»Babrika-Händl« und Silberkreuze

»Stille Hunde« führen Dracula mit viel Wort- und Spielwitz auf

Das Göttinger Schauspielerduo »stille Hunde« gas­tierte kürzlich in der Einbecker Stadt­biblio­thek. Mit viel Witz, Charme, Rollenvielfalt und tagesaktuellen Anspielungen rissen Christoph Hu­ber und Stefan Dehler die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hin. In der szenischen Le­sung wurde Bram Stokers Roman »Dracula« umgesetzt.

Einbeck. Jonathan Harker (Dehler) wird beauftragt, nach Transsylvanien zu reisen, um dort dem Grafen Dracula einige Immobilien in England zu verkaufen. »Unter anderem Downing Street Number 10, da steht sowieso im Mai ein Wechsel an«, sagt sein Auftraggeber Haw­kins (Huber). Harker muss deswegen extra seine Hochzeit mit Mina Murray verschieben, »bei dem Gespräch ging ich durch die Hölle«, ver­sichert er. Nach einer beschwerlichen Reise er­reicht er die Karpaten und kehrt in einem Gasthaus ein, wo ihm ein mürrischer Wirt (Huber) ein »BabrikaHändl« serviert. Illustriert wurde dies mit einem schreiend gelben Gummihuhn, das im Laufe des Stücks noch öfter vorkommen sollte.

Obwohl ihm von einer alten Bäuerin (wieder Huber, der den Rollenwechsel mit einem lauten Seufzer und einem gemurmelten »Och ne« quittierte) von der Reise zum Schloss des Grafen abgeraten wird, besteigt er dennoch die Kutsche. Im Schloss trifft er auf Dracula (Huber), dessen lange schwarze Haare mit weißen Strähnchen das Publikum zum Lachen brachten. Nach Klärung des Geschäftlichen lässt der Graf ihn allein, da er »einen Friseurtermin« habe, »Strähnchen und so«. Harker wird in dieser Nacht jedoch von den Vampirgespielinnen des Grafen gebissen, doch sein Silberkreuz rettet ihn. Er kann den Fängen des Grafen nur mit Mühe entkommen.

Ein Rollenwechsel vollzog sich im zweiten Teil des Stücks, der in Englang spielt: Huber verkörperte nun den Vampirjäger Abraham van Helsing, Dehler glänzte in seiner Rolle als Dr. Seward, der eine Irrenanstalt leitet. Doch auch Dracula (nun Dehler) war auf die Insel gereist und hatte dort Lucy Westenra seine Fänge in den Leib geschlagen. Van Helsing klärt Seward über die Male an Lucys Hals auf: »Dies sind Bisse des gefährlichsten Wesens der Welt«, worauf Seward erwidert: »Meiner Schwiegermutter?»

Nun entwickelte sich ein munteres Scharmützel mit unzählbaren fliegenden Rollenwechseln der beiden Schauspieler. Dehler wurde binnen Sekunden mit einem angeklebten Schnurrbart zu Lord Godalming, Lucys Verlobten, mit Cowboyhut zu dem ebenfalls in sie verliebten Texaner Quincey P. Morris, zum Irrenhauspatienten Renfield, der Dracula seinen Meister nennt, und er wechselte blitzschnell zu Seward und trat schließlich wieder als Harker auf.

Das quietschende Gummihuhn wurde kurzerhand zu Lucy, Seward hoffte, »dass bei der Bluttransfusion keine Minderjährigen anwesend sind«. Dracula wird wegen seiner langen Haare mit »Tschüss, Ozzy Osbourne« von van Helsing verabschiedet, nachdem er Lucy endgültig ausgesaugt hat. Nachdem sie von Lord Godalming gepfählt wurde, machen sich van Helsing, Harker, Morris und Seward nach Transsylvanien auf, um Dracula endgültig auszuschalten.

Morris wird bei einem Feuergefecht in den Karpaten getötet, die Sterbeszene dauert un­endlich lang, was Huber zu dem Kommentar »Komm, mach hin« veranlasst. Dehler kontert: »Das hab ich nicht 14 Tage geübt, um es jetzt hier schnell runterzuleiern«. Zu guter Letzt kann Dracula aber besiegt werden.

Die beiden Schauspieler Christoph Huber und Stefan Dehler lieferten eine irrwitzige, rundum gelungene Leistung ab. Spontane Reaktionen auf das Publikum und dessen Einbindung in das Stück lockerten die ohnehin ausgelassene Stimmung noch zusätzlich auf. Running Gags waren das als »BabrikaHändl« titulierte Gummihuhn und das Silberkreuz, dass Harker an einer Kette um den Hals trug. In Ermangelung einer silbrigen Kette trug Huber ein ungefähr einen Meter großes Messingkreuz unter lautem Ächzen auf die Bühne.

Noch beeindruckender als der Wort und Spielwitz, den die beiden Göttinger an den Tag legten, war ihre Vielseitigkeit. Sie schlüpften in die verschiedensten Rollen, verstellten Tonlage und Gestik binnen Sekunden und lebten so ihre Figuren. Das dreistündige Spektakel in der Stadtbibliothek war eine perfekte Demonstration, wie man zu Zweit ein Publikum mitreißt und begeistert.ek