Weihnachten in der Cestnik-Galerie

Weniger ist mehr: Drei Ölbilder von Franz Cestnik thematisieren Kunstfertigkeiten

»Die Cellospielerin«, ein Ölbild von 1991, gehört zu den Werken, die gerade neu in der Cestnik-Galerie in der Tiedexer Straße zu sehen sind.

Einbeck. In der Stadt ist das nahende Weihnachtsfest nicht zu übersehen. Auch die Cestnik-Galerie in der Tiedexer Straße ist neu dekoriert. Drei Ölbilder werden gezeigt: ein tanzendes Paar (1989), eine Cellospielerin (1991) und ein Clown von 1998. Man sieht also Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, anderen mit ihrer Kunstfertigkeit Vergnügen zu bereiten. Weihnachten und nur drei Bilder, so könnte man fragen, wo dieses Fest sich in unseren Breitengraden doch eher durch Überfluss auszeichnet. Obendrein wäre zu klären, was an den drei Gemälden weihnachtlich sein soll.

Wer sich in Franz Cestniks Werk auch nur ein wenig auskennt weiß, dass der Künstler die Art besinnlich-romantisierender Empfindungen, die an Weihnachten exzessiv ausgelebt wird, so gut wie nie bedient hat. Vor allem seine Menschenbilder sind nicht selten im eher unspektakulären Alltag angesiedelt. Um dem Prunk, der rund um die Feiertage zelebriert wird, trotzdem Tribut zu zollen, haben die Kuratoren Gemälde ausgewählt, die auf eine etwas andere Weise Festlichkeit, Glanz und eine prächtige Atmosphäre verbreiten.

Alle ausgestellten Gemälde verbindet eine tiefgründige Farbigkeit bei gleichzeitig reduzierter Farbpalette. Sie strahlen und künden von der Meisterschaft, die sich Franz Cestnik im Lauf der Jahrzehnte im Umgang mit Leinwand und Ölfarbe erarbeitet hat. Sein lasierender Farbauftrag gibt selbst den flächigen Partien des Malgrundes Tiefe und Leuchtkraft. Außerdem sind die Bilder sehr harmonisch gestaltet. Man sieht ihnen förmlich an, dass der Künstler sich daran erfreute, die schönen Seiten des Lebens zu zelebrieren - maßvoll allerdings und versetzt mit einem Hauch von Melancholie. Die feierliche Aura erzeugt sehr unterschiedliche Stimmungen.

Bei der Cellospielerin verströmen die dominierenden rötlich-brauen Farbtöne Wärme und Geborgenheit. Bei aller Traurigkeit und Schwermut, die das Bild mit dem Clown ebenfalls charakterisiert, ist auch hier diese Wärme - und zumindest die Hoffnung auf Geborgenheit - zu spüren.

Das leuchtende Blau der Kostüme des tanzenden Paares hingegen versetzt den Betrachter in einen festlich-weihevollen Gemütszustand. Das Clownsbild ist das rätselhafteste und ambivalenteste der drei Exponate. Er ist einsam. Seine Gefährtin, der er gern eine Blume überreichen möchte, ist nur als Bild im Bild präsent. Aber auch eine Taube ist zu sehen, Sinnbild des Friedens, der Unschuld und der Treue und die anheimelnde Wärme des Raumes, in dem die Szene spielt, ist spürbar. Mit dem »Tanz« genannten Bild zeigt Franz Cestnik kein Wochenendvergnügen in einem Tanzlokal, sondern die moderne Kunstform des Ausdruckstanzes, die unmittelbarer als das klassische Ballett menschliche Gefühle darstellen will.

So wie Cestnik dieses Genre ins Bild rückt, ist garantiert, dass sich die Betrachter über die Ebenen des Alltags erhoben fühlen. Das Bild der Cellistin wirkt ähnlich. Stärker noch als bei der harmonischen Innigkeit des tanzenden Paares verschmelzen die musizierende Frau und ihr Instrument zu einer Einheit.

Franz Cestnik fühlte sich mächtig zur Musik hingezogen, viele seiner Bilderfindungen widmen sich diesem Thema und künden von den Glücksgefühlen, die sie bereiten kann. Bei dem aktuell ausgestellten Bild werden ihre besondere Kraft und ihr einzigartiger Zauber auf perfekte Art und Weise deutlich. Nur sie schafft es, die Menschen in eine völlig andere Welt zu entführen, die mit Worten nicht zu beschreiben ist und die sich auch stark gegen eine Bearbeitung mit bildnerischen Mitteln sperrt, denn Töne, geschweige denn Melodien kann man nicht malen, allenfalls das, was sie beim Zuhörer oder Musiker bewirken. Dazu ist nicht jeder Maler in der Lage.

Um das zu schaffen, bedarf es einer inneren Musikalität, die vor allem im formalen Umgang mit dem Thema, der Komposition des Bildes, erkennbar wird. Die Cellistin scheint in den von ihr mittels ihres Instruments erzeugten Klängen zu versinken. Das wird visualisiert durch die Darstellung der Figur, die ihren Kopf innig zum Cello herab neigt. Auch die Farbgebung des Bildes unterstreicht den Zauber der Musik. Der warme Holzton des Streichinstruments wird hinterfangen von der Figur der Musikerin mit ihrem von dunkel nach hell changierenden blauen Kleid. Der Kontrast zwischen kalten und warmen Farbtönen bringt das Instrument zum Leuchten.

So wird die besondere Klangfarbe des Violoncellos in einer synästhetischen Vermischung der Sinnesebenen nicht nur hör-, sondern auch sichtbar. Viele Bewunderer und Sammler Franz Cestniks liebten die Atmosphäre, die Bilder wie die jetzt gezeigten verbreiten. Er selbst, der ansonsten seinen Arbeiten gegenüber sehr kritisch war, mochte die Cellospielerin auch und tat sich schwer, sie wegzugeben.

Als das Gemälde nach vier Jahren doch verkauft wurde, war sein Bedauern darüber deutlich spürbar. Auch der Tanz wurde an einen Privatsammler verkauft, weshalb bei der aktuellen Präsentation nur ein Original und zwei größenmäßig mit den Originalen identische Reproduktionen gezeigt werden. Dies ist gerechtfertigt, weil es einer Verzerrung des Gesamtwerks von Cestnik gleich käme, wenn in der Galerie immer nur Bilder aus dem beim Künstler verbliebenen Bestand gezeigt würden.

Die prächtigen und froh gestimmten Bilder fanden schneller den Weg zu Sammlern, im Atelier zurück blieben die tendenziell komplizierteren, nicht immer einfach zu konsumierenden Werke, die sich nicht jeder als Schmuck für die häuslichen vier Wände vorstellen konnte. Bei dem Bild der Cellistin ergibt sich sogar noch ein direkter Bezug zu Weihnachten: Franz Cestnik hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, an Freunde Weihnachtsgrüße zu schicken.

Er verwendete in der Regel nicht die üblichen Grußkarten, sondern verschickte Fotografien seiner Arbeiten, meist von solchen, die zuletzt entstanden waren. 1995 ließ die Landsberger Galeristin Dorothea Raasch anlässlich einer Ausstellung von Werken Franz Cestniks, bei der die Cellistin dann auch verkauft wurde, als Werbematerial für dieses Ereignis eine Karte mit diesem Motiv drucken. Mit ihr grüßte er seine Freunde gern.oh