Brauhaus-Aktionäre müssen erneut auf Dividende verzichten

Schlechtes Wetter, fehlender Bierdurst: 2010 schließt mit einem satten Bilanzverlust / Aber 2011 besser angelaufen / Kapitalerhöhung

Die Aktionäre waren nicht sonderlich zufrieden: Zum zweiten Mal in Folge kann das Einbecker Brauhaus keine Dividende zahlen. Mit Walter Schmidt wurde zudem bei der Hauptversammlung am gestrigen Dienstag ein neues Vorstandsmitglied vorgestellt. Dem bisherigen Vorstand Bernhard A. Gödde ist Mitte Mai fristlos gekündigt worden. Um mehr Liquidität ins Unternehmen zu bringen, ist eine Kapitalerhöhung in Höhe von vier Millionen Euro vorgesehen. Die Aktionäre stimmten ...

Einbeck. Vor dem Bericht von Vorstandssprecher Lothar Gauß stellte sich Walter Schmidt als neuer Vorstand vor. Der 59-Jährige hat seine berufliche Laufbahn vor 37 Jahren in Einbeck im Vertrieb des Brauhauses begonnen. Anschließend war er bei Hasseröder, das sich in die Top 10 auf dem deutschen Biermarkt vorgearbeitet habe. Nach dem Verkauf habe er festgestellt, dass er »kein Konzernmensch« sei, und so sei er zur Dithmarscher Privatbrauerei gewechselt, wo er ab 1997 alleiniger Geschäftsführer war. Das sei, so Schmidt, wieder eine neue Erfahrung gewesen, die Chancen, von Regionalität und Lokalität zu sehen. Dieses Wissen wolle er in Einbeck gewinnbringend einsetzen. Der Kontakt zu den Einbeckern sei nie wirklich abgerissen, sein Einbecker-Herz habe immer weiter geschlagen. Mit Lothar Gauß verbinde ihn eine mehr als gegenseitige Wertschätzung. Gemeinsam wolle man den Blick nach vorn richten und an einem Strang ziehen: »Schenken Sie mir Ihr Vertrauen«, bat er die Aktionäre, dann gebe es gute Aussichten, im hart umkämpften Biermarkt zu bestehen. Für Hobbys habe er bei seinem Beruf nicht viel Freiraum, berichtete er weiter. Früher sei er passionierter Angler gewesen, inzwischen Bastler, Familienmensch und Hundefreund.

Nach der Hauptversammlung 2010 sei das Geschäft komplett anders gelaufen als zunächst prognostiziert, räumte Vorstandssprecher Lothar Gauß in seinem Bericht aus. Ein deutlicher Erlösrückgang führte zu einem Jahresfehlbetrag. Ursachen waren im allgemeinen Biermarkt zu sehen, die Aktionäre machten allerdings auch »hausgemachte« Gründe aus.

Seit mehr als zwei Jahrzehnte entwickele sich der Biermarkt in Deutschland negativ, so Gauß. Zum nachlassenden Bierdurst kämen als jüngste Entwicklungen die eingeschränkte Verfügbarkeit von Bier sowie Konsumbeschränkungen. Ein weiterer Grund für den fehlenden Absatz im vergangenen Jahr sei das Wetter gewesen. Nach einer anhaltend schlechten Phase folgten nur zwei Monate mit besseren Bedingungen, im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft brachte das auch Absatzzuwächse. Der Wirtschaftsauschwung habe sich auf dem deutschen Biermarkt nicht ausgewirkt, so Gauß weiter. Weiter gebe es beständigen Druck, beispielsweise durch Aktionspreise – immer größere Menge würden auf diese Weise abgesetzt.

Mit 770.679 Hektolitern bewegten sich die Einbecker noch im oberen Segment der Bierbrauer, nach weiteren Konsolidierungen noch 108 an der Zahl. Der Gesamtabsatz lag um 3,4 Prozent unter dem des Vorjahres, eingeschlossen waren da die für Efes hergestellten Mengen. Der Absatz der Eigenmarken betrug 562.325 Hektoliter, das waren 4,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Nur gering waren die Verluste im Premiumbereich. Das Exportvolumen belief sich auf relativ konstantem Niveau auf rund 30.000 Hektoliter. Insgesamt müsse man feststellen, dass sich die im ersten Halbjahr initiierten Maßnahmen Ende 2010 nicht ausgezahlt hätten. Man wolle die Marken nicht einem dauerhaften Werteverfall unterziehen.

Die Bilanzsumme verringerte sich um 600.000 Euro auf 39,6 Millionen Euro. Für 2010 könne, so Gauß, kein Bilanzgewinn und keine ausschüttungsfähige Dividende ausgewiesen werden. Die Umsatzerlöse gingen um rund 2,4 Millionen Euro zurück, was ausschließlich auf verminderten Biererlösen beruhte. Die Personalkosten konnten unter anderem durch den Rückgang der Mitarbeiterzahl sowie durch den teilweisen Verzicht auf Gehaltsansprüche gesenkt werden. Auch Gauß selbst hat auf den variablen Teil seiner Vorstandsbezüge verzichtet. Der Bilanzverlust beläuft sich auf 1.312.840,01 Euro.

Nach wenig erfreulichen Zahlen konnte Gauß aber auf einen Lichtblick schauen: »Wir sind mit dem Ergebnis des ersten Halbjahres zufrieden, wir haben den Turnaround geschafft, wir schreiben wieder schwarze Zahlen«, teilte er mit. Aktuell weise man ein positives Ergebnis im mittleren sechsstelligen Bereich aus. »Ein Bündel an Maßnahmen hat uns auf die Erfolgsspur zurückgeführt.« Auf der Absatzseite liege man über dem Plan, und aufgrund langfristiger Rohstoffkontrakte bleibe man von den gegenwärtigen starken Preiserhöhungen unberührt. Der Konsolidierungskurs sollte im zweiten Halbjahr fortgeführt werden. »Wir wollen weiter als Premiumanbieter im Heimatmarkt und als überregionaler Anbieter unserer Bockbier-Spezialitäten auftreten.« Gauß kündigte an, sich wieder verstärkt dem Kernmarkt zu widmen, wobei die Konsumbiermarken eine große Rolle spielten. Der Rückgang des Pro-Kopf-Verbrauchs werde weiter anhalten.

Mit einer Barkapitalerhöhung soll die finanzielle Basis zur Finanzierung der Investitionen geschaffen werden. Der Bezugspreis der Aktien wird bei elf Euro liegen. Somit rechnet die AG mit einem Liquiditätszufluss von rund vier Millionen Euro. Investitionen sollten nicht mit der Brechstange, sondern selektiv, strukturiert und vor allem ergebnisorientiert durchgeführt werden. Die Wirksamkeit des neuen Markenauftritts werde noch einige Zeit dauern. Gerade beim Einbecker Pilsener sei eine Überarbeitung notwendig. Mit Bockbier wolle man nach und nach das Absatzgebiet erweitern Die Verbindung Einbeck – Bockbier sei eine Kernbotschaft. Auch Veranstaltungen und Feste der Region sollen – wieder – belebt werden. Mit dem neu gewonnenen finanziellen Spielraum sollen gezielte Investitionen in Technik und Logistik am Standort Einbeck vorgenommen werden. Dagegen sei es nicht sicher, ob langfristig der Standort Kassel in einem rückläufigen Biermarkt aufrecht erhalten werden könnten. Alle Maßnahmen hätten das Ziel, das Einbecker Brauhaus in eine gesicherte und ertragreiche Zukunft zu führen. Angesichts der vorgelegten Zahlen sparten die Aktionäre erwartungsgemäß nicht mit kritischen Fragen und Verbesserungsvorschlägen. »Schuld seien immer nur die anderen«, diesen Eindruck könne man nach den Ausführungen leicht bekommen, hieß es. Dem Aufsichtsrat wurde vorgeworfen, er schlafe. Nur mit Mühe sei ein Konkurs abgewendet worden, jetzt müsse es darum gehen, wieder Liquidität ins Unternehmen zu bringen. Auch die Abberufung von Bernhard A. Gödde beziehungsweise die Kommunikation dazu stieß auf Kritik.

Natürlich sei der Vorstand der einzig Schuldige, sagte Lothar Gauß: Er trage die Verantwortung für die Geschäfte, sowohl dann, wenn es gut laufe, als auch dann, wenn es daneben gehe. Diesen Schuh ziehe er sich an, er habe das Jahresergebnis mit zu verantworten. Der Vertrag mit Bernhard Gödde sei Mitte Mai gelöst worden aus »wichtigem Grund«. Vorausgegangen war die Ankündigung, den Vertrag über das Jahresende 2011 nicht zu verlängern. Zum 1. Juli habe Walter Schmidt nun seine Arbeit aufgenommen. Für die Kapitalerhöhung sei vorgesehen, 360.000 Aktien zu verkaufen, wobei man bereits mit einem Investor im Gespräch sei, der nicht gezeichnete Aktien übernehmen wolle. Fast einstimmig sprachen sich die Aktionäre für eine Entlastung von Vorstand Lothar Gauß aus, Bernhard A. Gödde wurde sie dagegen mit 81,64 Prozent der abgegebenen Stimmen versagt. Ebenfalls deutlich fielen die Entlastung des Aufsichtsrates sowie die (Wieder-)Wahl der Aufsichtsratsmitglieder Robert A. Depener, Reinhard Ender, Kai-F. Binder und Dr. Wilhelm Helms aus. Anwesend waren 55,93 Prozent des Grundkapital.ek