Aus der Sicht eines antiken Helden

Göttinger Autorin Andrea Stenzel in der Stadtbibliothek zu Gast / Lesung und Musik

Aus ihrem Buch »Winterschläfer und andere mythische Geschichten« las kürzlich die Göttinger Autorin Andrea Stenzel in der Stadtbibliothek vor. Begleitet wurde sie dabei von Ditmar Wiederhold, der auf dem Fagott Motive aus Jean-Marie Leclairs Werk »Der sehnsüchtige Faun«.

Einbeck. Schon durch ihren Stil, Stenzel lässt die Figuren das Geschehen aus ihrer eigenen Sicht schildern, wird der Zuhörer gleich mitten in die Geschichten hineingezogen. Im »Winterschläfer« beschreibt die Ich-Erzählerin anfangs eine karge und triste winterliche Waldlandschaft. In ihr leben wunderliche Einsiedler, die zur kalten Jahreszeit aus den Wäldern kommen, um in ihrem Gasthaus zu überwintern. Durch die Variation von konkreten und vagen Beschreibungen erzeugte Stenzel dabei einen großen Spielraum für eigene Vorstellungen und Interpretaionen.

Die Erzählerin folgt schließlich einem Waldbewohner, der ihr von einer fabelhaften Welt erzählt, in der Satyrn und Nymphen berauschende Feste feiern. »Traum und Leben haben sich mit den Jahren vermischt«, erklärt er. Auch beim Zuhörer vermischten sich diese Eindrücke, die vom Fagottspiel Wiederholds noch verstärkt wurden. Zudem bot es eine gelungende Zäsur, um das Publikum auf die nachfolgende Geschichte hinzuführen.

In ihrer Geschichte »Kretische Feste«, die von der Sage des König Minos handelt, kreierte Stenzel neue Blickwinkel. Aus den Perspektiven der Ariadne, der Tochter Minos, und des Helden Theseus, Sohn des Athenischen Königs, geschildert, tauchte das Publikum in die Gefühlswelten der beiden Figuren ein. Stück für Stück baut Stenzel in ihrem Text das unvermeidliche Schicksal der beiden auf. Der mutige Sohn des Athener Königs, der als Opfergabe für den Minotaurus bestimmt ist, und die verliebte Ariadne, die ihren Liebsten retten will.

Durch den ständigen Wechsel der Perspektiven öffnete sich dem Publikum ein großes Spektrum an Gefühlen und Eindrücken der Figuren, die zu einer größeren Wahrnehmung führte. Das konstante Redetempo sorgte dafür, dass der Zuhörer den Geschichten gut folgen konnte. Die durch das Fagottspiel überbrückten Pausen boten eine gelungene Trennung, um das  Gehörte gut zu verarbeiteten.thp