Zeigen, dass Lebensmittel etwas wert sind

CDU-Kreisverband diskutiert zum Thema Zucker und gesunde Ernährung | Es gilt: Die Menge macht’s

Einbeck. »Die Dosis macht das Gift«, auf das Paracelsus-Zitat konnten sich die Diskussionsteilnehmer einigen, wenn auch mit Bedenken beim Wort »Gift«. Über Zucker in Lebensmitteln und einen Zusammenhang mit gesunder Ernährung hat der CDU-Kreisverband Northeim jetzt diskutiert. Dazu waren eine Reihe von Fachleuten eingeladen, die mit dem Publikum ins Gespräch kamen. Zucker sei ein wichtiges Thema für die Region, stellte der Vorsitzende des Arbeitskreises Landwirtschaft des CDU-Kreisverbandes Northeim, der Landwirt Christoph von Breitenbuch, fest. Das gelte sowohl für die Produktion als auch für die Züchtung, beides seit Generationen hier zuhause. Gesund mit Zucker: Dazu sei viel Aufklärung möglich. »Zucker ist ein gutes Produkt, es kommt auf die Dosierung an«, dieser Aussage konnten sich die Diskussionsteilnehmer anschließen. Der CDU-Kreisvorsitzende, der Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Dr. Roy Kühne, erläuterte, dass es viele Mythen und Gerüchte rund um den Zucker gebe. Er sei deshalb gespannt auf Umfrageergebnisse der Berufsbildenden Schulen Einbeck, die das Thema beleuchtet hätten. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Maria Flachsbarth, bestätigte, dass Verbraucher verunsichert seien, wenn es um den Zusammenhang von Zucker und gesunder Ernährung gehe. Es gebe allerdings wenig Wissen, unter welchen Bedingungen Nahrungsmittel generell erzeugt würden. Lebensmittel seien verfügbar und billig. Das führe dazu, dass sie häufig nicht die verdiente Wertschätzung erhielten. »Essen ist mehr als Kalorienzufuhr, es ist ein Stück deutscher und auch regionaler Kultur.« Der Spruch, dass Essen Leib und Seele zusammenhalte, komme nicht von ungefähr. Aber Essen dürfe nicht zur Glaubensfrage werden. Große Sorge mache sich die Politik um den Anstieg bei ernährungsbedingten Krankheiten, die auch hohe Kosten für die Volkswirtschaft bedeuteten. Bevormundung und Strafsteuern seien dabei aber nicht gewünscht, sondern vielmehr Aufklärung und die Erweiterung fachlicher Kompetenz: »Durch Wissen zum Wandel«, so müsse es gehen, und mehr Bewegung und gute Ernährung könnten dem entgegen wirken. Deshalb sei Ernährung ein wichtiges Anliegen für den Schulunterricht, wobei man allerdings nicht alle Kultusminister überzeugt habe. Weniger Zucker, Salz und Fette in Fertigprodukten, das seien Vorgaben, die man gesetzlich umsetzen könne. »Wir wollen aber keinen Einheitsgeschmack.« Zucker sei etwas, das Lebensmitteln Struktur gebe. Er sollte nicht durch andere Produkte ersetzt werden, die nicht dieselbe Wirkung hätten beziehungsweise sogar schaden könnten. Der Leiter Corporate Communications und Public Affairs der Nordzucker AG, Christian Kionka, stellte fest: »Gesund mit Zucker - das geht.« Zucker sei ein Stoff aus der Natur, ein natürlicher Bestandteil ausgewogener Ernährung. Wenn man sich ein Lebensmittel ohne Zucker und Fett vorstelle, könne man auch eine Serviette essen. Es gebe keine gesunden oder ungesunden Lebensmittel, sondern die Menge sei entscheidend beziehungsweise die Energiebilanz. Sie müsse stimmen, gerade bei einem Lebensstil mit wenig Bewegung. Genetik, Veranlagung und Verhalten seien allerdings nur drei von etwa 100 Faktoren für Übergewicht. Die Reduzierung des Zuckers in der Nahrung sei nur ein Baustein. Einzelne Nährstoffe sollte man nicht verteufeln. Leider sei viel Wissen über die Zubereitung und Herkunft von Lebensmitteln verloren gegangen. Hier wirkten beispielsweise Schulen wie die BBS, an denen praktischer Umgang vermittelt werden, oder der Schulbauernhof in Hardegsen dagegen. Die Zuckerrübe, fuhr er fort, sei wichtig für die Fruchtfolge. Sie trage zu nachhaltigem Anbau bei, und über das Unternehmen Nordzucker würden Arbeitsplätze im ländlichen Raum gesichert. Zucker stehe für Genuss und Lebensfreude, das sollte man nicht vergessen. Ergebnisse zum Thema stellten Gymnasiasten des zwölften Jahrgangs des Beruflichen Gymnasiums Ökotrophologie vor. Zucker allein macht nicht dick, und Honig hat die gleiche Kalorienzahl wie Zucker. Brauner und weißer Zucker weisen keine Unterschied im gesundheitlichen Nutzen oder Schaden auf, und Light-Produkte sind nicht generell gesünder. Um den Wert von Lebensmitteln ging es in der anschließenden Diskussion: Der Verbraucher wolle Fleisch für 1,99 Euro auf einen 1.000-Euro-Grill legen, kritisierte Maria Flachsbarth. Was Lebensmitteln kosten dürften, sei eine Frage der Haltungsbedingungen, und hier seien keine gleichen Voraussetzungen geschaffen, kritisierte Christoph von Breitenbuch. So zeige der jüngste Eierskandal, das man keine Kontrolle über die Produktion im Ausland habe: »Wir wollen die Wertschöpfung hier.« Dr. Andreas Schneider, politischer Berater im EU-Parlament, kritisierte, dass die von der EU angeordnete Regulierung den Nationalstaaten nicht ausreiche: Sie sattelten häufig noch etwas drauf. Die Teamleiterin Ökotrophologie der BBS Einbeck, Heike Teves, betonte, dass man mit Kenntnissen zum gesunden Essen an der Basis anfangen müsse - schon in den Grundschulen. Das Wissen sei durchaus vorhanden, das Verhalten nicht. Es wäre wichtig, in nachhaltige Bildung zu Ernährung zu investieren. Wenn sie etwa fertigen Eierkuchenteig in Flaschen sehe, überkomme sie das kalte Grausen. Genetisch sei der Mensch auf »süß« programmiert, das sei auch mit der Evolution zu begründen: »Süß« bedeute energiereich und nicht giftig. Dass ein solcher Überfluss an - süßen - Lebensmitteln vorhanden sei, sei evolutionär erst seit kurzem der Fall. Das Gehirn brauche Glukose zum Arbeiten, aber man müsse auf die Zusammensetzung der Nahrung achten und nicht nur industrielle Fertigprodukte zu sich nehmen, sondern beispielsweise auf Obst und Gemüse setzen. Zucker sei ein Genussmittel. Ein Verbot werde es vermutlich erst richtig attraktiv machen. Der Anteil von verarbeiteten Lebensmitteln habe sie in den letzten Jahren erhöht, berichtete Christian Kionka. Kleine Haushalte kochten immer weniger selbst, weil die Zeit fehle und weil es einfacher sei. Aus dem Publikum wurde kritisch angemerkt, dass beispielsweise Kochen in der Schule nur unzureichend vermittelt werde. Es sei nicht so, dass jeder »Haushalt« könne. Vermutlich sei die Mikrowelle in vielen Designerküchen das wichtigste Gerät. Allerdings müsse man sich klarmachen, dass mehr Informationen bei denen, die sich »zwischen Sofa und Pommesbude« bewegten, vermutlich nicht ankomme. Wichtig wäre es, in mehr Gesundheitskompetenz zu investieren und zwar aus seriösen Quellen. Außerdem müsse man deutlich machen, dass Lebensmittel eine Wertigkeit hätten - Geiz sei eben nicht geil. Wenn es um diese Wertigkeit gehe, sei der Handel eine bestimmende Kraft. Die Produzenten, die Landwirte, würden kaum mit einbezogen. Sie müssten sich mehr aktiv darstellen.ek