Einig nur darin

Die Tage der Hauptschule sind gezählt

CDU zur Gesamtschuldiskussion / Referent Manfred Franke, Philologenverband, befürwortet Ganztagsschule gegenüber IGS oder KGS

Welche Auswirkungen hätte eine Gesamtschule auf die bestehende Schullandschaft in der Stadt Einbeck, wie wirkten sich Integrierte oder Kooperative Gesamtschule (IGS oder KGS) aus, gibt es weitere Alternativen zur Fortentwicklung der Schulen? Diese Fragen versuchte ein Diskussionsabend zu beantworten, zu dem die Einbecker CDU gemeinsam mit der Kreistagsfraktion eingeladen hatte.

Einbeck. »Bringt eine Gesamtschule eine Angebotserweiterung? Oder bringt sie bewährte Strukturen in Gefahr?« Weitere Informationen seien wichtig, so CDU-Vorsitzender Dirk Ebrecht. Man wolle nicht »reflexartig die Krallen ausfahren«, wenn es ums Thema Gesamtschule gehe, man müsse aber auch bedenken, dass mit der nächsten Elternbefragung, die nach den Sommerferien anlaufe, wichtige Entscheidungen auf Jahre hinaus getroffen würden.

Die CDU, so der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Northeimer Kreistag, Heiner Hegeler, stütze das gegliederte Schulsystem. Aber man wolle die Augen nicht vor der Entwicklung und vor den Elternwünschen verschließen: Die Hauptschulen würden immer leerer, somit habe man der Elternbefragung zugestimmt. Der Inhalt des ersten Fragebogens habe dabei nicht die Zustimmung der CDU gefunden. Die jetzt geplante zweite Befragung sei zwingend für das Verfahren, gehe es doch um den Standort einer Gesamtschule. Einbeck sei dabei aus Sicht der Kreisverwaltung am geeignetsten. Der neue Fragebogen sei abgestimmt mit der Landesschulbehörde, »ich bin gespannt, wie das Ergebnis aussehen wird.« Der CDU gehe es darum sicherzustellen, dass das gegliederte Schulwesen nicht beeinträchtigt wird – mit Ausnahme der Hauptschule: Sie werde gar nicht mehr oder nur schwach angenommen.

Für ihn ist Einbeck nicht der zwingende Standort: Aus der ersten Elternbefragung gehe hervor, dass in Einbeck gar nicht so viele Schüler für eine Gesamtschule vorhanden seien, so Hartmut Bertram, Leiter der Goetheschule. Bilde man »naheliegende« Summen aus den Stimmen der Eltern aus benachbarten Orten, so spreche mehr für Northeim als für Einbeck. Ergänzt um eine demografische Abnahme von 3,8 Prozent pro Jahr zeige sich erst recht keine sinnvolle Konstellation für Einbeck, schon gar nicht über den geforderten Zeitraum von 14 Jahren. Für Northeim stellten sich die Zahlen günstiger dar, aber selbst da seien Zweifel angebracht. Er sehe, so Bertram, für die Goetheschule die Dreizügigkeit, die für ein gut arbeitendes Gymnasium benötigt werde, in der Konkurrenz mit einer Gesamtschule gefährdet.

Trotz langer Tätigkeit als Lehrer an einer IGS und an einer KGS sehe er die Gesamtschule durchaus kritisch, sagte Manfred Franke vom Philologenverband. Er sei eher ein Anhänger der Ganztagsschule. Das gegliederte Schulsystem sei keine Ständeschule, sondern die drei Systeme hätten sich historisch entwickelt. So wie Menschen Mängelwesen seien, habe auch das Schulsystem Mängel. Die Hauptschule, stimmte er mit Hegeler überein, habe – leider – keine Lobby, dies sei eine sterbende Schulform. Übrig bleibe ein zweigliedriges System. Die Realschule habe Zukunft, und auch das Gymnasium stehe nicht in Frage. Allerdings sei Integration in diesem System nicht gut möglich. Um Mängel auszugleichen, sollte es ganz oder teilweise ersetzt werden. Eine Gesamtschule werde über kurz oder lang auch die eigene Oberstufe haben wollen. Die Gesamtschule sei teurer als andere Schulen.

Die Gemeinsamkeiten der Schüler würden sowohl bei der IGS als auch bei der KGS schneller getrennt, als allgemein angenommen werde: Es gebe Kurse in Hauptfächern, und Lehrer würden über die Belegung der Kurse entscheiden. Nur wenige Fächer würden tatsächlich integriert unterrichtet. Es gebe einen Wahlpflichtbereich und eine Spezialisierung. Die KGS als »Gesamtschule für Feiglinge« sei kein Kompromiss, sie sei allenfalls billiger, was ein Vorteil für den Träger wäre.

Schließlich wollte der Referent einige »Legenden« über Gesamtschulen entkräften: So gebe es auch hier Schüler ohne Abschluss, es finde nicht unbedingt eine Abschlussmaximierung statt. Um Kinder besser zu fördern, sei die Ganztagsschule seiner Ansicht nach geeigneter. In vielen Köpfen sei allerdings eine Halbtagsschule verankert und »viele durch Tradition geheiligte Hemmnisse« würden dagegen sprechen, das zu ändern. Eine Ganztagsschule biete aber Möglichkeiten, anders pädagogisch miteinander umzugehen, und nur so erhalte man die notwendigen Fördermöglichkeiten. Allerdings verleihe die Gesamtschule vielen Eltern ein positives Gewissen.

Eine IGS für Einbeck wäre etwas Schönes, sagte Dietmar Bartels, Grüne, in der Diskussion. Die neue Umfrage werde zeigen, welches der Elternwille sei. Eine Gesamtschule in Einbeck werde keine andere Schule kaputt machen, denn eine gymnasiale Oberstufe werde es nicht geben: Damit würde man sich doch gegenseitig das Wasser abgraben. Als Befürworter der IGS erläuterte Siegfried Pinkepank die Vorteile dieser Schulform. Einen Vertreter des Philologenverbandes müsse man einzuordnen wissen, ging er auf die Wahl des Referenten ein.

Man könne auch ganz anderer Meinung sein als dieser einseitige Befürworter des Gymnasiums. Die erste Befragung habe gezeigt, dass knapp 1.000 Eltern im Landkreis für eine Gesamtschule seien, das müsse die Kommunalpolitik zur Kenntnis nehmen. Der Schulausschuss habe zudem Bedarf für die zweite Befragung gesehen. Er freue sich, dass dabei dem Votum für Einbeck einstimmig gefolgt wurde. Das gegliederte Schulwesen treffe früh weitreichende Entscheidungen. Es sehe nun so aus, als ob Eltern etwas anderes wollten. Der Weg gehe in Richtung Gesamtschule, und rund um Einbeck gebe es Neugründungen. Deshalb sollte auch in der Region dieses zukunftsträchtige Bildungssystem angeboten werden: »Der Wunsch ist da.« Käme sie nicht, wäre das ein Verlust für Einbeck. Die Eltern, die eine individuelle Entscheidung treffen würden, entschieden zugleich über die Schulstruktur für Jahrzehnte, so Claudia Miehe, Leiterin der Löns-Realschule.

Seien die vorhandenen Schulen denn so schlecht, dass man sie abschaffen müsse, fragte sie. Sie sehe ein funktionierendes System vor Ort, und man habe viel getan, um die Schule attraktiv zu machen. »Der Landkreis will uns opfern«, sagte sie. Dabei gebe es in Northeim zwei Haupt- und zwei Realschulen, die von einer neuen Gesamtschule weniger beeinträchtigt würden. Sie kämpfe für die Realschule vor Ort, »wir geben uns größte Mühe, hier ein attraktives Schulsystem vorzuhalten.«ek