Der eleganten und bedrohten Äsche helfen

Einbecker Angler und Göttinger Forscher mit Aktion für besondere Fischart | Besatz am Krummen Wasser

Ein spannender Moment für (von links) Karsten Behr, Geschäftsführer der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung, Dr. Matthias Emmrich, Biologe beim Anglerverband Niedersachsen, und Joachim Jebok, Gewässerobmann des Fischereivereins Einbeck: Gleich werden einige der insgesamt 200 jungen Äschen ins Krumme Wasser gesetzt.

Kuventhal. Die Äsche ist ein besonderer Fisch, selten und schön: Angler kommen ins Schwärmen, wenn sie von ihm berichten. Der Fisch, dem man einen Geruch von Thymian nachsagt und der einst in vielen niedersächsischen Bächen und Flüssen heimisch war, gehört inzwischen zu den stark gefährdeten Arten in Deutschland. Er steht auf der Roten Liste.

Der Anglerverband Niedersachsen (AVN), der Fischereiverein Einbeck (FVE) und die Georg-August-Universität Göttingen haben deshalb ein Nachzuchtprojekt ins Leben gerufen – ein anspruchsvolles Vorhaben, denn ohne Weiteres funktioniert das bei der Äsche nicht, es ist vieles zu beachten. Das Projekt wird gefördert von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung sowie mit dem ehrenamtlichen und finanziellen Einsatz von Angelvereinen. Einen ersten Erfolg gab es jetzt, junge Äschen-Nachkommen wurden ausgewildert. AVN-Biologe Dr. Matthias Emmrich erläuterte dazu: »Äschen sind sehr sensible Fische, deren Vermehrung in Gefangenschaft schwierig ist. Sobald in der Zucht irgendetwas für die Tiere nicht stimmt, bleiben unsere Bemühungen erfolglos.«

Aus diesem Grund ging das Team bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres in der Ilme und im Krummen Wasser auf die Suche nach laichfähigen Wildfischen, die es hier noch gibt. Diese wurden dann aber nicht in die Zuchtanlage gebracht, sondern bis zur Eireife in Netzkäfigen im Fluss gehältert, im Mühlenkanal in Einbeck. Die unübliche Strategie funktionierte sogar: 4.000 Eier konnte das Team mit Hilfe ehrenamtlicher Angler gewinnen und daraus fast ebenso viele Äschenlarven erbrüten. Von diesem Jahrgang werden nun rund 500 Fische mit einer Größe von 20 Zentimetern zurück in ihre Ursprungs-Gewässer gebracht, 200 davon in dieser Woche ins Krumme Wasser, unter anderem ausgesetzt an der Brücke südlich von Kuventhal. Aus dem restlichen Nachwuchs möchten die Projektmitarbeiter einen Elterntierstamm aufbauen. Doch bislang scheinen die Äschen sich zu weigern, unter künstlichen Begebenheiten erfolgreich zu laichen. Matthias Emmrich ist darum froh, die Universität Göttingen mit an Bord zu haben, die auf Wachstum und Vermehrung schaut. Die Forscher, unter anderem Simon Rosenau und Christian Lodder, können in Experimenten herausfinden, ob den Zuchtäschen die Strömung fehlt oder ob die Ernährung Einfluss auf ihre Fruchtbarkeit hat.

Simon Rosenau schilderte ergänzend, wie anspruchsvoll die Jungfische in ihrer Ernährung sind: Die ersten vier bis sechs Wochen bekommen sie Lebendnahrung in Form von Urzeitkrebsen, anschließend Trockenfutter.

Auch wenn die erste Äschen-Nachkommen nun in die Wildbahn entlassen wurden, warnen Biologen: Die Nachzucht könne nur eine Säule für den Erhalt der Süßwasserschönheit mit der sehr großen Rückenflosse, der »Fahne«, sein. Grundsätzlich müssen Fließgewässer wieder naturnäher und für Wanderfische passierbar werden. Auch winterliche Beutezüge des Kormorans erschweren den Artenschutz, eine Erfahrung, die auch die Einbecker Vereinsmitglieder immer wieder gemacht haben. So ist der Äschenbestand Mitte der 90er Jahre nach einem harten Winter durch den Kormoran extrem zurückgegangen, und seither hat er sich kaum wieder erholt.

Die Äsche ist ein stattlicher Fisch mit einer Größe von bis zu 65 Zentimetern; der wissenschaftliche Name Thymallus thymallus verrät, dass sie beim Fang ein provenciales Aroma verströmt. Doch nicht nur das: Einst war die elegante Äsche, 1997 und 2011 der »Fisch des Jahres«, eine Charakterart für die obere Leine und ihre Nebenflüsse, sodass Fischereiwissenschaftler das Gebiet als Äschenregion bezeichneten. Heute gilt sie in Niedersachsen und deutschlandweit als stark gefährdete Rote-Liste-Art. Diesen Schwund wollen Forscher und Angler des AVN, des FV Einbeck und der Universität Göttingen nicht einfach hinnehmen.
Ihr Projekt ist ein Lichtblick für einen faszinierenden Fisch, aber kein Allheilmittel. In der Natur brauchen Äschen, die sich ihrer Umgebung farblich schnell anpassen können, in ihrer Entwicklung vom Ei bis zur »Lady of the Stream«, wie sie in England heißen, sehr vielseitige Lebensräume. Während die Tiere nur auf flachen Kiesbetten ablaichen können, benötigen sie als Jungfische flache strömungsarme Bereiche. Im ausgewachsenen Alter leben sie gern im tiefen Wasser, und ohne Strömung kommen sie nicht in Paarungslaune. Nur naturnahe Bäche und Flüsse mit ihren Windungen und breiten Uferbereichen werden diesen Ansprüchen gerecht. Zu viele Feinsedimente, Gewässerbegradigungen, versperrte Wanderrouten und eben die Kormorane setzen den eleganten Wasserbewohnern während der Laichzeit ebenso zu. »Der AVN und seine Mitgliedsvereine bringen ihre finanziellen und personellen Mittel für den Erhalt der Äschen ein, soweit sie können. Wir würden uns freuen, wenn die Politik sich künftig mit ihren Mitteln auch mehr einsetzen würde«, formulierte Biologe Emmrich seine Bitte für die duftende, bedrohte Schönheit.

Finanzielle Unterstützung gibt es von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung, und Geschäftsführer Karsten Behr war beim Besatz im Krummen Wasser, unter anderem mit dem zweiten Vorsitzenden des Einbecker Vereins, Stefan Thielebeule, selbst mit vor Ort. 561 Umwelt-Projekte unterschiedlichster Art und Größe habe die Stiftung im vergangenen Jahr mit rund 5,7 Millionen Euro gefördert, führte er aus: vom Nistkasten bis zu großen Vorhaben im sechsstelligen Investitionsbereich. »Damit decken wir das gesamte Spektrum des Natur- und Artenschutzes ab.« Mit dem Edelflusskrebs habe man in der Region schon gute Erfahrungen gemacht, jetzt werde die Äsche unterstützt. Das Beispiel zeige auch, dass viele Vereine eine großartige Rolle im Naturschutz spielen würden. Artenschutz brauche Renaturierung, war er mit den Aktiven vor Ort einig, und durch einen natürlichen Äschenstamm gebe es eine positive Perspektive. »Wir freuen und über das Engagement, und wir freuen uns über Bekloppte, die immer wieder Anträge stellen«, lachte er, »das können Sie ruhig so schreiben.« Es sei eben ungewöhnlich, sich auf diese Weise so stark zu engagieren.ek/oh