Das Amt neu interpretieren

»Wen soll man denn wählen?« Christian Grascha und Dr. Roy Kühne im Gespräch | Kleine Runde, viele Ideen

Bundestagsabgeordner und -kandidat Dr. Roy Kühne, Landratskandidat Christian Grascha und der Dasseler Bürgermeisterkandidat Elias Kreuzinger: Sich besser vernetzen zum Nutzen der Region.

Einbeck. Unmittelbar Fragen stellen und Antworten bekommen: Zu einem Gespräch mit politisch Interessierten waren Christian Grascha, von FDP und CDU unterstützter Landratskandidat, der CDU-Bundestagsabgeordnete und -kandidat Dr. Roy Kühne und Elias Kreuzinger, CDU-Kandidat für das Amt des Dasseler Bürgermeisters, in die Einbecker Senfmühle eingeladen. »Wen soll man denn wählen?«, diese Frage, wünschte sich Senfmühle-Geschäftsführer Rainer Koch, sollte durch den direkten Austausch und Informationen aus erster Hand klarer zu beantworten sein.

»Ich will hier Landrat werden«, das machte Christian Grascha deutlich. In kleiner Runde könne man sich intensiv austauschen, Ideen könnten entstehen, und die werde er nutzen für sein angestrebtes Amt. Er wolle einen Neustart, nicht nur mit Blick auf die Pandemie, die auch den Landkreis seit fast eineinhalb Jahren wie in Narkose halte. Ein Neustart müsse auch von politischer Seite unterstützt werden.

Dazu zähle für ihn, dass Wirtschaftsförderung im Kreishaus zur Chefsache werde. Zurzeit sei dies eine Aufgabe unter vielen; er stelle sich eine Stabsstelle unterhalb des Landrats dafür vor. Ein Landrat müsse sich mit dieser Aufgabe identifizieren, vermitteln und initiativ werden.

Corona habe Schwächen in unterschiedlichen Bereichen gezeigt, etwa in der Digitalisierung der Schulen. Was in den letzten Monaten aber geschafft wurde, müsse verstetigt werden, man dürfe das nicht dem Zufall überlassen. Der Landkreis erhalte fünf Millionen Euro aus dem Digitalpakt, die müsse man sinnvoll einsetzen.

Er sei, erläuterte der Kandidat, seit 20 Jahren in der Kommunalpolitik tätig. Schon damals habe man auf Schrumpfungskonzepte gesetzt, sich »eingegraben«. Auch deshalb sei ein Neustart, verbunden mit einer anderen Mentalität, notwendig. Der Landkreis müsse ein Bewusstsein entwickeln, dass er in der Mitte Europas stehe, forschungsstark sei und eine gute Anbindung an Verkehrswege habe. »Das müssen wir uns vergegenwärtigen. Wir haben mehr Stärken, als uns bewusst ist.« Entsprechend selbstbewusster sollte ein Landrat somit auftreten.

Das derzeit auf Landkreisebene diskutierte Raumordnungsprogramm sei mit verschiedenen Entwicklungsszenarien hinterlegt: Sie positiv zu verändern, sehe er als eine weitere langfristige Aufgabe, denn die Entwicklung sei nicht statisch, sondern daran könne man mitwirken. Dörfern dürfe man nicht die Entwicklungsmöglichkeiten nehmen, sonst leiste man Sterbehilfe für sie. Die vergangenen fünf Jahre hätten im Landkreis zwar eine wirtschaftlich gute Lage gebracht, allerdings habe man etwa 3.000 Einwohner verloren, »einmal die Größe von Bodenfelde«.

Nutzen sollte man die Chancen, die sich, ebenfalls durch die Pandemie, aus der Veränderung der Arbeitswelt ergeben hätten. Mehr mobile Arbeitsmöglichkeiten beschränkten sich nicht nur aufs Homeoffice, sondern beispielsweise ebenso auf Angebote wie Co-Working-Spaces. Menschen wollten die eigenen vier Wände, möglichst im ländlichen Raum, und dafür könne die Region exzellente Chancen bieten. Chancen sieht er in interkommunalen Gewerbegebieten, für die man beispielsweise eine Entwicklungsgesellschaft mit Beteiligung der Kommunen gründen könnte. Nutzen würden sie auch Nachbarkreisen bringen.

Einen Neustart hält der Kandidat nach 44 Jahren für erforderlich, in denen ein SPD-Mann oder eine -Frau an der Spitze der Kreisverwaltung gestanden habe. »Da ist mal ein Wechsel notwendig.« Grascha, seit 13 Jahren Mitglied des Niedersächsischen Landtags, erläuterte als einen Grund für seine Kandidatur, dass das Amt des Landrats, der direkt von den Einwohnern des Landkreises gewählt sei, eine hohe demokratische Legitimation habe. Das sollte man nutzen, um politische Führung auszuüben, und man müsse dafür die Chancen ergreifen, sich in Hannover und Berlin zu zeigen. Mit seiner Erfahrung und Kompetenz wolle er dazu einen Beitrag leisten und eine andere Interpretation des Amtes liefern. Spannend finde er den Wahlkampf unter anderem, weil es, anders als etwa für die Bundestagswahl, auf dieser Ebene keine Umfragen gebe.

Erfolge müsse er verweisen und präsentieren, so ein Ratschlag aus der Gesprächsrunde. Ein Dialog, das machten sowohl Grascha als auch Dr. Roy Kühne notwendig, sei wichtig, nicht nur zehn Tage vor, sondern ebenso 150 Tage nach der Wahl. Wirtschaft und Politik müssten auch außerhalb von Krisen zusammenrücken und etwas tun für die Region, für die man gemeinsam stehe. Die Verbindung zu den Mandatsträgern in Bund und Land könnte deutlich besser sein; die Verwaltungsspitze sollte stärker darauf zurück greifen – das sei ein Pfund, das man intensiver nutzen sollte.

Aktivitäten auch umzusetzen, das war ebenfalls ein wichtiges Anliegen. »Man verbleibt manchmal im Planen, das ist ein Problem«, räumte Grascha ein. Da sei es wichtig, wenn man jemanden habe, der etwas mache, etwas anpacke und dran bleibe.

An den Bundestagsabgeordneten Dr. Kühne ging die dringende Bitte, in Berlin deutlich zu machen, dass ein großer Teil des Mittelstands einen weiteren Lockdown nicht nochmal überlebe. So etwas solle und werde nicht erneut passieren, war er überzeugt. Er sehe Defizite im Umgang mit der Pandemie – so hätte man den Föderalismus mal etwas weiter nach hinten schieben sollen und schneller und unbürokratischer werden müssen. Er erwarte von einer neuen Bundesregierung, unter anderem, dass es nicht mehr vorkomme, dass stundenlang beraten werde, damit zwei Stunden später die ersten Ministerpräsidenten aus einer Profilneurose heraus aus einer Vereinbarung ausscherten. »Mehr Bundesrepublik und weniger Land« hätte er sich gewünscht, in der »Ausnahmesituation Pandemie« wären starke zentrale Lösungen zuweilen besser gewesen. Gut finde er, dass die Inzidenz nicht mehr das alleinige Kriterium zum Stand der Pandemie sei, sondern dass auch belegte Notfallbetten Berücksichtigung finden sollten: »Für künftig notwendige Maßnahmen brauchen wir neue Berechnungsgrundlagen.«ek