Ausschuss für Jugend, Familie und Soziales

Die Aufgabenstellung hat sich verändert

Diakonie-Projekt »Neue Nachbarn« legt Jahresbericht für 2017 vor | Weniger Freiwillige dabei

Einbeck. Einen Arbeitsbericht über das vergangene Jahr hat das Diakonische Werk für das Projekt »Neue Nachbarn« vorgelegt. Nach der Erstversorgung standen unter anderem Umzug sowie Integration in Schule und Ausbildung bei den Geflüchteten im Mittelpunkt. Außerdem stellt der Bericht fest, dass an vielen Orten ein Wandel des bürgerschaftlichen Engagements festzustellen ist, der Änderungen der Begleitstrukturen erfordert.

Die Arbeit mit Geflüchteten im Bereich Einbeck-Kreiensen ist im Projekt »Neue Nachbarn« in zwei Kernbereiche aufgeteilt: Es gibt die Koordinierungs- und Beratungsstelle für ehrenamtliche Unterstützer von Geflüchteten und die Flüchtlingssozialarbeit mit den Schwerpunkten »Alltagsbewältigung« und »Berufliche Integration«. Außerdem laufen Unterprojekte, etwa das Gebrauchtwarenmagazin in der Hullerser Straße, eine Krabbelgruppe im Einbecker Kinder- und Familienserviebüro, Nähkurse, eine Fahrradreparaturwerkstatt in Kreiensen und Koordination und Durchführung von Sprachkursen. Grundlegendes Ziel ist es, Flüchtlinge zu begleiten und ein möglichst hohes Integrationsniveau zu erreichen.

In der Koordinierungs- und Beratungsstelle für Ehrenamtliche ist Mitarbeiterin Zsuzsanna Bényei-Büttner im April aus persönlichen Gründen ausgeschieden. Seit Mai ist Mayssam Freitag mit fünf Wochenstunden dabei, die Arbeitszeit soll in diesem Jahr etwas angehoben werden. Sie spricht unter anderem fließend arabisch und eröffnet neue Perspektiven, auch mit Blick auf Frauenarbeit. Im August sind die »Neuen Nachbarn« vom Museumscafé in Räume in der Nachbarschaft, Auf dem Steinwege 7, gezogen. Im vergangenen Jahr haben sich etwa 80 Freiwillige im Projekt engagiert, wobei die Zahlen rückläufig sind. Das liegt zum einen daran, dass viele Geflüchtete von den Dörfern in größere Zentren gezogen sind, wo sie professionelle Beratungsstellen finden. Zum anderen möchten viele Freiwillige sich nur zeitweise einbringen.

Zweimal wurden Treffen für die Freiwilligen engagiert, wobei auch das Thema »Frau und Familie im Islam« in den Fokus gerückt wurde.

In der Flüchtlingssozialarbeit ist Roland Heimann mit einer vollen Stelle tätig, er berät Geflüchtete in verschiedenen Bereichen des Alltags. Die Nachfrage war ungebrochen hoch: Durchschnittlich führte er zehn bis zwölf Beratungen pro Tag durch, hatte etwa 50 Telefonate mit diversen Organisationen, Behörden und sonstigen Institutionen und befasste sich mit etwa 20 E-Mails zu Themen der Beratungen.

Einen Schwerpunkt stellen Anträge zum SGB II dar. Viele Klienten wollten von den Dörfern wegziehen, wobei vor allem die schlechte Verkehrsinfrastruktur als Grund aufgeführt wurde. Die Hoffnung auf dauerhafte Belebung der ländlichen Räume habe sich somit leider nicht erfüllt, heißt es im Bericht. Seit Mitte 2017 kann eine Beratung durch einen Vertreter der Handwerkskammer angeboten werden mit dem Ziel, möglichst viele in Ausbildung zu vermitteln.

In der Arbeit der Beratungsstelle werden angeboten: Beratung in leistungsrechtlichen Angelegenheiten, Begleitung von Flüchtlingen bei Arztbesuchen und Behördengängen, Erstberatung bei aufenthaltsrechtlichen Fragestellungen, Darstellen von Weiterbildungssystemen, Heranführen an Sportvereine, die Durchführung von Perspektiv- und Sozialgesprächen, Kultur- und Religionsvermittlung, Vermittlung von Arbeits-, Ausbildungs- und Praktikumsplätzen, Vermittlung von Sprachkursen, Zusammenarbeit mit Schulen, Polizei, Krankenhäusern, Ärzten und Hilfsdiensten, Entwicklung von Bildungskonzepten, Wohnungssuche oder -vermittlung, Transport von Möbeln, Betreuung/Beratung ehrenamtlicher Helfer und Vermittlung von Rückkehrhilfen.

Das Gebrauchtwarenmagazin können Geflüchtete und andere Bedürftige an zwei Wochentagen besuchen und gegen eine geringe Gebühr Notwendiges für den Haushalt besorgen. Bürger unterstützen das Magazin mit Sachspenden, so dass Haushaltsgegenstände in ausreichender Menge verfügbar sind. Hier engagieren sich Freiwillige von KWS, die für eine bestimmte Wochenstundenzahl für das Projekt freigestellt werden. Klaus-Peter Bienotsch und Michael Büchting sind als Vertreter der Diakoniestiftung »Nächstenliebe in Einbeck« aktiv. Perspektivisch wird überlegt, das Magazin eventuell zum Sozialkaufhaus umzubauen.

Mitte 2017 wurde die Krabbelgruppe »Brücken bauen« neu gestartet. Sie versteht sich als Integrationsangebot und soll gewährleisten, dass Frauen über den häuslichen Kontext hinausblicken. Frauen fungieren als Kompetenzvermittler zwischen den Generationen. Mayssam Freitag und Lene Garus-Jochumsen treffen sich am Donnerstagvormittag mit acht bis zwölf Frauen und deren Kindern. Es wird genäht, gebacken, gekocht. Darüber hinaus geht es um häusliche Gewalt oder Kindererziehung und Ernährung. Neu gegründet hat sich im Treffpunkt eine Nähgruppe für Frauen, die von Birgit Strahle geleitet wird. Im Bürgerhaus in Kreiensen gibt es unter der Leitung von Richard Woitag eine Fahrradreparaturwerkstatt, die montags von 15 bis 17.30 Uhr öffnet. Die Räder werden an bedürftige Personen vermittelt. Auch Geflüchtete haben sich dabei eingebracht.

Bei den Sprachkursen gab es eine enge Zusammenarbeit mit der Flüchtlingsinitiative Dassel-Markoldendorf und dem Förderverein der Grundschule Kreiensen. Mitte 2017 hat ein ehrenamtlich organisierter Sprachkurs begonnen, der sich als Bindeglied zu professionellen Angeboten ersteht. Damit können Leerläufe zwischen Kursen der Bildungsträger vermieden werden.

Schließlich stellt der Bericht fest, dass die Zahl der Freiwilligen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, rückläufig ist. Das sei einerseits normal. Andererseits würden die Begleitanforderungen in der niedrigschwelligen und nachhaltigen Integrationsphase Freiwillige an persönliche Grenzen bringen. In diesem Jahr sollen verstärkt Fortbildungen mit interkulturellen und kommunikativen Inhalten für die Ehrenamtlichen entwickelt werden. Da nicht alle Geflüchteten das B1-Sprachniveau erreichen, wird der Zugang zu Ausbildung und Arbeit deutlich erschwert. Es wären spezielle Angebote für »Langsamlerner« wichtig, die die Lernmotivation stärken und das Sprachniveau verbessern würden. Da Zugereiste und Bürger der Aufnahmegesellschaft mitunter unterschiedliche Vorstellungen haben, wie der jeweils andere Kulturraum organisiert ist, ist ein Beteiligungsinstrument geplant, auch als niedrigschwelliger Zugang zur politischen Teilhabe. Erste Planungen sind angelaufen. Geplant ist außerdem, den interkulturellen Austausch zu fördern. Auch hier gibt es schon Planungen.

Aus den bisherigen Erfahrungen gehe hervor, dass Integrationsprozesse bewusst gestaltet werden müssten, so das Fazit. Eine verstetigte Angebotsstruktur mit verbindlichen Rahmenbedingungen bilde das Fundament für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe der Zugereisten. Die »Neuen Nachbarn« als Einrichtung der Flüchtlingssozialarbeit hoffen, dass sie auch künftig die notwendigen finanziellen Ressourcen haben, damit die Integrationsarbeit fortgesetzt werden kann.

Sie sei begeistert, wieviel »auf die Reihe gebracht« wurde, sagte Heidrun Hoffmann-Taufall, CDU. Auch Christine Jordan, SPD, lobte die vorgestellte Arbeit.ek