Bund der Steuerzahler fragt an

Schadensersatz für erfolglose 380-kV-Klage: Über sich selbst zu Gericht sitzen?

Die erfolglose Klage der Stadt Einbeck vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die 380-kV-Höchst­spannungstrasse Wahle-Mecklar beziehungsweise die Frage von Kosten und Haftung dafür beschäftigt inzwischen den Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen.

Einbeck/Hannover. Es gehe, so Jan Vermöhlen, Haushaltsreferent der Organisation, um einen Fall von möglicher Schadensersatzpflicht städtischer Abgeordneter des Verwaltungsausschusses (VA) wegen einer grob fahrlässigen Entscheidung, die zu einem finanziellen Schaden der Stadt geführt habe. Besondere Brisanz komme dem Fall aus Sicht des Bundes der Steuerzahler zu, weil die Mitglieder des VA über ihre eigene Inhaftungnahme zu befinden hatten und diese – wenig überraschend – abgelehnt hätten.

»Wir haben uns in dieser Angelegenheit bereits im Januar an die Kommunalaufsicht des Landkreises gewandt, um den Fall prüfen zu lassen«, so Jan Vermöhlen. »Aus unserer Sicht ist es nicht hinnehmbar, dass Gremien über sich selbst zu Gericht zu sitzen. In Kopie haben wir den Vorgang auch dem Innenministerium als oberster Kommunalaufsichtsbehörde zur Kenntnis gebracht.«

Im Schreiben an die Landrätin heißt es, wegen der Selbstbetroffenheit von Mitgliedern des VA komme der Angelegenheit besondere Brisanz zu.

Der VA hatte im Januar mit Mehrheit die Verwaltung beauftragt, gegen den Planfeststellungsbeschluss der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zur geplanten 380-kV-Höchstspannungsleitung Klage zu erheben. Dies ist noch am selben Tag erfolgt. Die Verwaltung hatte zuvor über das Procedere zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage informiert. Es sei im Anschluss dringend empfohlen worden, mangels Erfolgsaussichten keine Klage zu erheben, heißt es in dem Schreiben an die Landrätin. Dies lege auch eine Pressemitteilung einer Fraktion vom 8. Januar 2018 nahe. Daraus geh hervor, dass der Wunsch zur Klageerhebung nicht auf einer juristischen Bewertung fuße, sondern politisch motiviert gewesen sei.

Anfang April 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Klage der Stadt Einbeck abgewiesen und der Stadt die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dabei sei ein Schaden in Höhe von 13.251,30 Euro entstanden. Da das Klageverfahren laut Stadt keine Aussicht auf Erfolg hatte und dies dem Verwaltungsausschuss auch eindeutig so dargelegt worden sei, könnten sich die VA-Mitglieder, die trotzdem für eine Klageerhebung gestimmt hätten, möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht haben. Die Stadt be­ziehungsweise die übergeordnete Rechts­aufsicht hätte die Abgeordneten für den entstandenen Schaden persönlich in Regress zu nehmen.

Im vergangenen September wurde von der Verwaltung empfohlen, die VA-Mitglieder, die für die Klageerhebung gestimmt hätten, entsprechend in Anspruch zu nehmen. Diese Empfehlung wurde mehrheitlich abgelehnt. Aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Angelegenheit wurde das Thema Anfang Dezember um Rat öffentlich gemacht.

Der Fall stoße, so schreibt der Bund der Steuerzahler weiter,»naturgemäß« bei ihm auf Interesse, und er stellt der Landrätin im Schreiben vom 28. Januar verschiedene Fragen: Ob der Landkreis in seiner Funktion als Kommunalaufsicht prüfe, ob gegen einzelne VA-Mitglieder ein Ersatzanspruch geltend zu machen sei? Ob gegebenenfalls ein – welches? – Ergebnis der Prüfung vorliege? Warum sich der Landkreis in der Angelegenheit möglicherweise nicht zuständig sehe? Welche kommunale oder staat­liche Instanz zuständig wäre, um »in der Einbecker Angelegenheit« Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden? Diese Frage stelle sich vor allem, da mit dem VA ein kommunales Gremium damit betraut wurde, über die eigene Entscheidung »zu Gericht zusitzen. Und schließlich wird danach gefragt, ob anstelle des VA gegebenenfalls ein Ersatzgremium, etwa der Rat, zu beauftragen gewesen wäre.

Unterzeichnet haben der Landesvorsitzende Bernhard Zentgraf und Jan Vermöhlen. Eine Stellungnahme des Landkreises liege dem Bund der Steuerzahler nach vier Wochen bisher nicht vor, hieß es abschließend.ek