»Das reißt uns das Herz raus«

Gedenken an den rassistischen Anschlag von Hanau vor einem Jahr

Portraits der neun Toten, Videos mit Aussagen von Familienangehörigen der Opfer, dazu das Versprechen, sie nicht zu vergessen: Mehrere Organisationen hatten am Freitagabend auf den Einbecker Marktplatz eingeladen zum Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau vor genau einem Jahr.

Einbeck. Vor einem Jahr, am 19. Februar 2020, hat ein 43 Jahre alter Mann in Hanau neun Menschen erschossen – neun Tote durch einen rassistischen Anschlag. Die »Seebrücke« Einbeck hat ihre wöchentliche Mahnwache am Freitagabend auf dem Marktplatz gemeinsam mit anderen Organisationen genutzt, der Toten zu gedenken und Rassismus anzuprangern.

»Seebrücke«, Oate, »Einbeck ist bunt«, 161 Einbeck und Antifa: Groß war der Teilnehmerkreis an der Gedenkveranstaltung für die Opfer von Hanau. Deren Portraits, mit Trauerflor und beleuchtet von Kerzen, waren auf dem Marktplatz aufgestellt. In Musik- und Wortbeiträgen wurde gefordert, das Schweigen zu brechen: »Jetzt ist Schluss.«

Die Erinnerung an diesen Tag erschüttere noch immer, hieß es. Das rassistische Attentat wurde nicht von einem Einzeltäter verübt, dessen Namen man nicht nennen wolle, sondern dahinter stehe ein System. Gleichfalls schuldig seien Polizei, Verfassungsschutz, Staat, aber auch »wir alle«: Die Schuld bestehe im Wegsehen: »Wer schweigt, stimmt zu.« Man habe nicht auf Betroffene und ihre Ängste und Erfahrungen gehört. Deshalb habe etwas wie der NSU entstehen können. Das Klima verschlechtere sich, der gesellschaftliche Diskus rücke weiter nach rechts. Und vor diesem Hintergrund werde nun darüber diskutiert, die Antifa zu verbieten als Versuch, überhaupt etwas zu tun. Man erkläre sich hier solidarisch mit denen, die Aufklärung verlangten. Eine weitere Konsequenz wäre die Auflösung des Verfassungsschutzes. Wenn man von diesen Toten lernen könne, dann, dass niemand vergessen werde.

Erschreckende, unfassbare Bilder: Viel habe man über Hanau gehört, machten Redner und Videos deutlich. In Worte gefasst hat das beispielsweise Konstantin Wecker mit seinem Lied »Willy/Gestern habns an Willy daschlogn«. Hanau stehe in einer Reihe mit rassistischen Anschlägen, und auch in Hanau habe es ein Opfer namens Vili gegeben, einen jungen Mann, der sein Leben noch vor sich hatte und den man jetzt gern dabei hätte.

»Von den Behörden kommt nichts, sie haben total versagt« oder »Das reißt einem das Herz raus«, diese Aussagen, zu sehen in einem Video mit Aussagen von Angehörigen der Opfer, gingen nahe und machten fassungslos: Neun Menschen seien am 19. Februar innerhalb weniger Minuten aus der Welt genommen worden.

Nach dem Benefiz-Video für Hanau, »Bist du wach?« von Azzi Memo, wurden die Namen der Opfer verlesen und laut nachgesprochen, begleitet von einer Schweigeminute. Sie werden, so das Versprechen, nicht in Vergessenheit geraten, man stehe gemeinsam vereint in Trauer und gemeinsam stark gegen Hass und Terror.ek