Der letzte bauliche Hinweis auf den Stiftsbezirk St. Alexandri

Grenzstein Nummer 7 der Stiftsfreiheit aus dem Jahr 1751 findet neuen Platz an der Südseite der Münsterkirche / Info-Tafel

Der Zufall hatte die entscheidende Hand im Spiel: Bei den Bauarbeiten für die Krippe der Lebenshilfe an der Münstermauer ist ein großer Stein entdeckt worden. Bei genauerer Untersuchung entpuppte er sich als Grenzstein Nummer 7 der Stiftsfreiheit. Dr. Stefan Teuber von der archäologischen Denkmalpflege hat die Geschichte des Steins inhaltlich aufgearbeitet. Räumlich versetzt und um eine Erläuterungstafel ergänzt, ist der Grenzstein nun an der Südseite der Münsterkirche St. Alexandri aufgestellt worden. Die Kirchengemeinde, die Klosterkammer, die die Aktion finanziell unterstützt hat, die Stadt Einbeck als Untere Denkmalschutzbehörde und der Archäologe freuten sich über dieses weitere Stück Einbecker Stadtgeschichte zum Anfassen.

Einbeck. Ein Kulturgut erlebbar machen, das möchte die Untere Denkmalschutzbehörde gemeinsam mit der Archäologie am Beispiel des Grenzsteins Nummer 7: »Wer informiert ist, schützt die Dinge besser beziehungsweise zollt ihnen mehr Wertschätzung«, ist Baudirektor Gerald Strohmeier überzeugt.

Der Stein stammt von der Baustelle der Lebenshilfe-Kinderkrippe an der Münstermauer. Als der Stadtarchäologe seine Tätigkeit schon beendet hatte, stießen Bauarbeiter durch Zufall auf den großen Klotz. Schnell wurde die Beschriftung erkennbar: »Nr. 7 1751, RENV. 1847«. Daraus wurde für Dr. Stefan Teuber deutlich, dass es sich um einen Grenzstein handeln musste. 1751 wurden die Grenzen der Stiftsfassung in Folge eines Streit mit dem Magistrat erneut festgelegt, im folgenden Jahr wurden sie vom Juristen und Kartographen Johann Arnold Hallensen kartiert.Das Stift wurde 1085 gegründet. Gerade wegen der Ausdehnung der Stiftsfreiheit in Richtung Westen gab es mehrmals Streitigkeiten mit der Stadt. Die Stiftsfreiheit als wirtschaftlich und rechtlich getrennter Bereich gab dem Stift eine Sonderstellung, die die Stadtoberen so nicht hinnehmen wollten.

Die Gebäude und die zum Teil als Gärten und Felder genutzten Grundstücke der Stiftsfreiheit bildeten einen von der städtischen Gerichtsbarkeit und Steuerpflicht ausgenommenen Bereich. Die Stiftsgrenzen wurden erstmals 1349 beschrieben. Dass die Stiftsfreiheit ziemlich umfangreich sein musste und nicht am heutigen Steinweg endete, sei eigentlich offensichtlich, so Dr. Teuber: »St. Alexandri, ab 1290 gebaut und erst im 18. Jahrhundert in der heutigen Form fertiggestellt, ist ein enormes Bauwerk - ein großer Stiftsbezirk gehörte dazu.«

Die Inschrift des Grenzsteins weist auf eine Renovierung im Jahr 1847 hin – vermutlich nicht ohne Grund, denn ab 1848/50 wurden Verträge geschlossen zur Auflösung des Stifts, was 1863 tatsächlich erfolgte. Das Eigentum ging an den Allgemeinen Klosterfonds Hannover beziehungsweise an die heutige Klosterkammer über.

Mit der Idee, den Stein an die Südseite der Alexandri-Kirche zu setzen, ist die Archäologie bei der Kirchengemeinde auf Sympathie gestoßen, und die Klosterkammer hat sich an der Positionierung und der Aufstellung der Informationstafel finanziell mit 1.200 Euro beteiligt. »Ich finde es sehr gut, wenn Kulturgut auf diese Weise dauerhaft erhalten wird«, so der Baudezernent der Klosterkammer, Werner Lemke. Damit werde auch die Wertigkeit der Denkmalpflege hervor gehoben. »Mit der Kirche sind wir hier auf geschichtsträchtigem Boden. Es ist richtig, das zu zeigen«, so Pastor Wolfgang Teicke. Stefan Teuber habe Einbeck und der Gemeinde mit seiner Arbeit einen guten Dienst erwiesen.

Grenzstein Nummer 7 ist insgesamt 1,53 Meter hoch, einen guten halben Meter davon umfasst das grob gearbeitete, untere Fundamentteil. Auf der Oberseite ist in der Mitte eine kleine Mulde zu sehen, hier befand sich ursprünglich möglicherweise ein kugelförmiger Aufsatz. »Wir haben hier den letzten baulichen Hinweis auf die etwa 600 Jahre währende rechtliche Sonderstellung des Stiftbezirks St. Alexandri innerhalb der Stadt Einbeck in den Grenzen der Stadtmauer«, betont der Archäologe.

Der Stein und die zugehörige Tafel könnten, kündigte Gerald Strohmeier an, Teil einer Kette von Stationen sein, die sich auf solche historischen Stätten beziehen, gedacht auch als Ergänzung zu den vor einigen Jahren an bedeutenden Häusern vom Geschichtsverein angebrachten Tafeln.

Im Zusammenhang mit dem Grenzstein steht der Knochenturm an der Nordseite der Münsterkirche. Er wurde in diesem Jahr aufwändig saniert. Unter anderem wurde das Dach abgedichtet, um das Eindringen von Wasser zu verhindern. Außerdem soll das Hochklettern erschwert werden. An den Seiten des Turms sind nach Osten und nach Westen Ansätze der Stadtmauer rekonstruiert worden. Hier habe man, erläuterten Teuber und Gerald Strohmeier, die Zusammenhänge mit der Stadtmauer deutlich machen wollen. Sie wurde ab 1250 erreichtet und 1264 erstmals erwähnt. Gerade auf der Feindseite zur Hube hin war es wichtig, dass der Turm, der die Funktion eines Pulverturms hatte, leicht erhöht stand. Genutzt wurde dafür der Aushub des Stadtgrabens.

Die Mauer, auch das konnte man nachvollziehen, wurde direkt in den Wall gebaut. »Sie haben damals schon recht enorme Türme erreichtet«, so Teuber. Errichtet wurde der Knochenturm um 1400 als Pulverturm, ähnlich wie der Pulverturm am Sonnenhaken, der auf 1408 datiert ist. Bei den Arbeiten konnte unter anderem ein kleiner steinerner Kanal freigelegt werden. An der hinteren Mauer haben sich vermutlich Wehrgangarkaden befunden. Stadtmauer und Kirche, so Pastor Teicke, seien schon früh miteinander verbunden gewesen. Es gebe zwar keine Belege dafür, aber oft sei es so gewesen, dass das Stift zum Bau einer solchen Mauer etwas dazugegeben habe, vermutet Teuber.ek