eine Blutprobe entnommen, Führerschein und Auto wurden beschlagnahmt.

Die Staatsanwältin sagte, dass der junge Mann grob verkehrswidrig und fahrlässig gehandelt habe sowie Schäden und Verletzungen tolerierte, um sich einer Polizeikontrolle zu entziehen. Als er eine Zivilstreife mit uniformierten Beamten sah, habe er versucht, über die Parkplätze mit erhöhter Geschwindigkeit zu entkommen. Er übersah dabei den VW, und es kam zu einem heftigen Unfall.

Der Verteidiger widersprach dem: Sein Mandant habe sich verfahren. Er wollte nur wenden und zurück in die Stadt fahren. Die Polizeibeamten habe er nicht gesehen, sei auch nicht vor ihnen geflohen. Er bedauere den Unfall.

Zwei Polizisten, die in Uniform in einem Zivilfahrzeug unterwegs waren, bemerkten den Audi ohne Nummernschild. Es kam zum Sichtkontakt mit dem Fahrer. Darauf bog dieser schnell vom Altendorfer Tor auf die Parkplätze ab. Die Polizisten folgten ihm, sahen ihn weiter beschleunigen und erreichten ihn kurz nach der Kollision. Einem Zeugen kam es vor, als hätte der junge Mann nur gestoppt, weil es keine Möglichkeiten zu Weiterfahrt mehr gab.

Fahrer und Beifahrerin des Caddy bekamen durch den Unfall einen großen Schreck. Seit dem Vorfall fahre der Mann kein Auto mehr, hieß es. Mit geringer Geschwindigkeit sei er damals vom Altendorfer Tor Richtung Parkplätze von Sanitätshaus und Elektromarkt eingebogen, schaute sich gründlich um, um keinen Fahrradfahrer zu übersehen. Langsam fuhr er weiter, dann »knallte« es schon. Am VW entstand großer Schaden. Die Aussage des Fahrers bestätigte seine Frau. Ihr Mann fahre umsichtig und vorsichtig. Nach dem Unfall seien sie schnell ausgestiegen, da es extrem laut »gescheppert und viel gezischt« habe.

Ein Zeuge kam aus dem Sanitätshaus und sah den Vorfall, er berichtete ebenfalls von langsamer, vorsichtiger Fahrt des VWs. Über den Parkplatz des Elektromarktes kam der Audi angerast, er beschleunigte noch. Eine Linkskurve zum Einbiegen aufs Altendorfer Tor hätte er »niemals geschafft«. Der VW sei vom Audi richtig »abrasiert« worden; die Insassen hatten Glück, dass ihnen nichts passiert sei. Ein weiterer Zeuge, der auf dem Parkplatz des Elektromarktes gestanden hatte, bestätigte die schnelle Fahrweise: Der Audi sei auf dem Parkplatz »wie auf der Autobahn« gerast.

Eine Mitarbeiterin der Jugendhilfe im Strafverfahren beim Landkreis hat Gespräche mit dem Angeklagten geführt. Er lebt bei seiner Mutter, absolviert eine Ausbildung im Kfz-Bereich. Den Führerschein brauche er für die Arbeit, dort habe es deshalb schon Probleme gegeben. Er bedauere den Vorfall und habe daraus für die Zukunft gelernt, sagte sie.

Die Verfahrensbeteiligten sowie einige Jurastudenten führten einen Ortstermin durch, bei dem Zweifel an den Aussagen des Angeklagten aufkamen. Mit hoher Geschwindigkeit wäre es nicht möglich gewesen, eine 180-Grad-Kurve zur Rückkehr aufs Altendorfer Tor zu absolvieren. Nach der Kollision fuhr der Audi geradeaus weiter - die Reifen zeigten nach vorn. Wären sie zum Abbiegen eingeschlagen gewesen, hätte man das gesehen und das Fahrzeug einen Drehimpuls bekommen. Dies alles widerspreche den Einlassungen des Angeklagten.

Erhärtet wurden die Tatbestände der Anklage, sagte die Staatsanwältin. Es liege eine Gefährdung im Straßenverkehr vor, er wollte sich der Polizeikontrolle entziehen. Sein Handeln führte zu einem heftigen Unfall, bei dem zum Glück niemand verletzt wurde. Zeugen gaben an, dass der 21-Jährige rasant auf die Parkplätze eingebogen sei und beschleunigt habe. Jugendstrafrecht komme zum Tragen. Für ihn spreche, dass er keine Einträge im Strafregister und sich entschuldigt habe; gegen ihn, dass er fahrlässig hohen Schaden verursachte. Sie sprach sich für eine Geldstrafe von 600 Euro und eine Führerscheinsperre über weitere 14 Monate aus.

Sein Mandant sei kein Rennen gefahren, erklärte der Verteidiger, er hatte sich durch Unkenntnis verfahren. Sichtkontakt mit den Polizisten und die anschließende Flucht habe es nicht gegeben. Es habe einen Unfall und verkehrswidriges Handeln gegeben, aber keine Fahrlässigkeit oder Rücksichtslosigkeit. Sein Mandant fahre nicht unbekümmert darauf los, er mache sich Gedanken. Er bedauere das Geschehene, die Monate ohne Führerschein zeigten Wirkung. Er sei »einfach nur scheiße gefahren«, sagte der Verteidiger über den 21-Jährigen. Zum Glück wurde niemand verletzt. Der Verteidiger sprach sich für Freispruch oder eine geringe Geldstrafe aus. Den Führerschein sollte der junge Mann umgehend zurückbekommen.

Richter Thomas Döhrel verurteilte den 21-Jährigen zu einer Geldstrafe von 500 Euro. Der Führerschein bleibt weitere vier Monate eingezogen. Er bekommt ihn nach dann einem Jahr zu Beginn seines dritten Lehrjahres im August zurück. Die Einlassungen des Angeklagten trafen in vielen Punkten nicht zu oder waren widersprüchlich, so Döhrel. Angeblich kenne er als Ortsfremder den Weg zur Zulassungsstelle nicht, dafür aber Schleichwege über die Parkplätze.

Die Zeugen schilderten glaubwürdig, dass er rasant auf die Parkflächen geboten sei, weiter beschleunigte und den Unfall mindestens verursachte. Ein Abbiegen Richtung Altendorfer Tor hatte er nicht vor, dies wäre bei der Geschwindigkeit auch nicht möglich gewesen. Zudem gab es bei der Kollision keinen Einschlag der Räder, dies hätte zur Rotation des Wagens geführt. Er fuhr aber geradeaus in eine Sackgasse hinein. Der 21-Jährige wollte scheinbar vor der Polizei fliehen.

Vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässige Schädigung lägen vor.mru