Ausschuss für Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Bewusstsein gegen Schotterflächen stärken

Bauordnung verbietet solche Versiegelungen | Private Gärten und öffentliche Grünflächen vielfältig bepflanzen

Schottergärten sind nach § 9 der Niedersächsischen Bauordnung verboten. Dennoch breiten sie sich immer weiter aus. Der Ausschuss für Klimaschutz und Nachhaltigkeit hat jetzt deutlich gemacht, dass private Gärten und öffentliche Grünflächen bienen- und insektenfreundlich gestaltet werden beziehungsweise Schotterflächen vermieden oder mindestens begrenzt werden sollen.

Einbeck. Manche sehen aus wie die Umgebung von Bahngleisen, andere sind etwas feiner bestückt, aber ökologisch ebenfalls nutzlos. Mit Schottergärten hat sich jetzt der Ausschuss für Klimaschutz und Nachhaltigkeit befasst. Anlass war ein Antrag der Grünen im Einbecker Rat zur Vermeidung von Flächenversiegelung. Die Verwaltung hat ein Vorschlagspaket ausgearbeitet, wie man die – ohnehin per Bauordnung jetzt schon verbotenen – Anlagen eindämmen beziehungsweise vermeiden kann.

Flyer »Bunt statt Grau«

Die Grünen-Fraktion hatte einen Antrag zur Vermeidung von Flächenversiegelung gestellt. »Warum schaffen wir es nicht, insbesondere Schottergärten anzugehen«, fragte Dietmar Bartels, Grüne, warum sei das so schwierig? Im Antrag geht es darum, dass sich die Stadt Einbeck aus Gründen des Klimaschutzes und der Biodiversität dafür aussprechen soll, dass private Gärten und öffentliche Grünflächen, Parks und Grünanlagen bienen- und insektenfreundlich bepflanzt und gestaltet werden. Gleichzeitig soll die Stadt auf das Versiegelungsverbot nach § 9 der Niedersächsischen Bauordnung hinweisen. Zur Vermeidung weiterer Versiegelungen soll die Stadt in neuen Bebauungsplänen diese Bestimmungen übernehmen. Dort steht, dass nicht überbaute Flächen Grünflächen sein müssen. Bei Baugebieten mit gültigem Bebauungsplan, die noch nicht bebaut sind, werden die Bauherren auf § 9 hingewiesen.

In der Begründung hatten die Grünen ausgeführt, dass in Zeiten von Klimakrise, Artenrückgang und Insektensterben jedem Quadratmeter begrünter und bepflanzter Fläche eine stärkere Bedeutung zukomme. Diese Inseln seien hilfreich und wichtig für das Kleinklima und die Biodiversität. Versiegelte Flächen wie Garagenzufahrten oder Schottergärten hätten negative Auswirkungen auf Wasserhaushalt, Biodiversität sowie Mikro- und Stadtklima. Das Wasser könne nicht mehr dem Grundwasser zugeführt werden. Außerdem werde das Abwassersystem zusätzlich belastet, was gerade bei Starkregenereignissen zu Überlastungen führen könne. Schottergärten würden zudem die Biodiversität im und auf dem Boden beeinträchtigen, denn nur wenige Tiere könnten auf den kahlen, verdichteten oder durch Folien abgesiegelten Flächen Nahrung oder Unterschlupf finden.

Die Verwaltung hat in ihrer Beurteilung des Antrags unter anderem auf den Flyer »Bunt statt Grau – Blühflächen statt Steinwüsten« des Landkreises Northeim verwiesen. Eine Übernahme von § 9 der Bauordnung in einen Bebauungsplan sei nicht möglich, da die Bauordnung grundsätzlich bereits neben einem Bebauungsplan gelte. Es könnten aber andere Vorschläge gemacht worden. Dabei müsse man davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Einwohner keine Kenntnis von § 9 habe. Die Maßnahmen zur lebensfeindlichen Zupflasterung und Verschotterung von Gartenflächen würden daher oft unreflektiert durchgeführt.

Jürgen Höper vom Sachgebiet Stadtentwicklung und Denkmalpflege stellte fest, dass dieses komplexe Thema mit allerlei Schwierigkeiten für die Handelnden verbunden sei. In der Diskussion gehe es dabei nicht um Ästhetik, sondern vor allem um die Wirkung auf die Lebensgrundlagen aller. Von »Gärten des Grauens« sei die Rede, von der »Klimakatastrophe vor dem Haus«. Falls die Entwicklung weiter um sich greifen würde, sei das sehr bedenklich.

Der Flyer des Landkreises werde bereits der Genehmigung von Bauanträgen beigefügt, um das Bewusstsein der Bauherren darauf zu lenken, berichtete er. Die Vorschriften der Niedersächsischen Bauordnung, hier eben § 9, seien gültig für alle, vergleichbar mit dem Halten an einer roten Ampel; die Vorschrift sei von Bauherren und Planverfassern einzuhalten. Man müsse allerdings sehen, dass die Planungen für die Freiflächen kein Thema von Baugenehmigungsvorgängen seien. Zudem habe die Bauaufsicht überwiegend keine Kenntnis und somit keine Zugriffsmöglichkeiten im Vorfeld. Auch würden die meisten Schotterflächen im Bestand entstehen, weil die Eigentümer keine Kenntnis des Verbots hätten und kein Problembewusstsein. Aktuell verfolge die Stadt einige »gravierende Fälle«, führte er aus. Man gehe dabei davon aus, dass sich diese Einzelfälle herumsprechen würden und entsprechende Effekte hätten.

Über Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan könne man die Umsetzung flächensparender städtebaulicher Konzepte festschreiben. Es könnte eine Festsetzung von Grünflächen erfolgen und von Flächen und Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft sowie zur Anpflanzung und zum Erhalt von Bäumen, Sträuchern und Bepflanzungen. Es gebe bereits örtliche Bauvorschriften zu Schotterflächen: So sei bei der ersten Änderung des Bebauungsplans Nummer 1 »Im Klappenfeld« in Drüber festgelegt, dass Gartenbereich beziehungsweise Freiflächen dauerhaft gärtnerisch zu bepflanzen oder zu begrünen seien, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich seien. Die Anlage von Stein- und Schottergärten sowie das dauerhafte Abdecken von Beeten oder das Einziehen von Folien sei mit Bezug auf § 9 innerhalb der Gartenbereiche beziehungsweise Freiflächen unzulässig. Für den Bebauungsplan Nummer 78 »Deinerlindenweg« in der Kernstadt gilt, dass auf den nicht überbauten Grundstücksflächen Kies- und Schotterflächen nur als bis zu 50 Zentimeter breite Drainagestreifen an Gebäuden oder geschotterte Wege mit einer maximalen Breite bis zu einem Meter zulässig sind.

Appell an das Bewusstsein der Bauherren

Es gebe, so das Fazit, viele baurechtliche Möglichkeiten, um Bodenversiegelung zu begrenzen. Dem aktuellen Phänomen der naturfernen Gestaltung von Wohn- beziehungsweise Baugrundstücken sollte man nicht ausschließlich mit dem Baurecht begegnen. Die Nutzung von Bestandsimmobilien schone Ressourcen am besten. Bei Neubauten komme es auf maßvolles und sparsames Bauen auf geringer Grundfläche an. Vielfältige Bepflanzung leiste einen Beitrag zu einem klimagerechten Quartier. Im Bebauungsplan stehe ein breites Instrumentarium zur Begrenzung von Versiegelung bereit. Die örtliche Bauvorschrift sei eine kleingliedrige Steuerung gegen Schotterflächen. Pauschale Vorgaben erschienen wenig sinnvoll. Die Vorstellungen dazu seien extrem unterschiedlich, räumte Höper ein. Immer mehr Eigentümer wollten eine einfache Gestaltung ihrer Grundstücke. Hier müsse die öffentliche Diskussion gegensteuern.

Aus dem Ausschuss gab es viel Lob für die Erläuterungen: Das sei »total klasse erklärt«, so Dieter Scholz, hinzugewähltes Mitglied. Gerade die Erkenntnisse über § 9 müsse man deutlicher machen. Auch Klaus-Reiner Schütte, SPD, dankte der Verwaltung, dass sie den Antrag der Grünen so vollständig aufgegriffen habe. Man müsse an das Bewusstsein der Bauherren appellieren, vor allem bei Veränderungen im Bestand. Die Verwaltung habe das Möglichste versucht, so Helmar Breuker, CDU. Man sollte sich, das hätten die Erläuterungen gezeigt, nicht auf Neubauten fokussieren, sondern auf den Bestand. Dafür könne man Anreize schaffen, etwas zu verbessern, etwa »Baum + Baum«, um so vielleicht eher etwas zu erreichen als mit der »juristischen Keule«. Mögliche Ausnahmen sprach Hilmar Kahle, FDP, an. Es komme weiter darauf an, deutlich zu machen, dass Schotterflächen gar nicht so pflegeleicht seien wie gedacht, sagte Christine Jordan. SPD: Man müsste die Vorteile »grüner« Gärten stärker hervorheben. An den CDU-Antrag zu einer »grünen Architektur« erinnerte Beatrix Tappe-Rostalski, CDU. Es sei gut, dass die Grünen das auf diese Weise aufgegriffen hätten. Sie hoffe, dass viele Bürger daran denken würden bei der Anlegung ihrer Gärten. Hochwasserschutz und Versiegelung passten nicht zusammen, warnte Ulrich Filmer, Vorsitzender der IG Hochwasserschutz, vor weiteren Auswirkungen.

Aufgabe für Klimaschutzmanager

Eingriffe seitens der Stadt seien möglich, sagte Jürgen Höper auf Nachfrage, das sei juristisch geklärt. Man müsse vor allem aber zu einer stärkeren Bewusstseinsbildung kommen. Das könne beispielsweise eine Aufgabe für den Klimaschutzmanager sein, den die Stadt einstellen wolle: Er könne das mit einer guten Kampagne begleiten. Zurzeit habe die Verwaltung nicht die notwendigen Kräfte, die man zu Kontrollen vor Ort einsetzen könne.
Einstimmig hat sich der Ausschuss dafür ausgesprochen, dass aus Gründen das Klimaschutzes und der Biodiversität private Gärten und öffentliche Grünflächen, Parks und Grünanlagen bienen- und insektenfreundlich bepflanzt und gestaltet werden sollen. Ausdrücklich wird auf das Versiegelungsverbot in der Bauordnung hingewiesen. In Bebauungsvorschläge soll künftig eine örtliche Bauvorschrift zur Vermeidung und Begrenzung von Schotterflächen aufgenommen werden, soweit dies im jeweiligen Bebauungsplan zielführend ist.

Er freue sich über die breite Zustimmung, bilanziert Dietmar Bartels, und er sei zufrieden, dass gegen die »schlimmsten Gärten des Grauens« vorgegangen werde.ek