Das Singen ist nahezu verstummt

Kantorin Ulrike Hastedt zur Chorarbeit in Zeiten der Corona-Pandemie

Kantorin Ulrike Hastedt am Keyboard in der Münsterkirche: In diesen Zeiten versucht sie, den Kontakt zu Chören und Sängern zu halten. Derzeit muss sie allerdings oft solo singen.

Einbeck. Das kirchenmusikalische Herz der Kirchengemeinde Einbeck ist eigentlich groß: Es gibt Krabbelchor, Mini-Kantorei, Kinderchor, Jugendchor, Kantorei, Gospelchor, Bläsergemeinschaft Kuventhal-Einbeck, Posaunenchor Holtensen-Hullersen, Seniorensingkreis, Kirchenchor und die Chöre St. Nicolai mit dem Spatzenchor, dem Jugendchor und dem Flötenkreis. In Zeiten der Corona-Pandemie allerdings ist vieles anders: Singen ist nur unter ganz bestimmten Bedingungen und in kleinen Gruppen erlaubt. Kantorin Ulrike Hastedt ist es wichtig, den Kontakt zu Sängern und Musikern zu halten. Geprobt wird derzeit nur vor dem Bildschirm – via Zoom-Konferenz. Das Singen fehle, das merke man ganz deutlich, so Hastedt.

Vor mehr als 13 Monaten konnte der Chor das Musical »Petrus« in Dassel noch aufführen, dann kam der erste Lockdown, der die geplanten weiteren Aufführungen nicht zuließ. Bis zum Sommer ruhte der Probenbetrieb, dann war unter bestimmten Abstands- und Hygieneregeln proben im Gemeindehaus wieder möglich. Allerdings blieb durch das Lüften wenig Zeit, und das sei »nicht gerade befriedigend« gewesen, so Hastedt. Im September konnte die Kantorei dreimal in voller Größe zusammenkommen, allerdings nur im Freien auf der Wiese hinter der Kirche. Nach den Herbstferien war es zu dunkel und zu kalt, es gab keine gemeinschaftlichen Proben in Präsenz – bis heute.

Wenn man konkret für einen Gottesdienst übt, dann dürfen acht Sänger beziehungsweise Bläser zusammenkommen. Zurzeit übt eine kleine Bläsergruppe für den Gottesdienst an den Pfingstfeiertagen. Auch hier steht Zurückhaltung an, denn »das Infektionsrisiko bleibt«.

Auch in unsicheren Zeiten plant die Musikerin weiter: Am 13. November vorgesehen ist ein großes Konzert – vielleicht kann ein kleines Ensemble in der Mitte stehen und der Chor weit verteilt außen. Die Besucherzahl wäre reduziert. Gedanken macht sich Hastedt auch schon für den Gottesdienst am zweiten Weihnachtsfeiertag – keiner weiß, was dann möglich sein wird.

»Stimmbänder sind Muskeln«, unterstreicht Hastedt und jeder wisse, wie schnell man Muskeln abbaue. Also sind die Kantorei-Mitglieder einmal wöchentlich aufgefordert, sich vor den PC zu setzen. Mit Kantorei und Kinderchor übt die Kantorin seit Januar/Februar via Zoom-Konferenz. Von den rund 75 Kantorei-Mitgliedern machen rund 60 bei den Zoom-Treffen mit. Jede Woche erhalten die Chor-Mitglieder eine Mail mit Aufgaben, die sie üben sollen. Das Proben über den Bildschirm hat allerdings ein großes Problem: Hastedt hört den Gesang nicht.

Besonders für den Kinderchor (früher rund 60 Mitglieder) sei die Pandemie-Zeit mit ihren Einschränkungen »bitter«, meint Hastedt. Weitere Aufführungen des

Kindermusicals »Petrus« seien abgesagt und immer wieder verschoben worden. Hastedt hat eine Umfrage gestartet, ob das Musical im nächsten Jahr nochmals aufgeführt werden soll, die Mehrheit sprach sich dafür aus. Rund ein Drittel der jungen Sänger habe aber mittlerweile dem Chor dem Rücken gekehrt – auch weil beim einen oder anderen der Stimmbruch eingesetzt hat oder das Alter erreicht war, in dem die Jugendlichen den Kinderchor verlassen. Schlimm sei es aber, dass einige ihre Rolle eingeübt haben, dann aber keinen Applaus dafür bekommen konnten. Es fehlt »ein schöner Abschluss«, bedauert die Kantorin. Und auch wenn sie bei den jungen Sängern nachfragt, wie es ihnen gehe, komme bedauerlicherweise oftmals nur ein kurzes, trauriges »gut«.

Das Orchester kann derzeit gar nicht proben Die Bläser haben vereinzelt draußen vor Altenheimen gespielt. Die Bläsergemeinschaft Kuventhal-Einbeck tut, was erlaubt ist.

In den Orgelandachten, die jetzt gerade gestartet sind, werden auch immer geistliche Werke vorgetragen, unterstreicht Hastedt. Hinzu kommt ein geistlicher Impuls. Zu einer halbstündigen Orgelandacht wird wieder am 8. Mai eingeladen.

»Ich habe noch nie so viel solo gesungen«, sagt Hastedt und wünscht sich, dass es wieder anders wird. Auch die Gemeinde im Gottesdienst ist nahezu verstummt.

Froh ist die Kantorin, dass Kirchengemeinde und St. Alexandri bis zu zwei Dritteln des Honorars von Künstlern tragen – beispielsweise hat ein angereister Oboist ein Online-Format erstellt und ist dafür bezahlt worden.

Sollte der Inzidenzwert heute unter 100 sein, kann am Sonntag »Kantate« (Singet!), 2. Mai, ein Präsenzgottesdienst in der Münsterkirche gefeiert werden. Dann soll auch ein vierköpfiger Chor auf der Empore singen. Die vorgeschriebenen Abstände und Hygieneregeln werden selbstverständlich eingehalten.
»Die Zeiten sind nicht schön und nicht einfach«, meint Hastedt, und auch wenn ihr manchmal zum Jammern zumute ist, weiß sie, dass es vielen noch sehr viel schlechter geht.sts