»Cooktown ist die größte offene Irrenanstalt der Welt«

Detlef Bierstedt und Thomas Kapielski lesen Storys bekannter Autoren über das Bier / Teils philosophisch, teils brüllend komisch

»Bier, Bier, Bier - wie es auch komme« lautete der Titel einer literarischen Biervesper im Alten Rathaus in Einbeck. Detlef Bierstedt, der deutsche Synchronsprecher von George Clooney und Bill Pullmann, sowie der Berliner Schriftsteller Thomas Kapielski unterhielten das Publikum mit launischen Geschichten bekannter Autoren über den Gerstensaft.

Einbeck. Andre Reutzel begrüßte die Anwesenden im Namen der Stadt und sprach der VGH, die das Literaturfest Niedersachsen veranstaltet, ein »großes Kompliment für die Wahl Einbecks« aus. Für ein Thema über das Bier gebe es »wohl keinen besseren Ort«. Bier und Literatur seien beides Verlockungen: leibliche und geistige. Er dankte der Einbecker Brauhaus AG und der Fleischerei Breitzke für die Bewirtung sowie der Stadtbibliothek, der Stadtverwaltung, der VGH Regionaldirektion Göttingen und »Einbeck Marketing« für die Organisation. Auch Ulf Hasse, VGH-Regionaldirektor, freute sich über den großen Zuspruch im vollbesetzten Rathaussaal.

Nun stellte sich der neue historische Braumeister Elias Bichler alias Peter Nolte vor und erzählte seine Geschichte, bevor Bierstedt und Kapielski auf den aus Bierfässern geschnitzten Stühlen auf der Bühne platznahmen. »Unsere Krüge waren erst mit Wasser gefüllt - dann hätten wir gleich gehen können«, witzelte Kapielski. Im Wechsel lasen sie nun Geschichten vor, die direkt mit Bier zu tun haben. Bierstedt begann mit einer Erzählung von Mark Twain, der 1878 in Heidelberg weilte. »In Studentenkreisen wurde damals der Bierkönig gewählt«, führte er aus, »das Verfahren war einfach: Alle gossen sich so schnell wie möglich voll, wer das Meiste trank, war König«. Neben Beschreibungen des Studienalltags kam Twain zu dem Schluss, dass die Deutschen nur die Vorlesungen besuchten, die sie weiterbrächten - den Rest des Tages tränken sie Bier und ließen es sich gut gehen.

Kapielski berichtete nun aus Heinrich Manns »Der Untertan«. In dem Roman besuchen Diederich und Hornung eine Studentenverbindung. Besonders die Erwähnung des »dicken Delitsch«, bei dem nach ausgiebigem Biergenuss zuerst »das hintere, zweite Gesicht glücklich wurde«, ließ die Zuhörer in schallendes Gelächter ausbrechen. »Bier enthält mehr Ideale als kokette Weiber: Es ist treu und gemütlich«, las Kapielski weiter. Auf den darauf folgenden Applaus warf Bierstedt spontan »Einbeck kennt die Wahrheit« ein.

Nach einer von Bierstedt vorgetragenen Erzählung Jack Londons, in der es um »König Alkohol« ging, der »finstere Individuen zu guten Freunden« machen könne und mit dem »jedem Trinker geläufigen Satz: Für mich ein Kleines, Johnny« endete, erläuterte Kapielski kurz, warum Einbeck keinen Bahnhof mehr habe: »Um das solide Bahnhofstrinkermillieu auszusperren«.

Aus »Cook - Die Entdeckung eines Entdeckers« von Tony Horwitz trug Kapielski daraufhin eine Bargeschichte vor. Cooktown habe den Ruf eines taifungeplagten, Bier saufenden, krokodilverseuchten Kaffs - es sei also ein ganz normales Städtchen im Busch. »Die Leute nennen Cooktown die größte offene Irrenanstalt der Welt«, hieß es weiter, und was die Hauptfigur während eines dortigen Fests mit Wett-T-Shirt-Contest erlebte, war blanker, biergeschwängerter Irrsinn. Neben den »Rechtschaffenden mit Jobs im Gartenbau - also Haschischbauern« gebe es nur »Bekloppte und Snobs« in der Stadt. Vom »australischen Bierdosenklammergriff«, dem Reflex, sich die volle Dose nicht entreißen zu lassen berichtete er ebenso wie von einer Hündin, die besagten T-Shirts-Wettbewerb gewann, da sie über mehr Brüste verfügt habe, als die anderen Teilnehmerinnen.

Das Publikum bog sich vor Lachen. Weiter ging es mit einer ruhigeren Oktoberfestgeschichte von Thomas Wolfe, bevor Kapielski zum Abschluss eine eigene Geschichte von einer deutsch-finnischen Hochzeit vorlas. Nach dem Trinken beim Männersaunagang vor der Feier habe es plötzlich keinen Alkohol mehr gegeben: Dieser sei in der Öffentlichkeit verpönt. Doch diverse Spaziergänge zu den mit Schnaps gefüllten Kofferräumen der Gästefahrzeuge hätten auch dieses Tabu lockern können, berichtete der Berliner. Die beiden Künstler wurden mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen sowie einem lauten »Prost« verabschiedet.tc