»Der Wald wirkt auf die Kinder ungemein ausgleichend«

Gesprächsrunde thematisiert Entwicklung der Waldkindergartenkinder in Einbeck / Eltern, Lehrer, Erzieher und Ärztin diskutiert

Knapp zehn Jahre nach Gründung der »Waldzwerge« im Kindergarten »Pusteblume« in Einbeck luden der Trägervereinsvorsitzende Joachim Voges und Kindergartenleiterin Britta Schmeichel zu einer Gesprächsrunde mit Erzieherinnen, Eltern, Lehrern und der Hausärztin ein. Dabei wurden die Entwicklungen ehemaliger und aktueller Waldkinder aufgezeigt und Erfahrungen ausgetauscht.

Einbeck. Ob Sommer oder Winter, die »Waldzwerge«-Gruppe des Kindergartens »Pusteblume« ist fast jeden Vormittag im Wald zu finden. Zusammen mit ihren Erzieherinnen Sandra Henniges und Melanie Effenberger wandern, spielen, lesen, basteln oder singen die Kinder im Freien. Von der Königsstuhlhütte aus starten derzeit drei Mädchen und elf Jungen ihren Weg durch den Wald. »Währenddessen werden Gespräche geführt, oder es wird über Entdeckungen gesprochen«, berichten die Erzieherinnen. Ferner würden Konzentrations- und Leseübungen absolviert. Auch das Spielen komme nicht zu kurz. So hat Henniges kürzlich einen Seilkurs absolviert, um mit den Kindern Schaukeln oder Hängebrücken im Wald zu bauen. »Wir machen die Übungen kontinuierlich. Dabei lernen die Kleinen von den Großen«, erläutern sie. Auch werde darauf geachtet, dass alle in die Gruppe einbezogen werden und die Stärken und Schwächen jedes einzelnen angenommen werden, gaben Henniges und Effenberger, die seit Anfang 2010 die Gruppe leiten, einen Einblick in den Alltag.

»Spannend ist das Gerücht, dass Waldkinder feinmotorisch nicht so begabt sind«, stellte Joachim Voges eine provokante These auf. Die Lehrerinnen Petra Bayer (Geschwister-Scholl-Schule) und Jutta Wittkugel (Teichenwegschule) konnten dieses Argument entkräften. Beide unterrichten in ihren Klassen ehemalige Haus- und Waldkindergartenkinder, dementsprechend böten sich Vergleichsmöglichkeiten und Erfahrungswerte an. »Zwischen Haus- und Waldkindern ist hinsichtlich der Feinmotorik kein Unterschied festzustellen. Dass die Kinder vormittags ihre Zeit im Wald verbracht haben, hat sich nicht negativ ausgewirkt«, stellten beide fest, und sie fügten an: »Vielfach sind die Kinder kreativer, wissbegieriger und interessierter«. Auch die schulische Zukunft sei durch die Erziehung im Wald keineswegs schon vorherbestimmt. »Die Kinder sind auf allen Arten der weiterführenden Schulen vertreten«, erklärte Wittkugel.

Das ebenfalls häufig nachgesagte Integrationsproblem bei Waldkindergartenkindern sieht Gitte Schwarzer, Ärztin im Kinder- und Jugendbereich des Gesundheitsamtes Northeim sowie Mutter zweier »Waldzwerge«, nicht. Bei ihren regelmäßigen Untersuchungen habe sie hingegen festgestellt, dass viele ehemalige Waldkindergartenkinder nach der Einschulung an Gewicht zugelegt hätten. »Man muss für diese Kinder schon einen Ausgleich zu dem bewegungsreichen Umfang im Wald schaffen«, mahnte sie an. Die Sorge einiger Eltern hinsichtlich Verletzungen oder aber Zeckenbissen konnte sie zerstreuen. Bisher habe es keine ernsthaften Verletzungen gegeben. In Bezug auf Zeckenbisse seien die Kinder zudem schon angewiesen bei verdächtigen Flecken nicht zu kratzen. Ansonsten gelte die Regel, sie zu Hause umgehend auf Zecken zu untersuchen. Eine FSME-Impfung werde angeboten, sei aber im südniedersächsischen Raum bisher nicht zwingend notwendig gewesen. Zudem trügen die Kinder stets lange Kleidung zum Schutz.

Die Mütter Ulrike Jaeger und Heike Blawe sind mit dem Angebot des Kindergartens sehr zufrieden. »Ich hab es nicht bereut, meinen Sohn bei den ›Waldzwergen‹ anzumelden. Für ihn ist das Angebot genau das Richtige, er ist immer mit Engagement dabei«, erklärte Blawe. Auch Jaeger sieht den Entwicklungsverlauf ihres Kindes durchweg positiv: »Der Wald hat meinem Kind gut getan. Es hat unter anderem viel Spielfantasie entwickelt und kann sich auch ohne  Spielzeug länger beschäftigen«, berichtete sie.

Einen weiteren gewonnenen Eindruck bei ihrer Arbeit mit den Kindern hoben die Erzieherinnen abschließend hervor: »Der Raum Wald wirkt auf die Kinder ungemein ausgleichend.«thp