Deftige »Vorspeise zum Jüngsten Gericht«

Dietmar Wischmeyer mit Satire-Programm im ausverkauften Bendow-Theater | »Günther« und »Tierfreund«

Nach einem gut zweistündigen Programm verabschiedete sich Dietmar Wischmeyer vom Einbecker Publikum, das er bestens unterhalten hatte.

Ein genauer Beobachter ist er, er kennt und erkennt sie alle, und er dreht sie verbal durch den Wolf: den Schwätzer, dem man nicht ausweichen kann, den Camper in Ballonseide, den Evolutionsverweigerer, der »umsonste« Ytongsteine abgreifen möchte, aber auch die Politiker, die Jamaika fluchtartig verlassen haben. Die »Vorspeise zum Jüngsten Gericht« hat Satiriker Dietmar Wischmeyer im ausverkauften Wilhelm-Bendow-Theater in Einbeck serviert, und für das begeisterte Publikum gab es nicht nur Tiefsinniges und zwerchfellerschütternd Komisches, sondern auch ein Wiedersehen mit Günther, dem Treckerfahrer, dem »kleinen Tierfreund« und Willi Deutschmann.

Einbeck. Mit dem Gastspiel des Autos und Frühstyxradio-Comedians Dietmar Wischmeyer hat der Kulturring zum Auftakt der neuen Saison einen Volltreffer gelandet. Einige Besucher haben tatsächlich Tränen gelacht. Der zuweilen etwas brachiale und zotige Humor zog auffällig viele Männer ins Theater, Wischmeyer ist für ein deftiges Wort bekannt – prächtigen Spaß gab es aber für alle.

Drei Wochen Camping im Wohnmobil auf dem Lidl-Parkplatz: In Ballonseide und mit Entsorgungskanister hieß Wischmeyer das Publikum willkommen. Der Standort habe den Vorteil, dass man spätabends noch eine »Sechser-Pilsette« oder ein Schnitzel erwerben könne – »Jäger« dann allerdings besser nicht mehr. Die Enge im »Fun & Living 2000«-Wohnmobil lehre vor allem eins: Für hübsche Frauen lohne der Aufwand nicht, denn wenn sich das Nackensteak vom Grillabend nach unten durchgefault habe, sei das bei Models auch nicht schöner als bei der Gattin oder bei Wilma Zilinski von nebenan.

Die Zukunft wünsche sich niemand; vielmehr wolle man die Gegenwart verlängern, damit alles so bleibe wie bisher. Doch was sei das wohl für ein Gefühl, wenn der Pflegeroboter den Blasenkatheter in die Harnröhre schiebe? Lieferando bringe den Fraß, Sterberando hole den Opa ab. Es sei an der Zeit, den digitalen Gespenstern mit einem Fünf-Kilo-Hammer die analoge Welt zu zeigen.

Ein analoger Mensch ist Horst Fritzenkötter, Fleischereifürst, der mit der großen Schippe durchs Gewürzregal geht, wenn es mit den Fleischtransporten wieder besonders schlimm war. Analog tickt auch Günther, der Treckerfahrer, der Tipps vermittelt, wie man als Landwirt einen »Eherochen« an Land ziehen könne, eine »beherrschbare, leinenführige Alte«. »Und, wie isses?«, das sei der formlose niedersächsische Heiratsantrag, und von da sei der Weg nicht weit zu Nachwuchs, zu Moselfahrt und Sky-Abo.

Wie glücklich war die analoge Zeit des Autofahrens ohne Navi, als man Eingeborene nach dem Weg zum Erotik-Outlet fragen musste. Ganz schlimm wurde die Sache, als 1989 das »Gehege« im Osten aufgerissen und die Bewohner ausgewildert wurden. Für sie waren – zu – viele »Gnöbbe« zu drücken; kein Wunder, dass sie mit der »Westzippe« im Navi keine Freundschaft schließen konnten.

Positiv am Scheitern der Jamaika-Sondierungen sei, dass man sich die Karibik-Insel nun wieder ohne das Medium-Terzett aus dem Bundestag vorstellen könne: mit tropischer Lebensfreude und ohne Mutti und Altmayer auf dem Balkon. Dabei seien die Posten schon verteilt gewesen: »Uschi« gehe als Angelas Zofe ins Kanzleramt, der Sanitätsgefreite Hofreiter werde Verteidigungsminister, Altmayer übernehme das ihm schon in der Wiege bestimmte Amt des Landwirtschaftsministers, und Christian Wulff frage für seinen Freund Maschmeyer nach dem Amt des Wirtschaftsministers. »Gut und sicher leben in Deutschland«, das wollten alle, und solange der Bürger zufrieden sei und bei RTL2 nach nackten Schwiegersöhnen gesucht werde, könne es doch nicht so schwer sein, eine Koalition zu führen. In Wahrheit regiere Gerhard Schröder weiter: Er sei Aufsichtsratsvorsitzender des mächtigsten Ölkonzerns der Welt, und Mutti koche Kartoffelsuppe in der Uckermark. Da wisse man doch, wo der Hammer hänge. »Glatzen-Matze« sollte wieder in die Bahnhofsbuchhandlung in Würselen gehen, zumal Schröder die nächste Kanzlerkandidatin habe: Helene Fischer.

Frau, Mann – und ein drittes Geschlecht, am besten »Molch«, das sollte Standard werden. Wobei man sich die großen Fragen gar nicht stelle: Bekomme jemand, der weder Mann noch Frau sei, doppelte Rente, könne er die Ehe mit sich allein führen, und wohin gehe er »kacken«?

Zu Gericht saß Wischmeyer über den Tag der deutschen Leitkultur und die zehn Gebote der Integration: Ein fester Händedruck zählt unbedingt dazu. Und typisch deutsch sind die Urlaubsgepflogenheiten, etwa zum Zelten loszuzuckeln und alle Bequemlichkeiten fahren zu lassen, um zu leben wie ein Ziegenhirte in der Mongolei. Da müsse sich die Schraube sehr weit gelockert haben, wenn man löslichen Kaffee unter dünnen Stoffbahnen romantisch finde.
Potenzprobleme und ihre Lösung beleuchtete er in schwül-rotem Bar-Ambiente: Runzelwurm und PVC-Latte als Stichworte.

Ebay-Kleinanzeigen würden im Zusammenhang mit »umsonst« zur virtuellen Mülldeponie. Großhirn-Nichtverwender hätten hier ihr Paradies, und das sei ein Beispiel, dass das Internet die Leute nicht blöd mache: »Sie sind es schon vorher.«

Niedersachsen, so Wischmeyers Eindruck, sehne sich nach der Vergangenheit – in Form von Wölfen. Rund 130 soll es im Land geben, mindestens doppelt so viele Wolfsberaterinnen. Bei den Bürgern sei die Family-Edition des Wolfs, der Golden Retriever, stärker gefragt.

Wie gefährlich das Leben für Tiere ist, die sich nicht anpassen, machte der »kleine Tierfreund« deutlich. Ein Fuchs, der die Zeitumstellung nicht beachtet, bekommt blitzschnell Probleme mit dem Conti Wintercontact, der den roten Räuber platt bügelt.

Wie ein Märchenonkel am Kamin warf Wisch-meyer seinen kritischen Blick auf Weihnachten und das Tabu, das Fest allein zu verbringen, statt sich einer Orgie kollektiven Schwachsinns anzuschließen. Was sei der Sinn, über 1.000 Kilometer zu fahren und Leute zu besuchen, mit denen man schon am Telefon nicht reden wolle? Und ganz heikel sei das Thema Geschenke. Pils und die Stange Fluppen unterm Weihnachtsbaum seien nicht geeignet für Damen. Männern könne man dagegen Alkohol und Zigarren schenken. Parfüms mutieren zu »Bergamotte auf der schweißigen Pelle des Alttieres«, das gerate ebenso zum Minenfeld wie hauchdünne Spitzenschlüpfer bei großen Konfektionsgrößen. »Warum tun Menschen sich das an?« Eine Weihnachtsgeschichte aus Westfälisch-Kongo machte deutlich, wie’s besser gehen kann.

Manchmal löst sich ein Kommunikat aus dem Schlund eines Evolutions-Verweigerers, und dann wird der Gesprächspartner zur Deponie für ungefragte Meinungen. Der Labertasche kann der unschuldige Mensch nicht ausweichen, und so kann ein Gespräch über das graue Aussehen von Weimaranern und über die Punkte von Dalmatinern eskalieren – nicht schön für den, den’s möglicherweise betrifft, aber schreiend komisch fürs Publikum. Nach einem Besuch bei Willi Deutschmann und seinem »Brocken« ging es um die Gefahren, denen wild pinkelnde Männer sich aussetzen, seit der Eingriff an der Unterhose aus der Mode gekommen ist, um Eierkratzer, die vermutlich prüfen, ob ein Hygiene-Update »untenrum« notwendig ist, und um die Frage, ob Frauen sowas auch machen. »Sagt ganz schnell nein«, so Wischmeyers dringende Bitte.

Die Zugabe holte er tief aus der Klischee-Kiste, als er erläuterte, warum man bei Behörden nie jemanden antrifft. Halbtags-Kräfte auf Selbstfindungs-Tanzkurs, Mitarbeiter, die sich zwei Jahre auf die Frührente vorbereiten: Lang war die Liste der Ausfälle. Winkend verabschiedete sich Dietmar Wischmeyer von einem jubelnden Einbecker Publikum.ek