Baustelle wandert »nach unten«

Anlieger am Marktkirchturm könnten jetzt mehr Belastungen spüren / Beweissicherung

Weithin sichtbar: Am Marktkirchturm hat sich etwas getan. Das Gerüst wurde heruntergebaut, inzwischen sind die Handwerker nicht mehr ganz oben, am Oktogon, sondern am Turmquadrat angekommen. Wie es weitergeht, darüber hat die Bauleitung jetzt informiert. Von den dazu eingeladenen benachbarten Einbecker Geschäftsleuten, die mit dem weiteren »Absteigen« der Baustelle stärker von deren Auswirkungen betroffen sein werden, gab es allerdings kaum Interesse.

Einbeck. Der erste Bauabschnitt ist Anfang Mai beendet worden, das Oktogon konnte oberhalb der Turmuhr abgerüstet werden. Architekt Axel Holst vom Amt für Bau- und Kunstpflege als Bauleiter und Eberhard Thiemann, Fachingenieur für Natursteinarbeiten, haben über das weitere Vorgehen informiert.

Die Marktkirche St. Jacobi, dem Schutzpatron der fahrenden Kaufleute geweiht, stammt aus dem 13./14. Jahrhundert. Der 65 Meter hohe Turm wurde im 17./18. Jahrhundert in der heutigen Form errichtet. Auf unsicherem Untergrund gebaut, neigt er sich rund 1,50 Meter Richtung Westen. Deshalb wurde 1741 hier eine Stützmauer errichtet. Zur Finanzierung musste die Stadt Einbeck ihre letzten 17 Kanonen nach Celle verkaufen.

In den 50er, 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind immer wieder Schäden am Turm festgestellt worden. Sie wurden mit Steinersatzmasse auf Zementbasis repariert – ein Verfahren, das sich als wenig sinnvoll erwiesen hat. In der Folge haben sich große Stücke abgelöst, rund zehn Kubikmeter wurden per Hand abgetragen. Ein 2005/06 angebrachtes Fangnetz sollte Passanten vor herabfallenden Stücken schützen.

Ein 2008 erstelltes Gutachten attestierte dem Mauerwerk weitgehende Schäden – verbunden mit verschiedenen und durchweg teuren Sanierungsvarianten. Die favorisierte Restaurierung in Naturstein sollte zunächst 7,5 Millionen Euro kosten. Allerdings stellte sich bei weiteren Untersuchungen heraus, dass die Schäden am Mauerwerk nicht so groß sind wie zunächst gedacht. In Verbindung mit günstigen Ausschreibungen wurde ein Kostenvolumen von vier Millionen Euro ermittelt – verteilt auf vier Jahre und vier Bauabschnitte und je zur Hälfte von der Landeskirche und von der Stadt finanziert. Es beteiligen sich darüber hinaus die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa) sowie der Bund über den Beauftragten für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM).

Im Mai 2010 wurde die Baustelle eingerichtet, nach einem Jahr war der erste Bauabschnitt am Oktogon, dem oberen Teil des Turmes, beendet. Inzwischen konnte das Gerüst ein ganzes Stück verkürzt werden. Im zweiten Bauabschnitt nehmen sich die Handwerker nun das Turmquadrat vor. Auch hier wird Stein für Stein untersucht und Fehlerhaftes bei Bedarf erneuert, je nach Schädigungsgrad. Wichtig ist die Verbesserung der Wasserläufigkeit, das gilt auch für die Stützmauer.

Für die anliegenden Gebäude in der Marktstraße und am Marktplatz wird demnächst eine Beweissicherung durchgeführt, »wenn wir unterhalb Ihrer Firstlinie arbeiten«, kündigten die Fachleute an. Das heißt, dass die Fassaden der Häuser rund um den Turm mit einem Hubsteiger abgefahren und fotografiert werden. Außerdem werden die Fassaden anhand einer Farbkarte analysiert. Das geschieht einmal vor Beginn der Arbeiten und dann nach dem Abschluss. So sei es möglich, mögliche Beschädigungen im Zusammenhang mit den Arbeiten nachzuweisen. Er halte es zwar für »höchst unwahrscheinlich«, dass etwas passiere, so Eberhard Thiemann, aber wenn doch, könne man anhand der vorliegenden Daten über Reinigung oder Anstrich befinden.

Eine wichtige Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang den Netzen zu, mit denen das Gerüst überspannt ist: Sie halten den Staub innen, dicht an der Baustelle. Wenn die Anlieger bisher, abgesehen von Gerüst und Bauzaun, wenig von den Arbeiten bemerkt haben, könnte sich das mit den nächsten Abschnitten ändern: »Es wird ein bisschen lauter und staubiger«, kündigen die Verantwortlichen vorsichtshalber an. Bis 2013 soll jährlich ein Bauabschnitt abgearbeitet werden.ek