Disponenten helfen im Notfall

116117 und 112 landen weiter in der Einsatzleitstelle in Northeim

Über das erfolgreiche Modellprojekt freuen sich (von links) Harald Jeschnnek (KVN), Kai Reichelt (Einsatzleitstelle), Sven Starosta (Einsatzleitstelle), Landrätin Astrid Klinkert-Kittel, Rainer Fiedler (Einsatzleitstelle), Jörg Richert, Floriane Walther (Praktikum der Einsatzleitstelle), Dr. Christian Steigertahl und Pascal Grote (Einsatzleitstelle).

Northeim. Seit Juli 2017 läuft im Landkreis Northeim ein Modellversuch: Außer dem Notruf (112) landen auch Kontaktaufnahmen über die Notrufnummer der örtlichen Ärzte (116117) direkt bei den Disponenten in der Northeimer Einsatzleitstelle. Projekte, in denen beide Nummern zusammengeführt oder durch eine Einsatzleitstelle disponiert werden, sind bekannt.

Landesweit einzigartig ist das Pilotprojekt beim Landkreis Northeim dennoch: Zum einen werden Fallzahlen erhoben, eine Auswertung ist also möglich; zudem ist die Finanzierung langfristig gesichert. Während zu Beginn des Projektes angenommen wurde, dass viele Menschen unnötigerweise die 112 rufen, haben die Erhebungen genau das Gegenteil ergeben, erklärte Landrätin Astrid Klinkert-Kittel.

So wurden nur etwa zehn Prozent der mehr als 12.900 Anrufe, die beim Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116117 eingingen, von der Einsatzleitstelle direkt an den Rettungsdienst übermittelt. Dies war aufgrund der benötigten medizinischen Versorgung dringend erforderlich, teilweise zog man auch den Notarzt hinzu. Betroffen davon waren in der Modellphase bisher 1.218 Personen.

Im Gegenzug wurden lediglich eineinhalb Prozent (413 Anrufe) der rund 27.600 Kontakte mit der Notrufnummer 112 von der Einsatzleitstelle an den Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst vermittelt. Das Projekt, das Leben retten kann, hat sich bewährt, so Klinkert Kittel.

Durch die gemeinsame Koordinierung können die Disponenten schnell die individuell beste Entscheidung zum Wohl der Anrufer treffen. Kai Reichelt, Leiter der Einsatzleitstelle, berichtete über einen konkreten Fall: »Eine Großmutter hat in diesem Jahr die 116117 angerufen, weil ihr fünfjähriges Enkelkind schlecht Luft bekam. Der Leitstellendisponent alarmierte sofort einen Rettungswagen, der das Kind in die Kinderklinik nach Göttingen gebracht hat.«

»Bei Betroffenen oder Angehörigen besteht häufig Unsicherheit, welches der richtige Weg für eine schnelle und angemessene Hilfe ist«, erklärte Harald Jeschonnek, Geschäftsführer des Bezirks Göttingen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Nicht umsonst empfiehlt der Sachverständigenrat des Bundesministeriums für Gesundheit, sowohl den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst als auch den Rettungsdienst wie im Landkreis Northeim von einer Leitstelle zu steuern.

Anhand eines Fragenkatalogs kann der geschulte Disponent innerhalb kürzester Zeit feststellen, welche medizinische Versorgung der Anrufer benötigt, ob er ein Rettungswagen und möglicherweise ein Notarzt schicken muss oder die Behandlung durch den im Bereitschaftsdienst eingesetzten Arzt ausreicht.

Ziel ist, dass in allen Fällen die erforderliche und optimale Hilfe erfolgt. »Einer Disposition durch die Einsatzleitstelle gelingt beides: Der Rettungsdienst wird dort, wo es möglich ist, entlastet; und die Patienten bekommen dann, wenn es erforderlich ist, schneller die notwendige Hilfe«, betonte Dr. Christian Steigertahl als Vertreter der Ärzte.

Dank der Zentrale muss der Arzt nicht selber mehr ans Notrufhandy gehen, Anfragen - teilweise auch, welche Apotheke geöffnet oder welcher Zahnarzt Notdienst hat - gehen zuerst an das qualifizierte Personal der Leitstelle. Diese weiß auch, wo sich die Mediziner befinden, um bei Bedarf Unterstützung zu veranlassen. Das wichtige Projekt des Landkreises Northeim und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen wird fortgesetzt.

Um das gesteigerte Anrufaufkommen entsprechend der hohen Anforderungen angemessen bewältigen zu können, kommt ein weiterer Disponent hinzu. Zu den Stoßzeiten, wenn die normalen Praxen geschlossen haben, stehen zukünftig drei Personen in der Zentrale zur Verfügung.

Kontaktaufnahmen mit den geschulten Personal der Leitstelle sind zu jeder Zeit möglich. Herzdruckmaßnahmen wurden zum Beispiel schon erfolgreich am Telefon bis zur Ankunft des Notarztes angeleitet. Zusätzlich wies Dr. Christian Steigertahl darauf hin, dass man die Praxen der Ärztlichen Bereitschaftsdienstambulanz in den Krankenhäusern ohne vorherige Vereinbarung und ohne telefonischer Anmeldung unter 116117 aufsuchen kann.

Sie sind für Erkrankungen dar, bei denen Patienten normalerweise den niedergelassenen Arzt aufsuchen, oder für Behandlungen, die aus medizinischen Gründen nicht bis zum nächsten Tag warten können. Für die zentralen Ansprechpartner in Notfällen teilen sich der Landkreis Northeim und die KVN die zusätzlich anfallenden Personalkosten von etwa 68.500 Euro jährlich, wobei an dem Anteil der Kassenärztlichen Vereinigung die Ärzte indirekt beteiligt sind.

»Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit kann im Zweifel wertvolle Zeit gewonnen werden«, begründet Landrätin Astrid Klinkert-Kittel ihre Entscheidung zur Fortführung des Projekts. Auch die Ärzte im Landkreis Northeim haben sich mehrheitlich für die Fortsetzung der Zusammenarbeit ausgesprochen.mru