Ausschuss für Umwelt, Energie und Bau

Ausbau der Tiedexer Straße ist erstmal vom Tisch

Ausbaubeiträge auch nach Senkung problematisch | Wiederkehrende Beiträge prüfen

Die Angelegenheit ist verschoben worden. Wie und wann sie gelöst wird, ist nicht klar, jetzt aber erst einmal nicht: Die geplante ­Umgestaltung der Tiedexer Straße war erneut Thema für die Politik. Der Ausschuss für Umwelt, Energie und Bau hat die vorgesehene Ausgestaltung zur Kenntnis genommen. Der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, die die Verwaltung noch einmal neu kalkuliert hatte, wollte der Ausschuss nicht zustimmen – das Gesamtpaket wurde verschoben.Damit verbunden ist der Auftrag, dass die Ver­waltung über die Einführung wiederkehrender Beiträge nachdenkt.

Einbeck. Zunächst erläuterte Jürgen Höper vom Sachgebiet Stadtentwicklung den Entwurf »As­phalt mittig«. Die Vorentwurfsplanung wurde unter anderem über das Fachwerk-Fünfeck finanziert. Es sei, so Höper, eine Lösung zwischen totaler Verkehrsberuhigung und stark am Status Quo orientiertem Vorschlag. Die Tiedexer Straße sei schon lange im Fokus und seit 2013 eine ­Straßenbaumaßnahme mit Priorität. Als »Magistrale der Baukultur« wurde sie für Förderprogramme angemeldet. Breitere Gehwege, veränderte Parkflächen, barrierearmer Ausbau, das war alles für kommendes Jahr geplant worden.

Mit dem Ausbau wären Straßenausbaubei­träge verbunden. Sie werden zur anteiligen ­Deckung des Aufwands für straßenbauliche Maßnahmen herangezogen.

Beitragspflichtig sind Grundstücke, die die Möglichkeit der Inanspruchnahme der verbesserten öffentlichen ­Einrichtung haben. Wie Kenneth Menge vom Sachgebiet Baufachliche Dienste der Stadtverwaltung erläuterte, sei man für den Bereich von der Brücke am Tiedexer Tor bis zum Marktplatz von Kosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro ausgegangen. Die Tiedexer Straße sei weder als Anlieger- noch als Durchgangsstraße eingestuft, sondern sie liege mit starkem innerörtlichem Verkehr dazwischen.

Der öffentliche Anteil betrage 750.000 Euro, 675.000 Euro seien auf die Anlieger umzulegen, aufgeteilt nach Grundstücksflächen. Die Ermittlung der Grundstücksdaten dauere noch an. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek ergänzte, die Verwaltung habe vorgeschlagen, eine Sondersatzung für die Tiedexer Straße zu erlassen und den Anliegeranteil für die Fahrbahn um zehn auf 30 Prozent zu reduzieren, den Gehweganteil um fünf auf 45 Prozent und den Parkplatzanteil um zehn auf 55 Prozent. Damit werde man der touristischen Bedeutung der Straße stärker gerecht; die An­liegerbeiträge würden sich in der Summe um 106.000 Euro verringern.

Das Heranziehen des Tiedexer Tores, um Kosten auf mehr Anwohner zu verteilen, sei kein großer Wurf gewesen, kritisierte Dietmar Bartels, Grüne: Dieser Effekt sei nicht eingetreten. Er erinnerte an seinen Antrag, die Ausbaubeiträge abzuschaffen und wiederkehrende Beträge für alle Bürger einzuführen.
Das Verfahren sei noch mit rechtlichen Un­sicherheiten behaftet, gab Kämmerin Brigitte Hankel zu bedenken. Außerdem stecke dahinter ein hoher Verwaltungsaufwand.

Unter anderem hätten Springe und Stade die Ausbaubeiträge abgeschafft und wiederkeh­rende Beiträge eingeführt, berichtete der Ausschussvorsitzende Willi Teutsch, CDU. In dem Thema stecke aber Brisanz. In Springe beispielsweise sei die Höhe der Beiträge geschätzt worden, so Manfred Helmke, Grüne. So hätten sich Beträge im dreistelligen Euro-Bereich ergeben, gegen die niemand etwas haben könne. Schätzung und spätere Abrechnung seien nicht rechtssicher, warnte die Bürgermeisterin.

Die Sanierung zu verschieben beziehungsweise so nicht umzusetzen, dafür sprach sich Dr. Marion Villmar-Doebeling, FDP, aus. Die Planung könne man so nicht umsetzen, wenn die Anlieger in dieser Höhe zahlen müssten. Zu­dem wollte sie den FDP-Antrag weiter verfolgt sehen, sich in Hannover um Förderung zu kümmern, denn es handele sich primär um eine touristische Maßnahme.

Vieles sei in dieser Diskussion richtig, stellte die Bürgermeisterin fest, aber das von der FDP ins Visier genommene Förderprogramm schließe »Kleinere Städte und Gemeinden«, wovon Einbeck schon profitiert habe, aus. Man habe das abgefragt. Für diese Maßnahme sei nichts möglich außer 10.000 Euro für den barrierefreien Ausbau.

Förderung werde natürlich geprüft, noch bevor eine Maßnahme im Haushalt stehe, be­tonte Brigitte Hankel. Sie warne davor, das Vorhaben zu schieben, erfahrungsgemäß verteuere es sich dann. Für die Bürger seien die Beiträge natürlich viel Geld, aber komplett darauf verzichten könne man nicht. Ein dauerhafter Beitrag werde dazu führen, dass über Jahre alle Bürger deutlich stärker belastet würden.

Auch mit dem »Rabatt« der Verwaltung komme man immer noch auf eine Spitzenbelastung von fast 15.000 Euro für private Anlieger, rechnete Rolf Hojnatzki, SPD, vor; der Durchschnitt liege bei 4.500 statt zuvor 5.300 Euro. Diese erheblichen Beträge werde die SPD nicht mittragen. Der touristische Wert werde überdeutlich, aber dennoch könne man sich den Ausbau zu diesen Bedingungen nicht leisten. Im kommenden Jahr sehe der Haushaltsplanentwurf 2,7 Millionen Euro Neuverschuldung vor. Außerdem sei eine Grundsteuererhöhung vorgeschlagen. Man könne nicht Schulden und eine Steuererhöhung für die Tiedexer Straße vorsehen. Vielmehr müsse man deutlich sagen, was man sich leisten könne und was nicht. Für seine Fraktion beantragte er, die Magistrale der Baukultur aus dem Haushaltsplanentwurf herauszunehmen beziehungsweise den Ausbau so lange zurückzustellen, bis Geld für solche Großprojekte vorhanden sei.

Willi Teutsch war der gleichen Meinung. Die Ausbaubeiträge würden die Sozialbindung des Eigentums um einiges übersteigen. Der Ausbau habe überörtlichen touristischen Charakter, deshalb müsse er stärker als öffentliche Maßnahme finanziert werden. Eine Wertsteigerung für die Eigentümer sehe man in dem Maße nicht. Er würdigte das Entgegenkommen der Verwaltung, aber es sei noch nicht ausreichend. Man werde allerdings immer wieder in solche Situationen kommen. Die Stadt habe rund 200 Kilometer Straßen, zwei Kilometer pro Jahr könne man ­sanieren. Doch das sei nicht das Ausmaß, das erforderlich sei.

Man sei angetreten, um Einbeck in die Zukunft zu führen, stellte Albert Thormann, GfE, fest. Die Zukunft sehe ein anderes Erscheinungsbild der Stadt vor, aber so könne man das nicht stemmen. Er sprach sich für eine Vertagung aus, um eine bessere Lösung zu finden.

Die zahlreichen Zuschauer nahmen diese Beiträge unter Beifall entgegen. Die Betroffenen, schlussfolgerte Willi Teutsch, seien damit einverstanden. Der Ausschuss hat die Planung zur Kenntnis genommen. Das Bauvorhaben selbst wird geschoben beziehungsweise auch aus dem Haushalt herausgenommen. Die Verwaltung hat die Aufgabe, über die Einführung wiederkehrender Beiträge nachzudenken.

Zufrieden äußerte sich Anja Linneweber als Sprecherin der Bürgerinitiative gegen die Straßenausbaubeiträge: Sie sei glücklich und beruhigt, denn diese Entscheidung habe sie so nicht erwartet. »Vernunft hat gesiegt«, freute sie sich. Die Anlieger stellten sich der touristischen Entwicklung der Stadt nicht entgegen, aber nicht auf dem Rücken einzelner Bürger. Der Ausschuss habe mit seiner klugen Entscheidung eine »kleine Katastrophe« verhindert und An­lieger möglicherweise vor dem finanziellen Ruin bewahrt, denn es hätten Summen von bis zu 36.000 Euro im Raum gestanden.

Dass das eine Entscheidung der Vernunft gewesen sei, wagte Willi Teutsch zu bezweifeln: »Das wird uns einholen.« Die öffentliche Hand sei allein nicht in der Lage, solche Vorhaben zu finanzieren. Man müsse sich aber auch mit der Diskussion zur Abschaffung der Beiträge aus­einandersetzen.ek