Zwei Jahre Besatzung lassen die Stadt verarmen
6.500 feindliche Soldaten in Einbeck | Vorschnelle Übergabe | Hinrichtung mit dem Schwert
Einbeck. Im Oktober 1641 wird Einbeck von der kaiserlichen Armee belagert. Die Befehlshaber Erzherzog Leopold und General Octavio Piccolomini setzen dem Stadtrat ein Ultimatum und drohen mit der Enthauptung des Stadtkommandanten, wenn Einbeck nicht noch am gleichen Tage übergeben wird. Meister Curd Brinkmann schrieb damals in das Gemeinheits-Gildenbuch: »Anno 1641, den 6. Octobris, ist diese Stadt Einbeck von Erzherzog Leopold und Piccolomini gar hart belagert und den 12. Octobris Abends um 7 Uhr aus 3 Feuermörsern Feuerkugeln, jede von 80-90 Pfund hereingeworfen ... .
Insgesammt 206 Wohnhäuser, in gar schneller Eil jämmerlich darnieder in die Asche gesetzt worden.« Der Rat und die Gilden waren in heller Aufregung und beratschlagten hektisch, was zu tun sei. »Schließlich befiehlt der Stadtrath den armen und verwüsteten Ort der Gnade des Erzherzogs.« Bis zu diesem Zeitpunkt war aber noch kein einziges der Außenwerke erobert worden, und es waren Truppen zur Verstärkung der Besatzung angekündigt.
Trotzdem übergab der Stadtkommandant Einbeck schon am nächsten Tag. Offensichtlich hatten das harte Ultimatum, das Feuer in der Stadt und die daraus resultierende allgemeine Verwirrung dem Kommandanten so sehr zugesetzt, dass er den kaiserlichen Forderungen ohne Rücksprache mit seinen Offizieren nachgab. Piccolomini brachte unverzüglich eine Besatzung in der Stadt. »Das Belagerungsheer bestand aus 2738 Mann Cavallerie und 3720 Mann Fussvolk.
In Einbeck fand es an Munition: 26 Tonnen Pulver, 6 Centner Lunten, 3500 Musketen und 24 Kanonen, dann an Vorrath 6886 Malter Getreide und 781 Stück Vieh.« Weil die Stadtbefestigung noch nicht angegriffen und Entsatz unterwegs war, wurden der Kommandant und seine Offiziere von seinem Landesherrn Landgraf Wilhelm von Hessen in Hildesheim vor ein Kriegsgericht gestellt. Zu ihrer Verteidigung brachten die Offiziere vor, es herrschte Mangel an Munition und an Lebensmitteln für die Soldaten, und es wurde schon eine Weile kein Sold mehr gezahlt.
Kommandant Görzgen nannte als Grund für seine vorzeitige Übergabe den Widerstand der Einbecker, die bei der Belagerung ihre Posten verlassen hatten. Der Stadtrat wies die Vorwürfe in einer eigenen Erklärung zurück und berichtete, dass noch während des Einmarsches der kaiserlichen Truppen die Soldaten des Stadtkommandanten, also die eigenen Truppen, die zum Löschen der Häuser abgestellt waren, sich an Plünderungen beteiligten.
Görzgen wurde zum Tode verurteilt, einige seiner Offiziere degradiert. Am 15. Dezember 1641 um 9 Uhr morgens auf dem Marktplatz von Hildesheim richtete der Henker den unglückseligen Kommandanten mit dem Schwert. Zwei lange Jahre blieb die Besatzung in der Stadt. »Während dieses Zeitraumes erreichte die Noth der Bürgerschaft eine furchtbare Höhe. Es mussten die Truppen nicht allein verpflegt werden, sondern es erhielt auch außerdem jeder Officier täglich einen Dukaten, ein Unterofficier 12 Mgr. [Mariengroschen] und jeder Gemeine 6 Mgr.«
Da der Krieg bereits seit vielen Jahren wütete, waren die Einbecker Reserven so gut wie aufgebraucht. Im Mai 1642 bat der Einbecker Rat die Stadt Braunschweig um ein Darlehen von 1.000 Talern. Doch auch Braunschweig hatte bisher so stark unter den Kriegshandlungen zu leiden, dass es selbst schon stark verschuldet war »und kaum die Zinsen erschwingen könnte.«
Einen weiteren Bericht lieferte der damalige Pastor der Münsterkirche, Johannes Velstenius, im Jahr 1643: »Die Häuser der Münstergemeinde sind zur Hälfte ruiniert und herunter gerissen, und die Bürger, so bis daher ihre Häuser conserviret, sind auf’s Aeußerste ausgezehrt und die meisten in Armuth gerathen ... .« Erst nach fast zwei Jahren schlossen der Kaiser und das Hause Braunschweig-Lüneburg Frieden. Die Besatzungstruppen zogen am 18. September 1643 ab.
Neuer Stadtkommandant unter der alten Herrschaft wurde Oberstleutnant von Berckefeld. Die weitere Geschichte der Stadt Einbeck in den Jahren von 1643 bis zum Ende des Krieges 1648 ist nicht genau bekannt. Auf jeden Fall musste die Stadt in dieser Zeit noch verschiedene Einquartierungen hinnehmen und Lebensmittel- und Geldzahlungen leisten. Der Westfälische Frieden beendete im 1648 den Dreißigjährigen Krieg. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde damit wiederhergestellt, und die Reichsstände erhielten die volle Landeshoheit.
Der Preis für diesen Frieden war hoch: Insgesamt starb ein Drittel der deutschen Bevölkerung an den Folgen des Krieges, in manchen Regionen sogar mehr als die Hälfte. Große Teile Deutschlands waren verwüstet, und es sollte noch Jahre dauern, bis das Land wieder zu wirtschaftlicher Blüte kam. Nach dem Friedensschluss von Osnabrück hatten die Einbecker keine kriegerischen Handlungen mehr zu befürchten. Allerdings »stellte die Stadt Einbeck und deren Umgebung ein trauriges Gemälde dar.« Alle Gärten um die Stadt waren verwüstet, »kein Zaun und keine Hecke mehr zu sehen.«wk